Kapitel 16
„Möchten Sie etwas trinken?", eine junge Stewardess blinzelt man abwartend an. „Nein danke", winke ich ab.
„Ich hätte gerne eine Cola", mischt sich Fabian ein. „Gerne"
„Noch eine?", vergewissere ich mich, doch er zuckt mit den Schultern: „Doppelt hält besser und außerdem ist es ja kein Bier..."
Ich muss lachen, aber gleich darauf verstumme ich. Ich kann jetzt nicht so tun, als wäre nichts gewesen.
Unauffällig beuge ich mich vor und betrachte Leon, der bereits weggedämmert ist. Zum wiederholten Mal muss ich mich fragen, was er getan hat, um so übel zugerichtet auszusehen. Seufzend lehne ich mich zurück und blicke aus dem Fenster.
„Ist was", will Fabian wissen. „Ne, ich...keine Ahnung", langsam drehe ich den Kopf zu Fabian. Der schaut mich aufmerksam an.
Glücklicherweise ertönt in diesem Moment eine Durchsage, also bleibt mir das Antworten erspart. Wir schnallen uns an, denn in wenigen Sekunden geht es los.
Der Motor startet, das Flugzeug fängt an zu rollen und dann hebt es ab.
Instinktiv schnappe ich nach Luft und presse mich in meinen Sitz.
Ich hasse es zu fliegen, aber Start und Landung sind besonders schlimm.
Verdammt!
„Chiara?" „Was?", raune ich mit zusammengebissenen Zähnen. „Hast du Flugangst?", forscht Fabian weiter.
Ich ziehe scharf die Luft ein. Das ist das erste Mal, dass mich jemand so etwas persönliches fragt, und noch dazu Fabian.
Der Junge, der zu viele weibliche Fans hat, der zu unerreichbar ist, der sein Wirkliches Wesen so gut wie nie zeigt und vermutlich für immer ein Mysterium bleibt.
Nicht mal mein Bruder oder meine beste Freundin wissen von meinen Panikattacken im Flugzeug!
„Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst", ergänzt er rasch, denn er spürt mein Unbehagen scheinbar.
„Nein, nein, das ist es nicht..."
„Sondern?" „Bis jetzt hat mich noch niemand nach meiner...meiner Flugangst gefragt. Es ist ungewohnt und gleichzeitig auch schön, dass sich jemand dafür interessiert geschweige, dass es jemandem überhaut auffällt. Es ist neu."
Es fällt mir wahnsinnig schwer, diese Worte über die Lippen zu bekommen. „Oh", macht Fabian nur.
Ich hätte es ihm nicht erzählen sollen!, schießt es durch meinen Kopf.
Scham steigt in mir auf und ich verschränke meine Hände krampfhaft ineinander.
Doch wieder einmal überrascht mich Fabian mit seiner Offenheit: „Du musst dich nicht dafür schämen! Weißt du jeder hat vor irgendwas Angst.
Das ist völlig normal!
Manche Ängste sind größer und die anderen eher kleiner. Und eigentlich ist es wichtig vor etwas Angst zu haben, weil das beweist irgendwie, dass du sie noch alle hast.
Wenn du unerschrocken bist und nie Furcht zeigst, kann das echt schlimm enden."
Er schließt seine kleine Rede und ich starre ihn sprachlos an. „Das, das hast du echt schön gesagt", wispere ich so leise wie möglich, da mir der Moment schon fast magisch erscheint.
„Darf ich dich etwas fragen?"
„Sure, my dear."
„Wovor hast du Angst?" Fabian entweicht hörbar die Luft und ich habe schon die Befürchtung eine imaginäre Grenze überschritten zu haben und öffne den Mund: „Du musst nicht...ich meine ich wollte nicht..."
Doch Fabian hebt die Hand und ich verstumme. Da kommt seine Antwort gepresst aus seinem Mund. Sie schockiert mich bis aufs Äußerste und ich bin zu tiefst erschüttert.
„Ich habe Angst vor meinen eigenen Gefühlen, insbesondere gegenüber anderen. Und ich habe Angst vor dem Verhältnis zu meinem Bruder."
Sein Gesicht ist verschlossen und ich kann seinen Blick nicht deuten.
Seine Augen verlieren sich in der Leere und seine Haltung ist stolz, fast trotzig.
Ein Ruck fährt durch das Flugzeug und kalter Schweiß bricht in mir aus. Ich kralle mich an der Lehne fest und unerwarteter Weise streckt Fabian mir seine Hand entgegen.
In gewisser weiße ist es süß, wie er seine eigenen Bedürfnisse unter meine stellt, doch gleich darauf könnte ich mich für diesen selbstlosen Gedanken ohrfeigen.
Ich ergreife seine Hand, doch trotzdem zittere ich. Seine Hand ist warm und umschließt meine tröstlich.
Sie verankert mich in der Realität und langsam beruhigt sich mein Puls wieder. Auch das Zittern ebbt ab.
Obwohl es mir besser geht lasse ich seine Hand nicht los.
Es fühlt sich schön, nein, es fühlt sich richtig an!
„Chiara", reißt eine Stimme mich aus dieser Überlegung. Mein Bruder beugt sich zu uns herüber und schnell entziehe ich meine Hand aus Fabians Griff.
„Kannst du Nico bitte schreiben, dass er etwas später kommen soll."
„Jupp, mach ich", ich bin zwar etwas verwundert über diese Bitte, aber ich ziehe mein Handy aus der Tasche und tippe eine Nachricht an ihn. „Wer ist Nico?", erkundigt sich Fabian leise.
Seine Stimme klingt eine Oktave tiefer und ein bedrohlicher Unterton mischt sich mit hinein, den er mit einem Räuspern zu kaschieren versucht.
„Nico ist mein Freund. Also mein bester Freund...", entgegne ich abweisend.
Ich krame in meiner Handtasche und ziehe meine Kopfhörer heraus. Einen stöpsel ich mir ins Ohr und den anderen halte ich Fabian hin, der ihn sich ebenfalls ins Ohr steckt.
Der erste Song von Johnny Orlando ertönt und ich lehne mich entspannt zurück.
„Magst du seine Lieder?", vergewissert sich Fabian schmunzelnd. „Und wie! Du?", gebe ich zurück und lächel selig.
„Mhm", macht Fabian, schließt seine Augen und lässt sich von der Musik beschallen.
Selbstsicher sitzt er da und ist wieder völlig der Alte. Keine Spur von dem Fabian, der mich in den Armen hält oder sich mit mir über seine Ängste unterhält.
Ich werde nicht schlau aus ihm und manchmal denke ich, dass ich einfach eine zu sagenumwogende Fantasie besitze.
Genauso wie jetzt!
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Jupp ich weiß, dass es noch nicht Freitag ist, aber...
Ich werde diesen Freitag keine Möglichkeit haben zu updaten und deswegen dachte ich, dass ich das geschriebene Kapitel schon heute hochlade.
Freut euch auf die Fortsetzung!
Wie gefällt euch das Gespräch im Flugzeug?
LG Carmen
PS: Hört euch mal die Lieder von Johnny Orlando an. Ich lieeeebe sie XD
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