Kapitel 33
Ohne zu zögern laufe ich die Terrasse entlang und steige die Stufen hinab. Am Pool angekommen, drehe ich mich mehrmals um meine eigene Achse, aber ich kann meinen Bruder nirgends entdecken.
Seufzend streiche ich mir über die Wangen um dir verbliebende Nässe dort wegzuwischen und schlage dann den Weg hinunter zu unserem Strand ein.
Schon aus weiter Entfernung erkenne ich Jason.
Er sitzt im Sand und starrt auf das endlose Meer. Die Arme hat er um seine Knie geschlungen und von der Seite sieht es fast so aus, als wäre nichts gewesen...
Aber nur fast!
Ich überbrücke die letzte Distanz, von ungefähr zehn Metern, zwischen uns und bleibe neben ihm stehen. „Darf ich?", vorsichtig deute ich auf den Sand neben Jason und mein Bruder nickt leicht mit dem Kopf.
Stillschweigend sitzen wir neben einander indem Sand und schauen auf das Wasser. „Es tut mir leid!", durchbricht Jason plötzlich die Stille und wendet traurig den Kopf zu mir.
„Das was ich am Ende gesagt habe, war mehr als nur bescheuert! Ich weiß nicht was mit mir los war oder ist.
Einfach alles ist da in dem Moment losgegangen und ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle.
Ich bin aber nur so ausgerastet, weil du mir so unfassbar wichtig bist und ich nicht möchte, dass du verletzt wirst.
Hoffentlich verstehst du mich da irgendwie. Allerdings hätte ich dich nicht anschreien dürfen, denn das ist das Letzte, was man in so einer Situation machen sollte.
Lieber hätte ich dich unterstützen und dich nicht anschreien sollen.
Das war einfach nur scheiße von mir! Dafür gibt es keine Entschuldigung...
Aber trotzdem, entschuldige bitte, dass ich so reagiert habe und..."
„Hör auf", unterbreche ich ihn bestimmt und hebe die Hand. „Bitte", füge ich noch hinzu und mein Bruder mustert mich verwundert.
„Du hast nichts falsch gemacht... Wenn hier jemand Mist gebaut hat, dann ja wohl ich und das eindeutig! Ich hätte es dir sofort sagen müssen, weil lügen ist keine Option.
Lügen haben bekanntlich kurze Beine und früher oder später wäre es rausgekommen.
Aber bitte glaub mir. Lange Zeit dachte ich wirklich, dass dies die bessere und einfachere Lösung für alle Beteiligten ist.
Ich hatte Angst vor deiner Reaktion und wollte nicht, dass du dich wegen mir mit deinen Freunden streitest...", fahre ich fort.
„Mir tut es sehr leid, dass ich dich angelogen habe. Dass ich dir etwas verheimlicht und jetzt womöglich dein Verhältnis zu Fabian ruiniert habe.
Einfach alles tut mir so leid! Dieses gesamte Fiasko ist meine Schuld und ich möchte dich wegen meiner Lügereien, meiner Dummheit, meiner Ängste und meiner Naivität nicht verlieren."
„Du könntest mich niemals verlieren, selbst wenn du es darauf anlegen würdest", entgegnet mein Bruder mit einem traurigen Lächeln.
„Das ist auch besser so", sage ich leise und presse meine Lippen aufeinander.
„Es tut mir wahnsinnig leid", bekräftige ich nochmal meine Worte, um Jason zu verdeutlichen wie ernst und wichtig mir dieses Gespräch ist.
„Ich weiß. Mir auch", gibt er nach einer Weile zurück und ich nicke zögerlich.
„Weißt du: Ich hätte es sofort sagen und nicht um den heißen Brei reden sollen", gebe ich dann zu.
Jason legt seinen Kopf schief und murmelt zustimmend: „Das hättest du wirklich nicht, aber so ist es nun mal. Ich hoffe nur, dass du aus dieser Sache etwas lernst."
„Natürlich! Absolut", pflichte ich ihm bei und rücke näher an ihn heran.
„Ist dir kalt?", fragt mein Bruder als er bemerkt, dass ich mir versteckt über die Arme reibe, um mich einigermaßen zu wärmen.
„Hm ja... Der Stoff ist alles andere als wärmend", nuschel ich vor mich hin. Prompt ziehtJason deinen Kapuzenpullis aus und reicht ihn mir.
„Aber dann ist dir doch kalt", protestiere ich, dennoch winkt Jason ab und streift mir den Pulli überden Kopf. „Keine Wiederrede!"
„Danke", sage ich zu ihm und er legt einen Arm um meine Schulter.
Mir schlägt sein vertrauter Geruch entgegen und ich mache es mir an seiner Brust bequem. Der Pulli wärmt mich und ich bin meinem Bruder dankbar, dass er ihn mir ohne zu zögern überlassen hat.
