Kapitel 29

„Was war das denn gerade? Was ist mit Chiara los?", verwundert schaue ich zu Chris herüber der sich hektisch durch die Haare fährt und nicht ganz anwesend scheint.

„Hallo Erde an Chris", versucht es jetzt auch Felix, aber auch er bekommt keine Antwort. „Man Chris antworte jetzt gefälligst! Was hast du zu meiner Schwester gesagt?", mühsam probiert sich Jason zu beherrschen und ich sehe wie er krampfhaft schluckt.

„Chris", rufen Fabian und ich gleichzeitig.

„Ich habe Mist gebaut! Aber so richtig", Chris schaut flehentlich zu Jason.

„Ach echt? Darauf wäre ich ja im Leben nicht gekommen! Falls es dir nicht aufgefallen ist, wir sitzen schon eine ganze Weile hier mit am Tisch", Nico zieht spöttisch eine Augenbraue hoch, aber ich kann deutlich die Wut in seinen Augen erkennen.

„Ich habe Chiara gefragt ob...", beginnt Chris und bricht dann ab.

Vor Scham kriecht eine verräterische Röte auf seine Wangen und erneut streicht er sich durch seine unordentlichen Haare. „Ob was?", Jason ballt seine Hand zur Faust und schaut unseren Freund wütend an

. Felix legt ihm beruhigend die Hand auf die Schulter, doch er schüttelt sie ab.

„...ob sie noch-ähm...Jungfrau ist", schließt Chris leise und mir klappt die Kinnlade herunter.

Ich habe mit wirklich allem gerechnet, aber nicht damit!

„Du meinst du willst sagen, dass ich Chiara gestern Nacht angeblich um ihre Jungfräulichkeit beraubt habe", schreit mein Bruder zornig auf und schlägt mit der flachen Hand auf die Tischplatte.

„Du behauptest gerade allen Ernstes, dass Chiara mit mir Sex hatte? Bist du eigentlich komplett hohl? Wie kann man auch nur annähernd so Gehirn amputiert sein? Oder willst du sogar noch andeuten, dass ich sie gestern vergewaltigt habe?

Man ey Chris! Schalte doch bitte ein einziges Mal dein verfucktes Hirn ein und denk nach, bevor du dein Mund aufmachst!", mein Bruder ist außer sich vor Zorn und angesichts der Tatsachen kann ich das auch nachvollziehen.

„Also hattest du nichts mit Chiara?", frage ich und habe gleichzeitig Angst vor der Antwort.

„Sag mal seid ihr eigentlich alle total bescheuert?
Niemals würde ich mit Chiara Sex haben, wenn sie es nicht wollen würde. Und außerdem hatten wir nicht mal welchen!

Das Einzige aufregende was passiert ist, ist dass wir mitten in der Nacht aufgewacht sind und wir geredet haben und...

Leute eigentlich wollte ich das nicht sagen, aber...ich bin selbst noch Jungfrau!", ungläubig schaut mein Bruder zu mir herüber und ich kann in seinen Augen sehen, dass er enttäuscht ist, dass ich so etwas von ihm denke.

„Du bist noch Jungfrau?", hakt Jason nach und mein Bruder wird leicht rot.

„Ja", sagt er leise und führt das aber nicht weiter aus. „Ist doch nicht schlimm", verständnislos schaut Nico zwischen uns hin und her: „Ich bin auch noch Jungfrau."

Ohne weiter auf dieses Thema einzugehen frage ich Chris: „Bist du eigentlich doof? Wie kann man nur sowas denken?"

„Ich weiß, dass es dämlich war okay. Ich kann selbst nicht erklären wieso ich das gesagt habe. Es tut mir auch total leid", verteidigt sich Chris und schaut uns verzweifelt an.

„Wer das glaubt wird selig", knirscht Fabian und seine Augen blitzen, aber da greift Nico ein.

„Das reicht Fabian! Es ist zwar komplett scheiße was Chris da eben abgezogen hat, aber es bringt jetzt auch nichts mehr, denn es ist nun einmal geschehen. Das soll nicht heißen, dass ich diese Aktion unterstütze, denn sie ist mehr als nur bekloppt, aber es hat momentan wirklich keinen Sinn sich jetzt an die Gurgel zu gehen."

„Ach ihr habt doch alle keine Ahnung", schnaubt mein Bruder und lässt sich schnaufend auf seinen Stuhl fallen.

Gleich darauf springt er wieder auf und fängt an im Zimmer auf und ab zu tigern.

„Leute jetzt beruhigt euch doch alle mal. Es bringt rein gar nichts sich noch nachträglich verrückt zu machen. So tragisch ist das nicht", stellt Felix sachlich fest und ich schaue stirnrunzelnd zu ihm rüber.

„Möglich", stimme ich ihm nach einer Weile zu, aber meine Stimme klingt alles andere als überzeugt. „Wo könnte sie sein", fragt Jase mehr sich selbst als uns.

