Kapitel 23

„Komm doch auch ins Wasser", eine viel zu laute Stimme reißt mich aus meinem Halbschlaf. Träge öffne ich die Augen und versuche herauszufinden wem die Stimme gehört.

Leon steht über mir gebeugt und kleine Wassertropfen fallen auf mich herunter. „Geh weg! Du bist nass", stelle ich sachlich fest, drehe mich auf den Bauch und döse weiter.

„Kommst du jetzt, oder soll ich dich tragen?", nervt er weiter. „Lass mich in Ruhe, ich möchte schlafen."

Heute Nacht habe ich keine Auge zu bekommen und mich schlaflos von einer Seite auf die andere gewälzt, doch meine schwachen Proteste lassen ihn kalt.

Ohne zu zögern greift er nach mir, hebt mich hoch und drück mich in seine Arme.

Oh nein, bitte keine Fortsetzung!

„Man, Leon ich habe gesagt du sollst abhauen und mich in Ruhe lassen. Hast du was auf den Ohren? Lass mich wieder runter!"

Ich probiere mich aus seinem Griff zu befreien und drücke gegen seine Brust um ihn zu zwingen mich runter zu lassen.

„Nana Prinzessin, genug gesonnt. Jetzt geht's ab ins Wasser, sonst verbrennst du mir noch", wiederspricht er mir und lacht frech.

„Lass mich SOFORT runter", knurre ich und funkel ihn böse an. „Wenn du mich da jetzt rein schmeißt kannst du dich auf was gefasst machen."

„Das hatte ich gar nicht vor. Ich möchte dir lediglich ins Wasser helfen. Das ist alles", aus großen Kulleraugen blickt er mich unschuldig an, aber er grinst immer noch so fies. Das kann nichts Gutes bedeuten.

„Ja genau ins Wasser helfen. Ich glaube das krieg ich selbst hin, vielen Dank!", angefressen wende ich unseren Blickkontakt ab.

Wir erreichen das Ufer, mit Anlauf rennt Leon in die Wellen hinein, sodass es spritzt. Ich kreische und befehle: „Hör sofort damit auf und lass mich runter!"

Das hätte ich lieber nicht gesagt, denn er folgt meiner Aufforderung sofort und lässt mich ins Wasser fallen.

„Idiot", knirsche ich und betone dabei jeden einzelnen Buchstaben.

Brrrr, das Wasser ist arschkalt.

Leon beugt sich hinunter und flüstert in mein Ohr: „Du siehst süß, wenn du sauer bist."

Ohne eine Antwort abzuwarten taucht er ab und schwimmt zu Nico zurück, der vor Lachen fast unter geht. Ratlos werde ich zurückgelassen.

Ich schaue mich um, auf der Suche nach den anderen und entdecke sie schließlich, wie sie auf einer Klippe stehen.

Ich halte nichts von dem Runterspringen einer Klippe, doch dieses Mal höre ich nicht auf meine innere Mahnung und schwimme mit kräftigen Zügen zu dem Felsvorsprung hin.

Ich ziehe mich hoch und klettere die Steinwand hoch.

Glücklicherweise gibt sie mir genug Halt, so dass ich nicht runter rutschen kann. Als ich endlich oben ankomme, gucke ich wieder nach unten in das tosende Wasser und mir wird etwas mulmig zu Mute.

Ich stehe mindestens vier oder fünf Meter über dem Wasser!

Für meinen Geschmack etwas zu hoch, aber ich musste ja unbedingt meinen Willen durchsetzten und hochklettern.

Innerlich gratuliere ich mir für diese Dummheit, denn jetzt bleibt mir nur noch ein Weg nach unten übrig.

Genau: Runter springen!

Natürlich kann ich auch wieder hinab klettern, aber ich möchte mir nicht irgendetwas aufreißen. Also gehe ich rüber zu den Jungs.