„Wie geht es deinem Kopf?", erkundigt sich Jason in die Stille hinein und streicht meine Haare weg, die mir durch den blasenden Wind in mein Gesicht flattern.
„Alles in Ordnung", antworte ich und schaue zu meinem Bruder hoch, der nicht sehr überzeugt wirkt und mich zweifelnd anschaut.
Schließlich nickt er und atmet geräuschvoll aus. „Du musst dir wirklich keine Sorgen machen", flüstere ich ihm zu und beobachte ihn weiter.
„Chiara das weiß ich. Aber wie du davor ganz richtig gesagt hast.
Es ist halt mein beschissener, brüderlicher Beschützderinstinkt und gegen diesen kann ich nichts tun", wispert er so leise wie nur möglich.
Wahrscheinlich hofft er darauf, dass ich ihn nicht höre, doch nicht mit mir!
„Jason du bist perfekt. Auch deine beschützerische Seite. Du bist der allerbeste Bruder den man sich wünschen kann und ich bin sehr, sehr dankbar, dass es dich gibt. Ich hab dich lieb."
Mein Bruder ist von meinen Worten zu Tränen gerührt und umarmt mich noch etwas fester. „Ich habe dich auch lieb", haucht er und drückt mir seine Lippen auf den Scheitel.
„Dann ist ja gut", lache ich und gucke zu ihm. „Was du nicht sagst?", gibt er zurück und wir beide beginnen wie blöd zukichern.
„Aber du gehst zu einem Arzt sobald wir wieder in London sind", erhalte ich von Jason den Befehl und nicke daraufhin zögernd. „Ja, aber was ist wenn...na ja egal", beginne ich stockend, denn auf einmal habe ich eine Idee.
„Was ist wenn was?", vergewissert sich Jason bei mir und schiebt mich ein Stück von sich weg, damit er mich besser ansehen kann.
Ich wende den Blick ab und scharre nachdenklich mit den Füßen im Sand: „Was ist wenn der Basketball nichtdie einzige Ursache für meine Kopfschmerzen ist?
Vielleicht gibt es ja noch eine zusätzliche Erklärung", spreche ich meinen Gedanken aus und male einigeMuster in den Sand.
„Und was sollen das für Ursachen sein?", hakt Jason nach und ich spüre deutlich seinen bohrenden Blick auf mir haften.
„Könnte es sein, dass es etwas mit dem zu tun hat, was vor...einem Jahr passiert ist?", spreche ich dann den Todesschlag aus und mein Bruder zieht scharf die Luft ein.
„Du meinst es hat mit IHM zu tun?" Die Stimme meines Bruders klingt aggressiv und bezüglich dessen was passiert ist, kann ich es ihm auch nicht verübeln!
„Ja genau das meine ich", nun bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als ihn anzuschauen und deswegen drehe ich den Kopf zur Seite. „Könnte doch sein oder?"
„Möglich", stimmt mir mein Bruder zu. Als er weiter spricht ist seine Stirn gefurcht: „Aber falls es wirklich deswegen ist, dann gehen wir vor Gericht und danach sitzt dieses Drecksschwein im Knast.
Ich möchte nicht riskieren, dass er nochmal so eine Scheiße mit dir abzieht!
Weißt du wie wichtig du mir bist?
Sehr wichtig...! Dich würde ich mit meinem Leben beschützen", redet Jason eindringlich auf mich ein und ich nicke sträubend.
„Da wärst du nicht der Einzige", rutschtes aus mir heraus und ich vergrabe mein Gesicht in dem Pulli meines Bruders.
Leider hat Jason das sehr deutlich gehört und fängt auch noch an zu allem Übel wie ein Irrer zu grinsen. „So, so. Wer ist denn der Glückliche?", bedrängt er mich sofort und hebt mein Kinn hoch.
„Komm sag schon", bettelt er wie ein kleines Kind und seine Augen funkeln neckend. Ich ziehe den Kopf ein.
„Ähm... ich bin mir da nicht so sicher", stammel ich dann und mir wird gleichzeitig heißund kalt. „Schon gut. Wenn du dir über deine Gefühle im Klaren bist, dann sag mir Bescheid in Ordnung?
Ich will nur nicht, dass wir am Ende ein Baby an derBacke haben oder so..."
„Hey", beschwere ich mich lautstark.
„Wenn schon, dann hättest du vor mir ein Kind am Hals. Schließlich hast du eine feste Beziehung.
Ich dagegen bin Single aus Überzeugung!"
„Single aus Überzeugung also? Na ja, nicht mehr so lange", wiederspricht mir mein Bruder und ich glaube mich verhört zu haben.