„Keine Ahnung.
Sie könnte am Strand sein wo wir uns damals kennengelernt haben, in unserem Lieblingscafé, am Hafen, in der Stadt oder in irgendeinem Laden. Chiara könnte überall sein", schließt Nico deprimiert und schaut in die Leere.

„Oder in einem Bett mit irgendeinem Vergewaltiger", knurrt Fabian erbost und ich verdrehe die Augen. Dann kommt mir eine Idee: „Rufen wir sie doch einfach an."

„Stimmt Leon du hast Recht", erleichtert zieht Jason sein Handy raus. Er drückt eine Kurzwahl und hält sich das Smartphone an sein Ohr.

Gespannt warten wir auf ein Zeichen, aber es bimmelt und bimmelt und niemand nimmt ab. „Scheiße", flucht mein Freund und wirft sein Handy auf den Tisch.

„Jason jetzt mach mal halblang", beruhigend redet Nico auf Jason ein. „Chiara kennt sich hier einigermaßen aus und wenn sie nicht wüsste wo sie hin soll, dann wäre sie auch ganz sicher nicht gegangen."

„Genau", pflichte ich Nico bei, aber eher um mich selbst zu beruhigen.

„Jason?", ertönt Chris' Stimme und er klingt ungewöhnlich leise. Verwundert drehe ich mich zu ihm um.

Er druckst etwas herum, aber das was Chris danach fragt zieht mir den Boden unter den Füßen weg.

„Eigentlich wollte ich darüber erst alleine mit Chiara reden, aber na ja...hat deine Schwester irgendwelche Gehirnprobleme, von denen du nichts weißt?"

Wie in Zeitlupentempo drehen sich Jason und Nico zu Chris um. „Was sagst du da?", flüstert Jason heiser und seine Stimme bricht.

„Wie kommst du darauf?", frage ich möglichst neutral, aber ich zitter stark.

„Gestern Abend als ich sie in den Sand gedrückt habe da habe ich aus Versehen ihre Schläfe berührt und sie ist zusammengezuckt. Sie ist total blass geworden und hat unregelmäßig geatmet. Chiara sah aus als hätte sie starke Schmerzen...", Chris schaut nachdenklich zu Jason.

„Willst du damit etwa sagen, dass Chiara möglicherweise einen...Tumor hat?", wispert Jason und ich kann erkennen, dass sich Tränen in seinen Augen bilden.

„Jetzt hör aber auf. Jase, mal doch nicht gleich den Teufel an die Wand!", Felix schaut eindringlich zu Jason.

„Wie kommst du denn auf so was? Es kann tausende von anderen Erklärungen dafür geben...", Nico schaut weiterhin in die Leere, aber Felix hat Recht.
Zumindest hoffe ich das.

Währenddessen steht mein Bruder auf und läuft auf Chris zu. „Welche Seite ihres Kopfes hast du berührt?", fordert er dann.

Verständnislos gucken wir ihn alle an und Chris antwortet nicht sofort. „Verdammt Chris! Welche Seite hast du berührt?", brüllt Fabian und starrt Chris an.

Sein Gesicht ist zu einer Grimasse verzerrt.

„Die rech...rechte Seite, aber das ist doch jetzt vollkommen irrelevant", antwortet Chris und Fabian sieht aus als hätte man ihn geschlagen.

Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen gefällt ihm diese Antwort überhaupt nicht, auch wenn ich nicht erklären kann warum. Auf einmal schwankt er auf der Stelle und ich springe auf.

Ich greife nach seinen Oberarm, halte ihn fest und stütze ihn so gut ich kann. An seiner Haltung erkenne ich, dass er Mühe hat sich auf den Beinen zu halten und er lehnt sich an mich.

„Fabian?", frage ich vorsichtig und er wendet sich zu mir. In seinem Gesicht zeichnet sich blanke Angst ab und er fasst sich an den Kopf, fährt sich durch die Haare. „Leon", flüstert er und mit dem Tonfall mit dem er meinen Namen ausspricht jagt er mir eine Heidenangst ein.

„Leon ich habe Mist gebaut", flüstert er und Panik flackert in seinen Augen auf und droht ihn zu verschlingen. Dann windet er sich aus meinem haltenden Griff und sackt auf der Couch in sich zusammen.

„Fuck, fuck, fuck", murmelt er immer wieder vor sich hin und lässt sich nach hinten fallen. Mein Bruder ist kreideweiß und er rauft sich mehrmals die Haare.

„Fabi, was ist los?", frage ich und auch die anderen erheben sich nun. Ich lasse mich neben meinen Bruder fallen und berühre seine Schulter.

„Was weißt du?", verlange ich von ihm und schaue ihn eindringlich an. „Wenn Chiara irgendetwas passiert, dann bin ich schuld", verzweifelt starrt mein Bruder zu mir hoch und ich sehe wie gebrochen er ist.

Doch ich glaube nicht mal, dass er mich überhaupt ansieht, denn es wirkt fast so als schaue er durch mich hindurch.