Gerade springt Chris mit einem Rückwärtssalto herunter und ich höre ein dumpfes Platschen, als er auf das Wasser trifft.

„Wow, du hier oben? Auf einer Klippe? Ich muss in einem Paralleluniversum gelandet sein", macht sich mein Bruder über mich lustig.

„Es gibt für alles ein erstes Mal. Aber ehrlich gesagt bereue ich es schon hier hochgeklettert zu sein", gebe ich zurück und trete an den Rand.

Jason zuckt nur mit den Schultern, springt und ihm hinterher Felix. Wie festgefroren stehe ich jetzt oben und weiß nicht was ich tun soll.

„Jetzt mach schon. Du bist doch nicht aus Zucker Schätzchen", ruft Chris von unten und auch die anderen brüllen etwas Undefinierbares hoch.

Wieso genau, bin ich hier nochmal hochgeklettert?

„Du musst möglichst weit nach vorne springen. Siehst du den Felsen dort? Auf etwa die Höhe musst du kommen", rät mir da jemand und deutet mit der Hand auf einen Stein im Wasser.

Ich habe Fabian gar nicht bemerkt.

„Du schaffst das schon", macht er mir Mut „es ist gar nicht so schlimm wie es für dich vielleicht aussieht." Ich schnaube nur.

Der hat ja keine Ahnung.

Eigentlich bin ich nicht so ein Angsthase, aber ich fühle mich an höher gelegenen Stellen sehr, sehr unwohl. Das könnte wahrscheinlich auch meine Flugangst erklären.

Mein Blick fällt auf seine Brust und ich will schon meine Hand ausstrecken, aber ich erinnere mich an meine Manieren. Obwohl schon vier Tage vergangen sind, ist der Bluterguss immer noch nicht verschwunden oder hat sich gelindert.

Im Gegenteil: Er ist fast schon schlimmer geworden und das Lila ist nur noch intensiver geworden.

Es ist mir allerdings bis jetzt ein Rätsel, warum die Jungs sich nicht danach erkundigt haben, als sie seine Brust gesehen.

Entweder es interessier sie nicht oder bei dem männlichen Teil der Bevölkerung ist sowas normal.

Ich weiß es nicht...

Auf einmal habe ich eine Art von Flashback an den Tag wo wir beide alleine waren. Wie ich seinen Bluterguss berühre und wie wir uns beinahe küssen.

Ich erröte leicht und beginne zu frösteln.

Was um alles in der Welt hat mich dazu bewegt sein Shirt hochzuziehen oder seine Brust zu berühren ODER mit meinen Lippen fast die Seinen zu berühren?

„Du denkst an unseren zweiten Tag hier in Frankreich", sagt Fabian sanft und mit einer festen Überzeugung in der Stimme.

„Nein", eine Spur zu heftig und einige Töne zu hoch antworte ich und wende mich ertappt ab. „Chiara, du brauchst dich nicht zu schämen."

„Ich schäme mich nicht. Es ist nur-„, will ich ihm schon beichten, als Leon mir unfreiwillig aus dieser unangenehmen Situation heraushilft: „Kommt ihr jetzt oder wollt ihr dort Wurzeln schlagen?"

Ich starre wieder herunter und schüttele dann stumm den Kopf. „Ich glaube ich klettere doch lieber runter.

Ich will mich heute noch nicht unbedingt umbringen", informiere ich Fabian und wende mich zum Gehen, als er mich zurück hält.

„Sollen wir zusammen springen?", ich drehe mich zu ihm um und er lächelt mich süß an.

Es ist zum Dahin schmelzen, aber ich schüttel dennoch den Kopf: „Ähm nein danke. Ich glaube das ist keine gute Idee."

„Warum?", seine Augen funkeln wie immer und ich habe Mühe den Blick abzuwenden.„Wie gesagt, ich möchte mich nicht umbringen."