„Wie bitte? Planst du etwa gerade mich zu verkuppeln?", bestürzt schaue ich ihn an und angesichts meines Gesichtsausdruckes prustet er los. „Ne, eigentlich nicht. Wobei das eigentlich keine so schlechte Idee ist", grinst er dann und ich kann nur ungläubig den Kopf schütteln.
„Und mit wem? Wenn man fragen darf?", erkundige ich mich spitz.
„Klar darfst du fragen...
Ob du eine Antwort bekommst ist allerdings eine andere Sache", bemerkt Jason und ich verdrehe die Augen.
War ja klar, dass er es mir nicht so leicht macht!
„Chiara Grace. Hm, klingt gar nicht mal so schlecht", überlegt Jason laut und mir klappt der Mund auf.
„Organisierst du hier gerade meine Hochzeit und Verlobung,Jase? Dir geht es doch nicht mehr ganz gut", schnaube ich empört.
„Warte! Wie genau kommst du auf Grace!?"
„Bist du nicht in Leon verliebt?", gibt er zurück und ich zucke ertappt mit den Schultern. „Ich...ähm ja", murmel ich leise.
„Ich weiß es nicht." „Oder eher Fabian?", erkundigt er sich dann vorsichtig und ich lehne mich an meinen Bruder.
Fabian!?
Wie kommt er jetzt bitte auf Fabian?
„Ich weiß es nicht", wiederhole ich erneut mit leicht genervtem Unterton in der Stimme. „Du magst beide, aber du kannst dich nicht entscheiden", stellt Jason fest und ich stöhne frustriert auf.
„Ist das etwa so offensichtlich?"
„Ähm...ja."
„Na große Klasse! Wirklich. Das ist überhaupt nicht schlimm. Nein, wie komme ich denn darauf!?", meine Stimme trieft nur so vor Sarkasmus und mein Bruder schaut mich bemitleidend an.
„Ich möchte niemanden verletzen", gebe ich dann nach einer Weile leise zu und er ist sehr überrascht vom meinem Geständnis.
„Du kannst doch gar niemanden verletzen. Kein Mensch auf diesem Planeten kann etwas für seine Gefühle.
Außerdem gehörst du weder Leon noch Fabian, also hast du freie Bahn. Entscheide dich und nehme den Richtigen für dich. Du musst keine Erwartungen für jemand anderen erfüllen, Chiara.
Bitte denk nicht darüber nach, was der andere der beiden womöglich sagen würde, wenn du dich nicht für ihn entscheidest.
Du musst glücklich sein.
Das ist auch überhaupt nicht egoistisch oder asozial gegenüber Leon oder Fabian. Schließlich geht es hier um dich! Du musst dich wohlfühlen", spricht mir Jason zu und ich lächel ihn dankbar an.
„Du bist echt ein tolles Vorbild und noch dazu ein super Bruder", lasse ich ihn wissen und er nickt. „Ich weiß!"
„Ach hör auf! Das klingt ja total eingebildet."
„Das weiß ich auch."
Wir beide sehen uns an und fangen derart an zu lachen, dass wir uns nach hinten in den Sand fallen lassen müssen.
„Wie läuft es eigentlich mit dir und Bella?", erkundige ich mich neugierig bei Jason und er grinst von einem Ohr zum anderen. „Super! Es könnte nicht besser sein", strahlt mein Bruder.
„Hast du ihr deine Liebe schon gestanden? Also ich meine so richtig? Mit einem romantischen Date und alles Drum und Dran?", ich bin ganz hibbelig vor Aufregung und die Wangen meines Bruders verfärben sich rötlich.
„Ich...ähm nein. Noch nicht. Ich wusste nicht wie und außerdem... habe ich mich nicht getraut", murmelt Jason in sich hinein und ich nicke wissend, aber auch amüsiert. Es ist schon irgendwie süß, dass mein unerschrockener Bruder Angst davor hat meiner besten Freundin, seiner großen Liebe, seine Gefühle zu gestehen.
Wobei es nicht mal so schlimm wäre, da Bella ja genau dasselbe fühlt. Das kann ich Jason aber nicht sagen, denn so tief kann ich meine Freundin nicht hintergehen und streng genommen geht mich ihre Beziehung überhaupt nichts an.
„Ja, ja die Liebe. Das ist wirklich nicht immer so leicht", sage ich deswegen gedankenversunken vor mich hin.
Doch als ich Jasons traurigen und bestürzten Gesichtsausdruck sehe, füge ich noch schnell hinzu: „Aber ihr seid ja auch erst seit der Ferienparty zusammen, also ist das nicht so dramatisch. Ich meine, wirsind ja zwei Tage später gefahren und in dem ganzen Stress hast du halt einfach nicht die Zeit genommen. Das ist wirklich in Ordnung und absolut normal. Alles wird sich schon von alleine finden.", muntere ich meinen Bruder auf und erlächelt dankend.
