Kapitel 1
„Sehr gut Mario. So wer kann mir beschreiben, was Lingston mit dem Satz Ich tanzte, aber bewegte mich nicht von der Stelle sagen möchte? Niemand?! Äußerst bedauerlich...", leiert unser Deutschlehrer Herr Meiners runter.
Ich stöhne demonstrativ auf und lasse meinen Kopf auf die Tischplatte gleiten.
Kapiert der denn nie, dass er uns mit seinen ewigen Interpretationen zu Tode langweilt?! So ein Depp. „Chiara. Wärst du so freundlich uns deine Gedanken mitzuteilen?", reißt mich Meiners aus meinem Halbschlaf.
Auch das noch.
Ich hebe langsam den Kopf und höre Bella neben mir leise kichern. Alle werfen mir feixende Blicke zu.
Missbilligend kommt mein Lehrer an unseren Tisch und beugt sich in Zeitlupe über mich. Er lächelt, aber eher so, als würde ein Wolf gleich seine nächste Beute fixieren.
Hilfe!
Was will der den jetzt von mir? „Fräulein Hayden, was haben wir heute für einen Tag?"
Alter, was fragt der den jetzt so blöd...?!
„Ähm, Montag...", ich muss an dieser Stelle wohl kaum erklären, dass ich Montage hasse. Ich meine vor vielleicht dreizehn Stunden war noch Sonntag. Keine Schule einfach nur chillen, ist das etwa zu viel verlangt. A
ußerdem haben wir doch eh in knapp drei Wochen Ferien also was soll's?
Triumphierend glotzt er mich an: „Exakt! Und natürlich kannst du mir auch sagen, was das bedeutet."
Nein kann ich nicht, was ist das überhaupt für eine bescheuerte Frage...?
Aber ich glaube nicht dass Herr Meiners diese Antwort gefällt, also sage ich stattdessen möglichst enthusiastisch: „Das bedeutet, dass unser viel zu kurzes Wochenende vorbei ist und wir eine besonders lästige Woche vor uns haben!"
Ich schaue ihm ernst in die Augen und nehme deutlich war, dass seine Pulsader am Hals stark pulsiert.
Ups, war ich etwa zu direkt?
Na ja, selbst schuld, wenn der mir so dämliche Fragen stellt. Meine Klassenkameraden trommeln auf ihre Tische, doch ich bleibe cool.
Dann herrscht eine gefühlte Ewigkeit Stille bevor ein gepresster „Eintrag" zustande kommt und mein geliebter Deutschlehrer zu seinem Pult geht. Nun grölen die Jungs doch wieder und hämmern auf die Tische.
„Ruhe", schnauzt Meiners. Bella sieht mich schockiert an, doch ich schneide nur eine Grimasse und stütze mein Kinn auf die Hände.
Der Rest der Stunde zieht wie Kaugummi an mir vorbei und ich bin erleichtert, als wir die Klasse endlich verlassen können. Meiners wirft mir noch einen bösen Blick zu, aber ich tu so, als ob ich nichts bemerke.
Eine Hand legt sich auf meine Schulter und ich blicke überrascht auf.
„Hey", raunt Leon Grace mir ins Ohr.
„Hallo wie geht's dir?", gebe ich zurück und könnte mich gleich für diese intelligente Antwort ohrfeigen.
Doch er bemerkt anscheinend nichts und erwidert nur: „Danke, danke ganz gut. Ich wollte dir nur ausrichten, dass dein Bruder in der Cafe auf dich wartet. Er will dir irgendwas sagen...Scheint wichtig."
Oh, ich bin ehrlich gesagt etwas enttäuscht.
Ja ich geb's zu.
Ich habe vielleicht einen klitzekleinen Crush auf Leon. Es ist aber wirklich nichts Ernstes. Oder etwa doch?! Er ist attraktiv, hat bronzefarbene Haare und Augen wie pure Jade. Sein Körper ist gutgebaut und unterseinem Pulli zeichnen sich deutlich Muskeln ab.
Seine goldbraune Haut unterstreicht sein Gesamtbild perfekt. Ich verbanne den Gedanken schnell aus meinem Kopf und lächel Leon an: „Danke Für die Info." „Alles gut, kein ding..." „Hm, ähm ja...dann bis demnächst." „Jupp, man sieht sich."
Mann, was ist das den bitte für eine Konversation?!
Allerdings macht er keine Anstalt zu gehen, also bleibe auch ich wie erstarrt auf der Stelle stehen.
