Kapitel 45
Es war inzwischen Montag. Mama hatte mich für diese Woche krankgeschrieben und selbst Urlaub genommen. Maja war gestern wieder abgereist. Ich hatte sie angefleht noch länger zu bleiben, da Mama mir langsam auf die Nerven ging, aber sie musste wieder zum Studium nach Stuttgart. Mama behandelte mich die ganze Zeit wie mit Samthandschuhen, wägte jedes Wort ab, das sie sagte und schaute gefühlt alle zehn Minuten nach mir.
Außerdem musste ich zwar nicht in die Schule, worüber ich froh war, dafür hatte mich Mama heute Morgen schon zu unserem Hausarzt geschleift. Dieser hatte die Schnitte mit besorgter Miene begutachtet, sie frisch verbunden und danach meiner Mum eine Überweisung und eine Liste mit Telefonnummern gegeben, damit ich psychologische Hilfe bekommen konnte.
Nach dem Arztbesuch, setzte sich Mama sofort ans Telefon und rief die verschiedenen Psychiater*innen, Psycholog*innen und Kliniken durch.
Meine Freund*innen schrieben mir währenddessen in der Mindfuck-Gruppe und fragten, was los war. Ich wollte nicht erzählen, was passiert war und behauptete, dass ich mich auf der Ski-Hütte erkältet hätte.
Der Vormittag war nur langsam vergangen und ein paar Minuten, nachdem ich vom Mittagessen wieder nach oben gekommen war, streckte Mama schon wieder den Kopf zur Tür herein.
„Mama, du brauchst wirklich nicht ständig nach mir zu schauen. Ich mache nichts mehr."
„Entschuldige, mein Schatz. Aber du hast Besuch. Timothy ist da. Falls du aber nicht mit ihm reden magst, schicke ich ihn wieder weg."
Bei seinem Namen hatte ich mich sofort aufgerichtet. Mein Herzschlag verdoppelte sich. „Nein!", sagte ich schnell, „er kann reinkommen." Sie lächelte und nickte.
Kurz darauf erschien ein blonder Lockenkopf im Türrahmen. Noch bevor er richtig im Zimmer angekommen war, war ich schon aufgesprungen und ging mit schnellen Schritten auf ihn zu. Dann stand ich vor ihm. Er nahm meine Hände in seine Hände.
Ich hatte über der Jogginghose nur ein T-Shirt an. Er sah also meine verbundenen Arme. Mit schmerzerfülltem Blick musterte er sie. Dann schaute er zu mir auf. Seine Augen waren mit Tränen gefüllt und auch selbst liefen sie mir schon wieder über die Wangen. Und dann zog er mich endlich zu sich und umarmte mich. Ich erwiderte die Umarmung und klammerte mich an ihn.
„Es tut mir so leid!", schluchzte ich und krallte meine Finger dabei in sein T-Shirt.
„Nein, mir tut es leid!" Auch seine Stimme war ganz brüchig. Noch eine ganze Weile standen wir einfach nur da und genossen die lang ersehnte Anwesenheit des anderen. Dann löste ich mich aus seiner Umarmung.
„Können wir bitte nochmal reden?", fragte er leise. Ich nickte. Während er sich auf mein Bett setzte, schloss ich die Tür und nahm dann neben ihm Platz.
Sofort nahm er wieder meine Hand in seine. Mein Lieblingsgefühl stellte sich ein und kribbelte durch meinen ganzen Körper.
„Du hattest recht", meinte er dann. Ich sah ihn neugierig an. „Ich hab mich dir gegenüber schrecklich verhalten und dich damit verletzt. Das tut mir unglaublich leid. Ich dachte, es wäre einfacher, aber ich kann auch nicht mehr ohne dich." Er schaute mich schuldbewusst an und legte dann eine Hand an meine Wange. Seine Augen fokussierten mich und dann sprach er endlich aus, was ich schon lange gefühlt hatte.
„Ich bin in dich verliebt, Tristan." Mein Herz machte einen Aussetzer und die Haut unter meinen Sommersprossen wurde ganz warm. Als er das sah, erschien sein charmantes Lächeln auf seinen Lippen. „Ich auch in dich", antwortete ich ihm und erwiderte seinen nun glücklichen Gesichtsausdruck.
Wir sahen uns eindringlich in die Augen. Mein Puls raste. Ich wollte ihn küssen, doch bevor ich ihm zu nah kam, zögerte er und unterbrach mich in meiner Bewegung.
„Aber ich habe dir ja gesagt, dass es Gründe gibt, warum ich nicht mit dir zusammen sein kann." Mein Herz rutschte mir in die Hose. Wenn er mir jetzt nochmal das Herz bricht, spring' ich aus dem Fenster!
„Aber vielleicht kann ich dir die Gründe erzählen und wir finden gemeinsam eine Lösung."
„Fuck", meinte ich nur erleichtert, „du hast mich eben echt erschreckt."