Doch Fabian nimmt meine Hand und meine gesamten Härchen stellen sich auf

. Ich versinke in diesem wunderschönen Azurblau, welches mich in die Tiefe zu reißen droht. „Vertraust du mir?", fragt er mich leise und eindringlich und streicht mir dabei eine dunkle Haarsträhne hinter mein Ohr.

Seine Hand bleibt einige Sekunden länger an meiner Wange liegen, als nötig.

Er lächelt mich an und ich lächel zurück.

„Ja", wispere ich ihm zu. „Immer." Es ist so leise, dass ich meine, dass er es nicht versteht, doch Fabian strahlt mich berührt an.

„Hallo!?", grölen die Jungs von unten, aber ich beachte sie nicht.
Arschlöcher!

„Schließ die Augen", befiehlt Fabian mir und ich gehorche ihm. Ich atme tief ein und aus, dann öffne ich die Augen wieder. „Und jetzt...spring", Fabian läuft los und ich renne neben ihm.

Seine Hand umschließt meine und in diesem Händedruck liegt Vertrauen und sein Versprechen.

Ich höre noch wie die Stimme der Vernunft mich zum Stehenbleiben zwingt, aber ich missachte sie. Wir springen ab und sausen durch die Luft.

Ich stoße einen Schrei aus: „Scheiße!"

Fabian drückt meine Hand und was ich danach mache, ist für mich selbst und auch für ihn überraschend.

Ich drücke mich an seine Brust und vergrabe meinen Kopf an seiner Halsbeuge. Dann spüre ich Wasser. Ich presse die Augenlieder zusammen und spüre wie das Wasser über unseren Köpfen zusammenschlägt.

„Siehst du. So schlimm war es doch gar nicht", zwinkert Fabian mir zu nachdem wir auftauchen. Ich öffne probehalber ein Auge und schaue in sein Engelgesicht.

Hey, ich lebe ja noch.
„Hahahaha ja tust du", prustet er und ich mache mich von ihm los. Oje, habe ich das etwas laut gesagt?
Ich lache los.

„Ach komm, so schlimm war es doch nicht", wiederholt Fabian erneut. „Doch! Ich möchte keine Wiederholung haben", entgegne ich wahrheitsgemäß.

Erst jetzt wird mir bewusste, dass wir uns noch immer an den Händen halten und mein Blick fällt auf sie.

Auch Fabian guckt auf unsere ineinander verschränkten Finger und wenn ich mich nicht täusche, umspielt ein sehnsüchtiges Lächeln seine Lippen.

Er schaut auf und Blau trifft auf Grün.

Ich lege meinen Kopf schief und spüre einen starken Händedruck.

„Ihr seid ja auch da. Endlich! Wir dachten schon ihr bequemt euch nie und genießt eure Zweisamkeit dort oben", lästern die Freunde von meinem Bruder, als sie zu uns stoßen.

„Du bist tatsächlich gesprungen", kichert Jason und ich kneife ihm in den Oberarm. „Und wie sie gesprungen ist", fügt Nico hinzu und schenkt mir einen langen Blick.

Warnend schüttele ich den Kopf und er unterdrückt ein Grinsen. Felix sieht so aus, als ob er auch seinen Senf dazu geben will.

Da streifen seine Augen meine Hand, die in der von Fabian liegt und er fängt an zu dümmlich zu lächeln.

„Spannend", murmelt er. „Was? Hast du was gesagt?", mischt Leon sich ein. „Nichts", entgegnet Felix rasch, aber er lächelt mich wissend an.

Vorsichtig ziehe ich meine Hand zu mir, wobei ich Fabians Blick deutlich spüren kann der auf mir ruht. „Ich gehe mal raus", gebe ich Bescheid und begebe mich zurück an den Strand.

Eines weiß ich aber mit Sicherheit:
Ich werde diesen Urlaub ganz sicher nicht überleben und daran sind nur meine Gefühle schuld!