Eine glockenhelle Stimme holt mich sogleich wieder auf den Erdboden zurück: „Chiara, wo bleibst du denn? Wenn du weiter so trödelst, dann ist die Schlange ewig la..." Bella bricht mitten in ihrem Satz ab und wirft mir einen zerknirschten Blick zu.
Doch ich werfe ihr nur ein Lächeln zu: „Tja, dann bis neulich", sage ich noch zu Leon, bevor ich mich abwende. Ich höre noch, wie er mir etwas hinterher nuschelt.
Ufff...Warum ist das mit der Liebe eigentlich immer so ein verdammtes Chaos?!
In der Cafe unseres renommierten Colleges Bryer tobt die Hölle. Die jüngeren Schüler schnattern durcheinander und die Älteren probieren sich vorzudrängeln.
Als wir an der Reihe sind klatscht mir die Köchin eine unappetitliche Masse auf meinen Teller. Bah!
Mein Magen rebelliert innerlich, doch ich zwinge mich zu einem freundlichen Lächeln und bedanke mich höflich.
Ich laufe durch den Speisesaal auf der Suche nach zwei Plätzen, allerdings ohne jeglichen Erfolg. Dafür entdecke ich meinen Bruder, der mit ein paar seinen Freunden ganz hinten sitzt. Felix tippt ihm auf die Schulter und Jason dreht sich zu uns um.
Er winkt mir zu und Bella stupst mich an: „Komm lass uns zu denen rübergehen."
Ich verdrehe die Augen: „Muss das sein?" Doch insgeheim muss ich grinsen, denn meine Freundin hat schon seit längerer Zeit ein Auge auf meinen Bruder geworfen. Was ich allerdings total nachvollziehen kann...
Plötzlich kommt eine Person in mein Blickfeld, die auf den Tisch der Jungs zusteuert. Leon!
Mein Herz macht einen Satz und ich setze mich schnell in Bewegung.
Bella kommentiert das Ganze mit einem Kichern, aber ich werfe ihr nur eine Grimasse zu. Wir erreichen den Tisch und ich überlasse meiner besten Freundin großzügig den Platz neben Jase und setzte mich stattdessen ihm gegenüber.
Ich nuschel eine Begrüßung und wende mich an Leon. „Wo kommst du denn her?", will ich möglichst neutral wissen. „Bin durch den Ausgang gekommen."
Hui, knappe Antwort.
Was ist denn auf einmal mit dem los?! Also widme ich meine Aufmerksamkeit meinem Mittagessen, das na ja...nicht sehr geil aussieht.
Ich schiebe mir einen Löffel der Pampe in den Mund. Hm, so übel ist das gar nicht. Ich verputze meine Portion in großer Hast und stehe dann auf.
Fragende Blicke wandern zu mir hoch. „Sorry, ich muss noch etwas erledigen...!", entschuldige ich mich murmelnd.
„Können wir später reden, oder ist das jetzt notwendig?", richte ich meine nächste Frage an meinen Bruder. Der schüttelt den Kopf: „Ne. Das kann warten" „Cool. Dann bis später, bye."
„Tschau", kommt es im Chor zurück.
Ich eile zur Geschirabgabe und laufe dann zu meiner Tasche. Ich schultere sie und begebe mich zum IT-Raum. Dort ist es uns erlaubt im Internet zu surfen, allerdings nur während der Mittagspause.
Hier haben wir kostenloses WLAN und können somit fast alles machen. Ich schnappe mir den nächstbesten Platz und krame Laptop und Kopfhörer heraus.
Eilig entsperre ich meinen Laptop uns stöpsel mir die Kopfhörer in die Ohren. Dann logge ich mich in Skype ein und warte. Keine fünf Minuten später erscheint ein Videobild auf meinem Bildschirm.
Ein sommersprossiger Junge strahlt mich an. Seine Husky-Augen blitzen und im Hintergrund kann ich das Meer erkennen. Nico habe ich vor zehn Jahren in Frankreich kennengelernt.
Jason, Cassandra, meine Eltern, als sie noch bei uns lebten, verbrachten fast jeden Sommer in Nizza in einem luxuriösen Hotel.
Dort hatte ich Nico kennengelernt und mich auf Anhieb super mit ihm verstanden. Er ist nun mein allerbester Freund und ich vertraue ihm blind.
„Hallo, wie geht's dir Chiara?", fragt er mich strahlend. „Hey, Nico. Mir geht's prima und bei dir so?" Er lacht leise und erzählt mir von seinem neuen Haus, seinem Schwimmwettbewerb und dass er mich vermisst.