„Sorry", murmelte er, „aber in dem Fall muss ich dir jetzt mein Geheimnis erzählen." Er richtete sich auf. Sein Körper wirkte angespannt und er schaute mich ernst an. „Oh Mann, das ist echt nicht einfach", meinte er. Er rang um Worte. Und in meinem Kopf schlugen die Gedanken Purzelbäume. Ich konnte mir vorstellen, welches Geheimnis er mir erzählen wollte. Doch ich war überzeugt davon, dass das verrückt war. Timothy stotterte immer noch und traute sich nicht, es auszusprechen, als es stattdessen einfach aus mir heraus platzte.
"Ich weiß es eh schon", unterbrach ich ihn in seinen Bemühungen. Er schaute mich verwundert an. „Du bist ein Vampir!"
Er riss die Augen auf und starrte mich an. Ein großer Teil von mir wünschte sich, dass er anfing zu lachen und mich fragte, ob ich spinne, doch er schaute mich einfach nur mit offenem Mund an. „Woher...?", fragte er, doch stockte dann, ohne seinen Satz zu vollenden.
Jetzt starrte ich ihn ungläubig an. Er brach nicht in Gelächter aus, er widersprach auch nicht, sondern sah mich einfach nur entgeistert an. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Dann räusperte sich Timothy. „Du liegst nur halb richtig. Aber das ist immerhin mehr, als jeder andere über mich weiß."
In meinem Kopf drehte sich alles. Ich war also nicht verrückt, obwohl ich es mir gerade wünschte. Und trotz meines Verdachts, den ich doch schon länger gehabt hatte, hörte sich das gerade so unwirklich an.
„A... Also bist du ein halber Vampir?", fragte ich ihn stotternd. Er versuchte zu lächeln und nickte. Ich musste diese Info erst mal verarbeiten.
„Und das ist der Grund, warum ich nicht mit dir zusammen sein wollte. Ich habe die ganze Zeit Angst, ich könnte dich verletzen." Mich verletzen? Unterbewusst zog ich meine Hand aus seiner und lehnte mich einige Zentimeter von ihm weg.
„Inwiefern verletzen?", fragte ich mit zitternder Stimme.
Er seufzte und hob seine Hand zu meinem Gesicht. Ich zuckte zurück. „Hab bitte keine Angst", meinte er mit sanfter Stimme und strich mir dann eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Es liegt daran, dass dein Blut so unheimlich gut riecht." Seine Wangen färbten sich rosa. „Und das macht es übrigens nicht besser", grummelte er und zeigte auf meine verbundenen Arme.
„Oh, tut mir leid ..." Ich nahm meine Bettdecke und legte sie mir über die Arme. „So besser?"
Er lächelte gequält. „Etwas." Langsam beruhigte sich mein Inneres und mein Körper entspannte sich wieder. Ich vertraute darauf, dass er mir nichts tun würde. Doch nachdem das Gefühl der Angst langsam in den Hintergrund gerückt war, schoben sich tausend Fragen an dessen Stelle. Ich stellte ihm die Erstbeste, die mir einfiel.
„Riecht nur mein Blut so intensiv?", fragte ich leise.
Er nickte. „Für mich schon. Ich hatte das noch nie so stark und ehrlich gesagt auch niemand anders aus meiner Familie."
„Deiner Familie? Moment mal ... Grace und Andrew etwa auch?" Ich durchforstete mein Hirn nach Hinweisen danach.
„Ja, Grace und Andrew sind auch Halbvampire. Meine Mum ist ein normaler Vampir, mein Dad ist ein Mensch."
„Und das funktioniert?"
Er lachte. „Wir sind der lebende Beweis."
„Und für Grace und Andrew riecht mein Blut nicht so stark?"
„Nein, gar nicht. Also eben einfach ganz normal, wie bei jedem anderen Menschen."
Ich schluckte. Das war zu verrückt. Doch meine Anspannung verflog immer mehr und ich stellte die nächste Frage, die mir auf der Zunge brannte.
„Trinkt ihr ... Menschenblut?"
„Meine Geschwister und ich nicht. Wir können ganz normal essen und trinken, aber Blut riecht für uns trotzdem ... ähm appetitlich. Und falls wir doch mal das Verlangen nach Blut bekommen, tut es auch das von Tieren."
Ich machte ein Würgegeräusch und verzog mein Gesicht angewidert. Er grinste nur. Auch er wirkte wieder entspannter. Ich dachte nach und überlegte, welche Frage ich als Nächstes stellen wollte.
„Warum verbrennt ihr nicht in der Sonne, oder ist das ein Mythos?"
„Das ist tatsächlich kein Mythos. Allerdings sind wir als Halbvampire nicht stark davon betroffen. Wir haben einfach sehr empfindliche Haut und eine Art Sonnenallergie. Also wenn ich ohne Sonnenschutz in die Sonne gehe, bekomme ich recht schnell Brandblasen. Aber wir schmieren uns jeden Morgen mit dem höchsten Lichtschutzfaktor ein", grinste er.
„Und deine Mum?"
