Kapitel 30

Satt und glücklich saßen Fabiano, die Zwillinge und ich im Wohnzimmer.
Tatsächlich verstanden sich Fabi und meine Brüder so gut, dass sie mich nach einer Weile einfach ausgeblendet hatten.
Vor allem als sie erfuhren, dass Fabiano Fußball spielte und sie auch noch die selben Mannschaften mochten.

Da mich die Jungs also sowieso ignorierten, nahm ich mir ein Buch und verbrachte meine Zeit mit lesen.
,,Eyy, Gabriella", sprach Nico mich plötzlich an, sodass ich meinen Blick von den Buchseiten hob und ihn ansah.
,,Der Junge ist cool, behalte ihn!"
Ähmm...okay?
,,Wir sind nicht zusammen", schmunzelte ich, was die Zwillinge dazu brachte sich verwundert anzusehen.
,,Echt jetzt?", hakte Leo nochmal nach. Diesmal nickte auch Fabiano belustigt und warf mir einen komischen Blick zu.
,,Egal, behalte ihn trotzdem", kam es dann nach einer Weile von Leo.
Nico nickte nur zustimmend.
,,Okay?", fragte ich dann lachend.
,,Hast du gehört, Fabiano? Du gehörst jetzt mir", grinste ich.
Dieser sah mich nur leicht lächelnd an und ließ das Gesagte unkommentiert.

,,Ach ja, wir wollten jetzt übrigens trainieren gehen", sagte Nico und fragte Fabiano daraufhin, ob er nicht mitkommen wolle.
,,Vielleicht ein andermal", lehnte der Gefragte jedoch dankend ab und schaute auf seine Armbanduhr.
,,Ich muss jetzt sowieso gehen", er sah mich dabei entschuldigend an, ,,Ich hab gleich noch Training."
Oh...Ich hatte eigentlich darauf gehofft, dass wir noch einen Film oder so gucken könnten...
Trotzdem versicherte ich ihm, dass es in Ordnung wäre und lächelte nochmal überzeugend.

Also verabschiedete ich mich von den drei Jungs und ging hoch in mein Zimmer.
Meine Eltern waren heute Mittag nach Amsterdam gefahren, da sie mal wieder Zeit für sich wollten.
Das war übrigens ein Geschenk von meinen Brüdern und mir zu ihrem Hochzeitstag.
Sie hatten sich das kinderfreie Wochende wirklich verdient und sollten bis Sonntag einfach mal wieder richtig entspannen.
Nico und Leo würden nach dem Training noch mit paar anderen bei einem Kumpel bleiben, also hatte ich das ganze Haus für mich alleine.

Eigentlich hätte ich meine Freundinnen für einen Mädelsabend hierhin gerufen, doch Avery und Sadie waren mit ihren Eltern bei Verwandten und Riley hatte Hausarrest, weil diese Idiotin ihr Handy schon zum siebten Mal zerstört hatte.
Meine anderen Freunde wollte ich nicht hierhin einladen, weil es nur Schulfreunde waren und ich mich damit irgendwie nicht so wohlfühlte.

Ich schnappte mir eines meiner Lieblingsbücher, das ich wahrscheinlich schon fünf Mal gelesen hatte und schmiss mich auf mein Bett.
Völlig vertieft merkte ich erst nach dem dritten Klingeln meines Handys, dass meine Mutter mich schon zweimal angerufen hatte.
Schnell ging ich ran, bevor sie noch umsonst Panik schob und sich die schlimmsten Szenarien ausdachte.

,,Ja?", fragte ich in den Hörer.
,,Grazie dio! Warum gehst du nicht an dein Handy?!", schimpfte meine Mutter drauf los.
,,Tut mir Leid, hab mein Handy nicht gehört", entschuldigte ich mich.
,,Wie oft hab ich dir gesagt, dass du immer erreichbar sein sollst?
Ist alles gut bei euch? Habt ihr was gegessen? Sind deine Brüder schon weg? Bist du dir sicher, dass du ganz alleine sein willst? Du kannst auch-"
,,Mir geht es gut, Mama", unterbrach ich sie, bevor sie vor lauter Sorge noch vergaß zu atmen.
,,Ich habe auch schon was gegessen und ja, die Zwillinge sind schon weg.
Und wie gesagt, mir macht es nichts aus, alleine zu sein. Mach dir keine Sorgen."

