Kapitel 9


„Wir gehen gleich hoch in mein Zimmer", sagte ich, als ich die Haustür öffnete und Timothy mit einer Handbewegung bat, einzutreten. Ich ging vor ihm voraus die Treppe hoch und blickte schnell nach hinten, um zu schauen, ob er mir auch folgte. Wie auch schon den ganzen Weg zu mir nach Hause, wich er meinem Blick bewusst aus. Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer. Shit, hier sieht's aus!

Schnell ging ich zu meinem Sessel, packte mit beiden Armen den Wäscheberg, der sich darauf angehäuft hatte und schmiss die Sachen daneben auf den Boden, um Platz zu schaffen. Als ich mich umdrehte, stand Timothy immer noch etwas unbeholfen in der offenen Tür. 

Sein Blick war auf meine silberne Box gerichtet. Meine Augenbrauen zogen sich zu einem skeptischen Blick zusammen. „Ich hol' uns schnell was zu trinken. Du kannst dich auf den Sessel oder den Schreibtischstuhl setzen."

Ich quetschte mich an ihm vorbei, durch die Tür, in der er immer noch wie angewurzelt stand und sprang die Treppe, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, nach unten.

Als ich wieder mit einer Flasche Wasser und zwei Gläsern in der Hand ins Zimmer kam, schaute ich mich erstmal erstaunt um. Der Sessel war nicht besetzt, das Fenster stand sperrangelweit offen und Timothy saß, angelehnt an die Wand, auf meinem Bett. In seiner Hand sein Smartphone, auf dem er, ohne mich zu beachten, scrollte. 

Ich stellte die Flasche und die Gläser auf meinen Schreibtisch und ging zum Fenster, um es zu schließen. Am Fenster angekommen, schaute ich nach draußen und sah gerade noch einen Typen in schwarz-weißer College-Jacke, um die nächste Hausecke verschwinden. War das gerade Andrew?

Ich schüttelte den Kopf über meine Paranoia und schloss das Fenster. Ich setzte mich auf meinen Gammel-Sessel und schaute zu Timothy. „In dem Fall müssen wir jetzt wohl 'ne Gemeinsamkeit finden, um diese dämliche Präsentation zu erstellen", warf ich in den Raum. Timothy legte sein Smartphone neben sich aufs Bett und schaute mich zum ersten Mal an diesem Tag an: „Ja, müssen wir wohl."

„Dann zähle ich vielleicht einfach mal verschiedene Dinge auf, die ich mag." Ich überlegte und mein Blick wanderte zuerst zu meinen Musik- und Filmplakaten.

„Ich höre gerne Metal, Hardcore, Emocore und so ein Zeugs. Wie sieht's bei dir aus?"

Timothy zog ungläubig eine Augenbraue nach oben. „Klassische Musik."

„Okay, na ja, solange du keinen Schlager hörst?", versuchte ich die Stimmung etwas aufzulockern, doch mein Gegenüber verzog keine Miene.

„Dann Filme: Ich schaue eigentlich am liebsten Action- oder Horrorfilme. Und Anime!"

„Geschichtliche Dokumentationen." Dein Ernst!?

„Meine Lieblingsfarbe ist Schwarz."

„Blau." Ich seufzte. Das würde schwieriger werden als gedacht.

„Zockst du?", mein Blick wanderte wehmütig zu meinem Gameboy Color, in den die gelbe Pokemon Edition schon eingesteckt war.

„Nein." Dieser Mensch wird mir immer suspekter!

„Hmm ... Ich bin Vegetarier." Fingers crossed!

Ein Zucken um seine Mundwinkel: „Ich esse mein Fleisch am liebsten english." Ich verzog angewidert mein Gesicht. Mörder!

Ich dachte angestrengt nach. 

„Machst du Sport", fragte er mich plötzlich.

„Ich fahre Longboard, du?"

„Fußball."

„Hmm okay, ne, Fußball ist leider gar nicht mein Fall", antwortete ich.

„Liest du gerne?", fragte er wieder.

„Nur Mangas, also eher nicht so ... Dein Lieblingsfach? Meine sind Kunst und Mathe."

„Englisch und Musik." Das gibt's doch nicht!

„Hunde, oder Katzenmensch?", fragte ich diesmal wieder.

„Definitiv Katzen!", meinte er.

„Wie kann man bitte diese ignoranten, kratzbürstigen Viecher, einem süßen, treuen besten Freund vorziehen?", fragte ich ihn unglaubwürdig. Wieder ein Zucken um seinen Mundwinkel. Sollte ich es etwa noch schaffen, eine Gefühlsregung aus dem steinernen David herauszubekommen?

Das ganze Hin-und-Her-Gefrage zog sich noch eine ganze Stunde hin. Wir kamen einfach auf keinen grünen Zweig. Ich hatte mit diesem Menschen wirklich absolut nichts gemeinsam. Sogar mit Micha hätte ich vermutlich mehr Gemeinsamkeiten finden können, als mit Timothy.