„Aber zusammen seid ihr doch oder?" „Ja klar. Was denkst du denn? Ich würde Bella niemals unbedeutend küssen, geschweige denn von... du weißt schon was", erklärt mein Bruder.
„Warte? Warte? Was?", sprudelt es aus mir hervor.
Das hat meine Bruder doch nicht gerade ernsthaft gesagt und auch so gemeint?
Oder etwa doch?
„Das glaube ich jetzt nicht!" Aufgescheucht und mit schreckgeweiteten Augen guckt Jason ängstlich zu mir herüber und ich weiß genau, dass er darauf hofft, dass sich eventuell ein Loch in der Erde öffnet und ihn verschlingt.
„Willst du mir gerade allen Ernstes sagen, dass du Sex mit meiner aller besten Freundin hattest?", sprachlos starre ich ihn an.
„Das habe ich nicht gesagt", windet sich Jason heraus und ich schüttel meinen Kopf. Das meine Freundin und mein Bruder Sex hatten muss ich erstmals verdauen.
Ja ich weiß, dass es mich nichts angeht, aber sowas...!?
„So schnell schon?" „Bist du sauer?", stellt mein Bruder mir eine Gegenfrage und ich hebe eine Augenbraue.
„Dazu habe ich keinen Grund, aber findest du nicht, dass das nicht etwas zuschnell und unkontrolliert abläuft? Ich habe mich da nicht einzumischen, aber ich möchte nicht, dass am Ende irgendetwas passiert und ihr dann doch nicht mehr...du weißt schon, zusammen seid. Das wäre für niemanden gut. Könnt ihr es nicht ein bisschen langsamer angehen?"
Ich bin besorgt um Bella, meinen Bruder,aber auch um die Beziehung zu Bella, weil wenn sich Jason und sie vielleicht irgendwann unschön trennen, dann wäre das alles andere optimal...
„Was ist los?"
„Ach Jason. Geht es dir dabei nur um das eine? Wirst du Bella danach wieder fallen lassen?", frage ich dann ganz leise und Jason schaut mich entgeistert an.
„Wie bitte!? Chiara, es geht mir hierbei nicht um Sex! Ich lie... liebe Bella okay!"
„Du hättest gerade dein Gesicht sehen sollen", bemerke ich da,allerdings ohne jegliche Emotionen.
„Hast du etwas dagegen, dass ich mit deiner besten Freundin zusammen bin?", erkundigt sich mein Bruder leise und nimmt meine Hände in seine.
„Nein habe ich nicht. Es ist einfach nur... ach egal.Vergiss es einfach!", niedergeschlagen drehe ich ihm den Rücken zu und lasse den Kopf hängen. Ich weiß selbst nicht, weshalb ich jetzt auf einmal so traurig reagiere.
„Chiara? Was ist los?", vernehme ich Jasons bittende Stimme hinter mir. „Ist es jetzt blöd wenn ich sage, dass ich es selbst nicht weiß?", frage ich kleinlaut und ziehe meine Knie an meinen Körper.
Mein Bruder lacht rau hinter mir und umarmt mich fest.
„Weißt du was? Ich glaube, dass du Angst hast. Ich glaube du hast Angst vor einer Veränderung", stellt Jason dann leise fest,aber mit der Sicherheit mit der er dies sagt, wird mir mulmig zu Mute.
„Vielleicht hast du Recht", raune ich in seinen Pulli hinein.
Doch wieso habe ich vor einer Veränderung Angst?
Auf einmal bekomme ich ein Déjà-vu von meinen ganzen Gesprächen mit Fabian und muss krampfhaft schlucken. Genau das hat mir Fabian auch gesagt...
„Du verbringst momentan sehr viel Zeit mir ihm oder?" Ich drehe mich wieder zu Jason und sehe ihn verständnislos an. „Von wem redest du?"Mein Bruder schaut mich an, als wäre ich ein bisschen wirr im Kopf und erwidert dann ganz langsam: „Ich rede von Fabian."
„Fabian!?", ist das einzige was mir dazu einfällt. „Ja. Fabian", er zieht eine Augenbraue hoch und mustert mich belustigt.
„Du hast gerade laut gedacht", erläutert mir mein Bruder dann und probiert sich mühevoll ein Lachen zu verkneifen.
Mir fällt die Kinnlade herunter und dann boxe ich ihm sauer gegen den Arm. „Hey! Hör auf mich auszulachen!"
„Ja Herrgott! Okay, wir haben viel Zeit in den letzten Tagen miteinander verbracht. Sofern man viel so definieren kann wie du es gerade tust. Und jetzt Themawechsel! Danke."
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