„Warum?", hacke ich sanft und ruhig nach. Meine Hand verharrt auf der Schulter meines Bruders und er legt die Hände über sein Gesicht.

„Ich bin daran schuld", presst er nach einer Weile hervor und in diesem Augenblick tut mir mein jüngerer Bruder unendlich leid.

Was ist wohl vorgefallen was in so fertig macht?
Nein, eigentlich eher, was hat er gemacht und was hat das Ganze mit Chiara zu tun?

„Hey, egal was es ist du kannst es sagen. Es wird dir schon niemand den Kopf abhacken, glaub mir", ich versuche ein Lächeln und frage mich wann wohl das letzte Mal war, dass Fabian und ich uns so nah kamen.

„Wovon sprichst du?", will Jason irritiert wissen und setzt sich zu uns auf die Couch. Die anderen sinken zu Boden auf den Teppich.

„Bitte Jason, bitte hass mich nicht. Ich hätte es dir vielleicht irgendwann erzählt, aber Chiara wollte es nicht und ich hatte zu sehr Angst davor es dir zu sagen. Deine Schwester wollte einfach nur eine Schlägerei verhindern", beginnt mein Bruder und Jason und ich wechseln verwirrte Blicke.

„Alles hat damit angefangen, dass Herr Wright die gemischten Basketballteams erstellt hat", Fabian stöhnt auf und guckt Jason flehentlich an.

„Ich habe absolut keine Ahnung wovon du da gerade redest, aber jetzt sag schon. Ich werde dich schon nicht umbringen. Hoffe ich zumindest", ungeduldig schaut Jason auf meinen Bruder herunter.

Mich schockiert der Anblick den er gerade bietet total. Noch hie habe ich ihn so hilflos gesehen. Unser Gespräch wird jäh durch ein Handyklingeln unterbrochen und Fabian greift in seine Hosentasche.

Ohne auf das Display zu schauen nimmt er das Gespräch an: „Ja bitte?" Kurz hört er zu und dann setzt er sich so ruckartig auf, dass ich vor Schreck zusammenfahre.

„Ja, kenne ich, aber wer bist du?...Wo ist sie?...Bitte was? Oh mein Gott...", mit schreckgeweiteten Augen starrt er vor sich hin und lauscht angespannt dem Anrufer.

Mit wem zum Teufel redet er?
Sein gesamter Körper ist angespannt und alle seine Muskeln treten hervor.

„Scheiße", würgt er im selben Moment hervor und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie sich Jason panisch aufsetzt, aber meine Aufmerksamkeit gilt meinem Bruder.

„Ja, glaube ich schon...ja, das ist doch am Hafen oder?...Ja genau...okay...", abrupt steht er auf und läuft zu dem Schuhschrank mit dem Handy in der Hand.

Hektisch schnappt er sich seine schwarzen Adidas' und telefoniert währenddessen weiter. „Gut ich komme...bitte pass auf sie auf...ich verlasse mich auf dich...Bin schon auf dem Weg...ciao", er drückt den Anruf weg und rennt praktisch aus dem Wohnzimmer.

„Fabian Grace was zur Hölle ist hier los? Komm sofort zurück!", schreit Jason meinem Bruder hinterher, aber der hört nicht. „Ich bin gleich wieder zurück und dann erklären wir es dir, versprochen", ruft Fabian zurück und da höre ich auch schon wie die Tür in das Schloss fällt.

„Wir", echoe ich und schaue ungläubig zu den Jungs.

„Ich glaube er weiß wo Chiara ist", hoffnungsvoll hebt Nico den Kopf und schaut zu mir, so als ob er eine Bestätigung von mir bekommen will. „Ich hoffe es", bedrückt schaue ich zu Jason der noch immer wie betäubt aussieht.

„Bestimmt ist alles gut", versuche ich ihn zu trösten.

„Nein nichts ist gut! Ich habe ein ganz komisches Gefühl. Irgendetwas stimmt nicht. Es ist etwas passiert!", er stützt sein Kinn in seine Hände und sieht mich traurig an.

„Alles wird gut. Ganz sicher", meldet sich Felix zu Wort und Chris nickt heftig.

„Das hoffe ich. Aber Chris: Falls du Recht behalten solltest bezüglich eines Hirnproblems dann weiß ich nicht weiter. Ich habe keine Ahnung was man in solchen Fällen macht und ich möchte Chiara nicht verlieren. Sie ist zu wichtig", flüstert er resigniert und weicht unseren Blicken aus.

Mit den anderen Jungs tausche ich mich stumm aus und ich nehme an, dass sie das gleiche denken wie ich.

Ich weiß genau, was für eine innige Geschwisterbeziehung Jason zu Chiara hat und es bringt ihn scheinbar um, dass Chiara irgendetwas passiert sein könnte und anders herum genauso.

Seufzend lehne ich mich zurück und schweige bedrückt.

Jetzt bleibt uns nur noch eine Option: Wir müssen warten...

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