Kapitel 24

Es war zum Verzweifeln.
Ich konnte sehen, wie er seinen Mund bewegte. Und ich konnte auch hören, wie er zu uns sprach.
Aber ich konnte beim besten Willen nicht verstehen, was unser Mathelehrer uns zu erklären versuchte.
Die ganzen Ziffern und Wurzeln und Brüche an der Tafel verschwammen vor meinen Augen und bildeten ein  großes Fragezeichen in meinem Gehirn.
Ich warf einen Blick auf die Uhr.
Noch eine halbe Stunde.
Kapitulierend lehnte ich mich in meinem Sitz zurück. Eine wahre Kriegerin wusste, wann der Kampf vorbei war. Und ich wusste, dass ich heute nichts mehr verstehen würde, also konnte ich meine Zeit auch anderweitig nutzen.
Außerdem war Ava ein Matheass, sie könnte mir das Thema später bestimmt verständlicher erklären.

Seit einer Weile haftete mein Blick auf einer Taube, die den Schulhof, auf der Suche nach etwas Essbarem, kaputt pickte. Endlich fand sie ein Stück Brot und stürzte sich darauf. Ich beschloss, die Taube Mario zu nennen. Keine Ahnung wieso, aber ich hatte Lust drauf.
Plötzlich kam eine andere Taube hinzu und versuchte, Mario das Stück Brot zu stehlen !

Völlig gespannt richtete ich mich unbewusst etwas auf und schaute dem Kampf der Tauben zu.
Woaaaaah ! Mario hat Taube Nummer zwei auf das Auge gepickt !
Wie aggressiv Tauben sein können...
Gerade wollte er mit dem Stück wegfliegen, als Taube Nummer zwei einen weiteren Versuch starten wollte. Diese Taube taufte ich Bowser, einfach, weil es passte.
Wäre Mario nicht ein ticken dunkler als Bowser, könnte ich sie wohl kaum auseinander halten, aber so konnte ich das Geschehen fasziniert beobachten.

Mario stand in Führung, aber Bowser wollte nicht aufge-
,,Gabriella !", schreckte mich die Laute Stimme meines Lehrers auf.
,,Was gibt es da so besonderes zu sehen?", fragte er wütend, weil ich nicht aufgepasst hatte.
,,Bowser kämpft mit Mario um ein Stück Brot, obwohl Mario es zuerst gefunden hatte !", kam es unüberlegt von mir. Und ich hätte mir sofort eine scheuern können...

Wenn die ganze Aufmerksamkeit nicht sowieso schon auf mir gewesen wäre, wäre es spätestens jetzt der Fall gewesen.
Ich spürte 29 fragende Blicke auf mir, die sich teilweise zurückhalten mussten, nicht laut loszulachen.
Unter anderem Fabi, dieser Verräter !
Er saß schräg gegenüber von mir und presste seine Faust gegen seinen Mund, aber ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. Ich versuchte, ihn böse anzugucken, aber leider konnte ich ihn mit meinen Blicken nicht töten...

Jedenfalls versuchte Herr Ronald währenddessen, Mario und Bowser auf dem Schulhof auszumachen, was ihm natürlich nicht gelingen wird, da die beiden Tauben schon verschwunden waren!
Und ich wusste nicht mal, wer gewonnen hatte...
,,Ich verstehe nicht ganz ?", äußerte sich letzendlich mein Lehrer unsicher. Na toll, er dachte jetzt bestimmt, dass ich nun völlig den Verstand verloren hätte...
Damit nicht jeder denkt, ich wäre
Vollkommen verrückt, versuchte ich, die Situation aufzuklären.
,,Also zuerst einmal, ich habe keine Wahnvorstellungen! Mir geht's prima ! Mario und Bowser sind zwei von mir getaufte Tauben, die sich um
ein Stück Brot gestritten haben! Mehr nicht!"

Ich wusste selbst, dass es vielleicht etwas merkwürdig klang, aber es war ja nur die Wahrheit!
Ich rutschte tiefer in den Sitz und versuchte, so unschuldig wie möglich zu gucken. Letztendlich rettete mich die Schulglocke und ich war noch nie so erleichtert, dass der Unterricht vorbei war. Ich bin nach dem Unterricht zwar immer erleichtert, aber diesmal war es besonders krass!
Sofort packte jeder seine Sachen zusammen und wir verließen alle den  Klassenraum.

Bevor ich ebenfalls den Raum verließ, sah ich noch einmal raus auf den Hof.
Keine Spur von meinen neuen Lieblingstauben. 
Naja...
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann streiten sie wohl noch heute.

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