Ich redete noch etwas mit meiner Mutter, bis wir auflegten und ich aufstand, um mir etwas bequemeres anzuziehen. Im Mickey Mouse Schlafanzug stand ich nun vor meinem Fenster und blickte besorgt nach draußen.
Der Himmel war grau bewölkt und der Regen prasselte stark gegen die Fensterscheiben, während die Äste der Bäume durch den heftigen Wind wild durch die Luft peitschten.

Scheiße.
Es wurde kein Gewitter vorhergesagt!
Wieso wurde kein Gewitter vorhergesagt?!
Panisch drehte ich mich um und steuerte auf die Zimmertür zu, um den schlimmen Erinnerungen zu entkommen.
Ein grollen ertönte und ich erstarrte, bevor ich das Ende des Raumes erreichen konnte.
Und der darauffolgende Blitz katapultierte mich an den Tag zurück, der der Grund meiner Albträume war.

Ich wollte das doch nicht.
Meine Sicht flackerte, die Wände kamen immer näher, pressten mir die Luft aus der Lunge.
Hört auf, bitte.
Ein permanentes Piepsen ertönte in meinen Ohren, ließ die Stille um mich heraum ohrenbetäubend laut werden.

Verzweifelt schrie ich auf und drückte mir die Hände an den Ohren.
Es war nicht meine Schuld!
Die Blitze verschwammen ineinander, bildeten ein grelles Weiß und blendeten mich.
Ich wollte doch helfen.
Ein Stich durchfuhr meinen Herzen, tausende Klingen durchbohrten meinen Körper.
Es tat weh. Es tat so unfassbar weh.

Man könnte es mit Schnee vergleichen.
Dieses ist schön - wie das Gewitterspektakel - jedoch unscheinbar.
Verführt dich dazu, dich auf die weiße Landschaft zu legen.
Doch kaum tust du das, nimmt dich die unerbittliche Kälte ein, lässt dich erfrieren.
Dann verwandelt sie sich in ein eisiges Brennen, welches deinen ganzen Körper kribbelnd einnimmt.
Und zum Schluss fühlst du nichts mehr.
Keine Kälte, kein Brennen.
Du weißt, dass es wehtut.
Dass dir kalt ist.
Aber du fühlst es nicht.
Denn die Schneedecke hat dich betäubt, lässt dich in Sicherheit wiegen.
Bis du die Wärme betrittst und die Schmerzen dich erneut heimsuchen.

Die kommenden Bilder trafen mich mit solch einer Wucht, die mich in die Knie zwängten.
Die Wände waren schon ganz nah, viel zu nah...
Hustend krümmte ich mich.
Luft. Ich kriege keine Luft mehr!
,,Hilfe", krächste ich. ,,Bitte!"
Ich spürte, wie sich die Tränen ihren Weg über meine Wangen bahnten, meine Sicht beschränkten.
,,ES WAR NICHT MEINE SCHULD"
Ich schrie.
Ich schrie, bis meine Stimme abbrach.
Bis ich nicht mehr die Kraft dazu hatte.
Ich hätte ihr helfen können.
,,Ich wollte doch helfen", murmelte ich.
Immer und immer wieder.
Ich war zu langsam.
,,Es ging alles zu schnell!"
Sie war so jung.
,,Ich wollte doch helfen!
VERDAMMT. ICH WURDE FESTGEHALTEN!
SIE WURDE AUSGETRICKST"
Ich schluchzte, ich konnte nicht mehr.
Ich wollte das nicht.
Es war doch nicht meine Schuld...oder?
Ich hätte besser sein müssen.
Ich war nicht gut genug.
Eine schlechte Schwester.
Es war meine Schuld.
,,Es war meine Schuld"

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