„Ich vermisse dich auch, aber ich kann momentan schlecht nach Frankreich kommen...", erwider ich. Er schmunzelt, wird dann aber von einem Moment auf den anderen traurig.
Hab ich etwa was Falsches gesagt?!
Ohne Vorwarnung platzt es aus ihm heraus:" Kommt ihr diese Jahr?" Daher weht der Wind also... Ich senke meinen Blick und mein Herz wird schwer. Tonlos sage ich deswegen: „Nein wahrscheinlich nicht", und ich habe das Gefühl gleich zu heulen.
Verdammt!
Warum sind wir so weit von einander entfernt? Bevor ich doch noch anfange zu weinen verabschiede ich mich hilflos und klappe meinen Laptop zu.
Missmutig stopfe ich mein Zeug in die Tasche und verlasse den IT-Raum.
„Wie siehst du denn aus?", reißt mich eine Stimme aus meinem Trübsal. Gedankenverloren blicke ich in Bellas Gesicht. Schräg hinter ihr steht Jason und mustert mich. Er ist sehr besorgt. Ich springe auf und ziehe meinen Schlüssel aus der Tasche.
„Nichts", weiche ich aus. „Warum hast du Chemie geschwänzt?", erkundigt sich mein Bruder. Lustlos gehe ich zu meinem Fahrrad und schließe es auf.
„Es ist nichts, okay? Ich habe Kopfschmerzen und möchte jetzt endlich nach Hause", und füge noch ein „Bitte" hinzu. Doch mein Bruder lässt einfach nicht locker: „Warum bist du dann nicht schon früher gefahren?"
Shit, plausible Ausrede Chiara, schnell!!!
Leider fällt mir nichts Passendes ein. Mein Kopf ist wie leer gefegt und deshalb lüge ich halbherzig: „Ich wollte noch auf euch warten."
Als ich aufblicke sehe ich deutlich wie Jason und Bella Blicke tauschen und ich seufze. Hinter mir höre ich die Stimmen der Freunde meines Bruders. Ich schwinge mich eilig auf mein Rad und drängele zum Aufbruch.
Ich will so schnell wie möglich weg von hier!
Ich sitze auf meinem Sitzsack und scrolle gelangweilt durch meinen Instagram Account. Ich blättere weiter und komme auf das Profil von Nico.
Sein neustes Bild gefällt mir ganz besonders, weil es vielleicht daran liegt, dass es an mich persönlich gerichtet ist. Er mit einem Hoodie am Rande der Klippen.
Seine Bildunterschrift lautet „WishYouWereHere".
Ich tippe auf „Gefällt mir".
In dem Moment wird meine Zimmertür ruckartig geöffnet und Jase steckt den Kopf herein. In der Hand hält er einen Brief: „Hier das ist für dich von Mum."
Er legt ihn auf meinen Schreibtisch. „Ah ja, und ich soll ausrichten, dass wir heute alleine Abendessen weil Cassi und ihr Freund aus sind."
Ich blinzele ihn müde an und nicke schließlich.
An dieser Stelle sollte ich wohl kurz etwas erklären: Meine ältere Schwester Cassandra ist 21 und lebt zusammen mit ihrem Freund Liam, Jason und mir in einer großen Villa, die meine Eltern finanzieren. Unsere Eltern sind schon seit 3 Jahren beruflich in den USA unterwegs. Sie haben nur darauf gewartet, dass Cassi volljährig wird um für uns zu „sorgen" und sie uns vom Hals haben.
Na ja deswegen leben wir ohne Eltern, aber da Meine Schwester und Liam alt genug sind geht das in Ordnung.
„Okay. Sind Nudeln in Ordnung oder willst du was anderes?", frage ich meinen großen Bruder. Der nickt und verlässt das Zimmer wieder.
Ich erhebe mich, gehe zu meinem Schreibtisch und betrachte den Brief prüfend. Ich hatte nicht das beste Verhältnis zu meiner Mutter, geschweige zu meinem Dad.
Eigentlich hatte das niemand von uns dreien.
Aber was soll man von Eltern erwarten für die ihre Kinder wie eine Last erscheinen, stinkreich sind und sich nicht für ihre Kinder interessieren. Kurzentschlossen öffne ich den Umschlag und krame das Papier hervor.
Ich entfalte es und beginne stirnrunzelnd zu lesen.