„Was ist deine Lieblingsjahreszeit?", fragte er nun wieder mich.

„Herbst," meinte ich sehnsüchtig.

„Ich bin eher so der Wintermensch."

„Fährst du dann vielleicht auch Snowboard," fragte ich erwartungsvoll.

„Nee, wir sind klassische Ski-Fahrer."

„Schade, ich würde gerne Snowboard fahren lernen. Gibt es ein Land, in das du gerne reisen würdest?"

„Ich würde gerne öfter nach Amerika reisen. Ich war erst zweimal dort in meiner Kindheit. Und du?", antwortete er.

„Ich würde voll gerne mal nach Japan reisen. Apropos Japan: Schaust du Anime?"

„Nee, gar nicht."

„Dann hast du einiges verpasst," grinste ich.

Obwohl wir immer noch nichts gemeinsam hatten, hatte ich das Gefühl, dass er langsam etwas auftaute. Zumindest antwortete er nicht mehr nur in einzelnen Wörtern, er stellte immer mehr eigene Fragen und ab und zu konnte ich ihm sogar fast ein Lächeln abgewinnen.

Nach einer weiteren halben Stunde hatte ich allerdings keine Geduld mehr. Ich sprang von meinem Sessel auf, was Timothy kurz zusammenzucken ließ und verkündete: „Das ist ja nicht mehr auszuhalten. Ich geh' jetzt nach unten und hol uns ein Ben and Jerry's Eis und wehe, du behauptest jetzt, dass du das nicht magst."

„Also, na ja, ich liebe Ben and Jerry's!", und endlich grinste er mich an.

Wie auf Knopfdruck löste sich die komplette angestaute Frustration in Luft auf und wir fingen beide laut an zu lachen. „Mein Gott, dass ich das noch erleben darf. Dann haben wir endlich unser Thema. Aber Moment, ich renn' schnell runter", rief ich aufgeregt und setzte Gesagtes in die Tat um.

Unten vor dem Gefrierschrank bekam ich das Grinsen immer noch nicht aus dem Gesicht. Mein Herz pochte und ich war mir nicht ganz sicher, ob es an meinem zurückgelegten Sprint lag, oder an Timothy. 

Keine 5 Minuten später, stand ich wieder im Zimmer, mit besagtem Eisbecher und zwei Löffeln. Ich war kurz etwas verunsichert, da das Fenster schon wieder offen stand. 

„Ist dir warm?", fragte ich Timothy. „Ja, sorry", meinte er, wobei er dabei meinem Blick auswich.

„Kein Problem, aber ich würde es dann jetzt wieder zu machen, sonst erfriere ich hier drin." Timothy erhob keinen Einspruch, was ich als Zustimmung deutete. Anstatt auf den Sessel setzte ich mich diesmal auf mein Bett. Wie Timothy rutschte ich nach hinten, um mich mit dem Rücken an die Wand anzulehnen. 

Ich reichte ihm einen der beiden Löffel. Er nahm mir den Löffel aus der Hand und bei seiner Berührung spürte ich, wie meine Wangen rot wurden. 

„Was ist eigentlich deine Lieblingssorte", fragte ich ihn schnell, um davon abzulenken. „Die, die du in der Hand hast", grinst er. „Halfbaked Brownie and Cookie Dough ist auch meine Lieblingssorte ... Jetzt geht's aber los hier", lachte ich, „wobei ich sagen muss, dass die Cookie Dough Seite definitiv die bessere ist." 

Timothy starrte mich an und brach dann in schallendes Lachen aus. Ich sah ihn fragend an: „Was ist los?" Und er antwortete, noch sichtlich bemüht, sein Lachen wieder in den Griff zu bekommen: „Ich finde die Brownie-Seite besser!" „Du machst mich wahnsinnig!", rief ich nun auch lachend.

Nachdem wir zu zweit den ganzen Eisbecher verputzt hatten, ich mehrheitlich die Cookie Dough Seite und er zum Großteil die Brownie-Seite, setzten wir uns endlich an unsere eigentliche Aufgabe: die Präsentation.

An diesem Abend schlief ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht ein. Wir hatten noch den ganzen Nachmittag bis abends an der Präsentation gearbeitet. Wobei ich eigentlich hauptsächlich das Plakat für die Präsentation gebastelt und er die Infos recherchiert und auf Englisch übersetzt hatte. Abschließend teilten wir die Texte direkt auf, damit ich bis Sonntag Zeit hätte, meinen Teil zu lernen.

Spoiler-Alarm: Ich zockte das ganze Wochenende Pokemon.


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Hallöchen,

eeeeendlich! Mehr kann man dazu wohl nicht sagen, außer: es wird noch besser. Versprochen!

Wenn euch das Kapitel gefallen hat, freue ich mich wie immer über eure Kommentare und euren Vote!

Eure Elena :) <3

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