Als ich den Sand unter meinen Füßen spüre, springe ich aus den Wellen und laufe über unseren Privatstrand. Ich nehme noch schnell mein Zeug mit und gehe dann hoch zu der Villa um das Mittagessen vorzubereiten.

In meinem Zimmer angekommen nehme ich mir eines meiner schönsten Sommerkleider und ziehe es mir über. Unten in der Küche mache ich Musik an und hole Gurken, Tomaten und Paprika aus dem Kühlschrank.

Während ich alles klein schnippel, läuft im Hintergrund „Hollywood". Leise summe ich mit und bemerke nicht, wie jemand den Raum betritt.

Erst als mir jemand auf die Schulter tippt, fahre ich erschrocken zusammen und stolpere nach vorne.

Glücklicherweise halte ich mich an der Arbeitsplatte fest und drehe mich dann um. „Kann ich dir irgendwie behilflich sein?", fragt Leon charmant.

„Oh, ja klar", ich lächel ihn schüchtern an, erröte und auch Leon reibt sich verlegen den Nacken.

„Jaaa-also, was wolltest du kochen?", vergewissert er sich nach kurzem Zögern bei mir. „Ehrlich gesagt habe ich mich noch nicht entschieden. Deswegen habe ich erst mit dem Salat angefangen", erwidere ich schulterzuckend.

„Wie wäre es mit Tortellini?", schlägt Leon vor und ich überlege. „Ich könnte aber auch die Steaks grillen die wir gekauft haben", schiebt er schnell hinterher und er erntet ein Nicken von mir.

Die Steaks die anderen gekauft haben, als ich und Fabian...

Schnell vertreibe ich den Gedanken aus meinem Gehirn und widme meiner Aufmerksamkeit wieder dem Mittagessen

„Ja das ist gut. Und dazu mache ich Kartoffeln oder so. Dann essen wir nicht ständig Nudeln."

„Cool", antwortet er, nimmt das Fleisch und geht raus um den Grill anzuschmeißen. Ich lasse den Salat liegen und fange an die Kartoffeln von ihrer Schale zu befreien, denn das dauert bestimmt länger.

Plötzlich werde ich durch ein Klingeln eines Handys von meiner Arbeit abgelenkt und blicke mich suchend um.

Meines ist es nicht, denn das liegt auf der Anrichte und dudelt weiter vor sich hin.

Ich gehe in das Wohnzimmer, das mit der Küche und dem Esszimmer verbunden ist und entdecke auf dem Couchtisch ein schwarzes Handy.

Ich habe keine Ahnung wem es gehört und es hat mich ja auch gar nicht zu interessieren, weswegen ich schon in die Küche zurück will, als ich den Anrufer auf dem Display erkenne.

Sofort weiß ich wem das Handy gehört, denn sie kann nur bei einem hier anrufen.

Kann mich Amy-Arschloch und Superzicke nicht mal in meinem Urlaub in Ruhe lassen?
Ist es so schwer mich nicht zu nerven?

Aber eigentlich bin ich sauer und enttäuscht, dass Leon immer noch mit dieser Tussi zusammen ist.

Okay, okay, ich weiß, dass ich hier eigentlich nichts zu melden habe, denn ist sein Leben und nicht meins.

Also kann er machen was er will, aber trotzdem...

Kurz überlege ich den Anruf einfach zu ignorieren und weiter das Essen vorzubereiten, aber so bin ich nun mal nicht.

Selbst wenn ich die Person über alles hasse, so wie Amy.

Hastig greife ich nach dem Smartphone und bringe es Leon, der auf der Terrasse steht und bereits grillt.

„Deine Liebste", das kann ich mir einfach nicht verkneifen und es klingt wahrscheinlich ziemlich kindisch, aber ich bin so frustriert.

„Chiara-„, fängt er an, aber ich schneide ihm das Wort ab in dem ich bereits kehrt mache und zurück in die Vila marschiere.

So ein Arschloch!

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