Liebe Chiara,
dein Bruder weiß es bereits, doch ich habe mich dazu entschlossen es euch separat mitzuteilen. Ich denke so ist es besser. Ich und dein Vater haben lange diskutiert und sind uns einig geworden. Wir wollen dir, deinem Bruder und vier eurer Freunde einen vierwöchigen Aufenthalt in Frankreich finanzieren. Dadurch, dass wir es in den letzten fünf Jahren nie geschafft haben dort hinzufahren, wollen wir dir diesen Wunsch jetzt erfüllen. Ich weiß ja wie gerne du Nico wiedersehen möchtest! Also hier ist der Plan: Ihr bekommt von uns in den nächsten Tagen Flugtickets per Post zugesendet. Am 28. Juli fliegt ihr dann von London nach Nizza, wo ihr abgeholt werdet. Ein Bus bringt euch direkt zu eurer Ferienwohnung. Es ist mehr eine Villa, mit Pool, Garten und sogar einem Privatstrand. Es ist auch nicht weit von Nico entfernt, also...-) Das ist das mindeste was wir für euch tun können. Ich werde dir/Jason eine kleine Summe überweisen, somit habt ihr vor Ort keine Probleme.
In Liebe, deine Mum
Beim Lesen werden meine Augen immer größer und ich starre das Papier sprachlos an. Ich kann nicht glauben was da gerade steht.
„Oh mein Gott", stammel ich und kann nicht verhindern, dass sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht stiehlt.
Ich öffne meine Zimmertür, haste die Treppe hoch und öffne die Tür zu Jasons Zimmer schwungvoll.
„Warum hast du mir nichts gesagt? Das ist der pure Wahnsinn! Wie konntest...", fange ich an.
Abrupt beende ich meinen Redeschwall. Drei Augenpaare starren mir entgegen, als wäre ich nicht mehr ganz dicht. „Ups, tut mir leid.
Im Zimmer sitzen Jason, Leon und Chris und sind dabei irgendein beschränktes Ballerspiel zu spielen. „Tu dir keinen Zwang an", macht sich Chris über mich lustig.
„Hast du es gelesen", erkundigt sich Jase im selben Moment. Heftig nicke ich ihm zu. „Warum hast du es nicht früher gesagt?", schmolle ich.
„Hab den passenden Zeitpunkt abgewartet", grinst mein Bruder nur frech zurück. „Das heißt ich kann Nico sagen, dass wir kommen?!"
Jason hebt den Daumen und zwinkert mir zu. Jungs! Ich will die drei schon wieder alleine lassen, doch da fällt mir plötzlich etwas ein: „Ähm wegen der Frage wer mitkommt...?"
Doch Jason unterbricht mich: „Das klären wir später. Einverstanden?"
„Um was geht es überhaupt und wer ist Nico?", wirft sich nun auch Leon in das Gespräch. Mein Bruder setzt zu einer Erklärung doch ich schließe die Tür. Wie auf Wolken schwebe ich zurück in mein Zimmer.
Hach, wird das aufregend!
Ein schriller Piepton reißt mich aus meinen Träumereien. Ich brauche einen Moment um zu begreifen, dass mein Handy das Geräusch von sich gegeben hat.
Mist, das ist der Timer.
Ich drehe mich zum Herd um, nehme den Topf und gieße das Nudelwasser ab. Das kochende Wasser läuft über meine Hand.
Ich beiße die Zähne zusammen nicht laut aufzuschreien. Ah, ist das heiß. Ich stelle den Topf ab und lasse kaltes Wasser über die Hand rieseln.
„Essen ist fertig", rufe ich nebenher hinauf in den zweiten Stock. Jason kommt runter und hilft mir den Tisch zu decken.
Kaum setzten wir uns löchere ich ihn mit einer Frage die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge brennt: „Also, wen nehmen mir mit? Ich meine es sind nur noch knapp zweieinhalb Wochen bis zu den Sommerferien...!"
Es dauert eine halbe Ewigkeit bis mein Bruder endlich antwortet. „Nun ja, ich dachte mir ich frage Chris und Leon und du...du könntest doch Bella fragen ob sie mit will."
Perplex blicke ich ihn an.
Hat er gerade gezögert?! Hui, habe ich da etwa was nicht mitbekommen. „Klingt gut", antworte ich etwas verspätet.
„Und Person Nummer vier?" Ich schaue Jase gespannt an. „Hm, weiß nicht...Das können wir ja auch noch morgen klären, findest du nicht?"
„Ja, du hast Recht", gebe ich also zurück.
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