„Sie verträgt gar keine Sonne und kann entweder nur an sehr bedeckten Tagen oder nachts nach draußen gehen."
„Wie alt ist deine Mum eigentlich ... Und Moment Mal ... Wie alt bist du?" Ich dachte an die Vampire aus verschiedenen Büchern und Serien, die immer irgendwelche 200 Jahre alten Dudes im Körper von 17-Jährigen waren. Timothy lachte, da er meinen Gedanken vermutlich erraten hatte. „Ich bin wirklich 15 und bisher altere ich auch ganz normal", antwortete er immer noch grinsend.
„Bisher?", fragte ich.
„Wir kennen keine anderen Halbvampire und wissen deshalb nicht, ob wir irgendwann aufhören zu altern, oder nicht."
„Gibt es andere Vampire außer deiner Mum?"
„Ja, aber nicht mehr viele und die meisten leben in Amerika."
„Wie ... Wie wurde deine Mum zu einem Vampir?"
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Sie redet nicht darüber. Ach so und meine Mum altert nicht mehr. Sie wurde vor ungefähr 100 Jahren verwandelt und ist seither 36 Jahre alt. Wobei sie sich momentan als 42 ausgibt." Ich schluckte bei der Info.
„Krass. Das hört sich alles echt ganz schön verrückt an."
„Ja, ich weiß."
„Okay, aber wieder zu uns. Warst du deshalb am Anfang so gemein zu mir?"
Er schaute mich traurig an. „Das tut mir sehr leid. Als ich an meinem ersten Tag ins Klassenzimmer kam, war da schon dieser Geruch, der ein seltsames und unbekanntes Verlangen in mir auslöste. Doch ich konnte den Drang noch unterdrücken. Als ich dir aber näher kam, wurde es so intensiv, dass ich mich beherrschen musste, nicht über dich herzufallen."
„Was meinst du mit über mich herfallen?"
„Ich hatte, na ja, das Bedürfnis, dir die Kehle aufzureißen und dein Blut zu trinken."
„Gruselig", sagte ich und spürte die Gänsehaut in meinem Nacken.
„Sorry. Ich war in dem Moment komplett überfordert und musste mich extrem konzentrieren. Ich versuchte irgendwie deinen Geruch auszublenden. Aber ich wusste, dass das nur geht, wenn ich dich auf Abstand halte. Deshalb war ich so unfreundlich. Am nächsten Tag hast du mich aber fast aus der Fassung gebracht."
Ich erinnerte mich. „Oh, als ich mich im Unterricht aufgekratzt und geblutet habe und du wie angestochen rausgerannt bist?"
„Exakt. Ich wusste, wenn ich jetzt nicht verschwinde, dann bringe ich dich um."
„Heftig ..."
„Ja, und das Schlimmste war, als du Idiot mir auch noch hinterhergekommen bist. Wären Grace und Andrew nicht so schnell aufgetaucht, dann ..." Er verstummte und sah mich dabei zerknirscht an.
Ich versuchte, ihn von dem schrecklichen Gedanken abzulenken und stellte die nächste Frage: „Apropos Grace und Andrew. Habt ihr eigentlich irgendeine übernatürliche Verbindung?"
„Dir ist echt nichts entgangen", lachte er, „ja, wir wissen nicht genau, was das ist. Aber wir spüren sofort, wenn einer von uns Hilfe braucht und werden wie mit einem unsichtbaren Kompass direkt dorthin geführt."
„Okay, manchmal bestimmt praktisch." Er nickte und ich fragte weiter: „Warum warst du dann plötzlich nett zu mir?"
„Kannst du dich an die Englisch-Präsentation erinnern?" „Klar." „Ich hatte so Angst, mit dir allein bei dir zu Hause zu sein. Andrew war deshalb draußen vor dem Haus, um im Notfall einzuschreiten. Außerdem habe ich immer wieder das Fenster geöffnet, um etwas frische Luft reinzulassen. Tatsächlich ist es mir aber während des Nachmittags mit der vollen Dröhnung deines Geruchs in deinem Zimmer nach und nach immer einfacher gefallen. Ich denke, ich habe mich langsam daran gewöhnt und es geschafft mich zu beherrschen."
„Krass. Ich hab' dich echt verflucht für deine miese Art", grinste ich ihn an. „Bist du irgendwie besonders stark oder schnell?", fragte ich jetzt weiter.
„Ich denke, ich bin stärker und schneller als die meisten anderen in meinem Alter. Aber ich versuche das zu verstecken. Unser Ziel ist es immer so unauffällig wie möglich zu sein."
„Okay, interessant. Hmm, was frage ich als Nächstes? Ach ja: Kannst du dich eigentlich wirklich nicht mehr an die Halloweenparty erinnern?"
Ein rosa Schleier legte sich über seine Wangen. „Ich habe wirklich zu viel getrunken. Ich kann mich erinnern, dass wir uns fast geküsst hätten. Wobei mich der Alkohol so benebelt hat, dass ich dich fast verletzt hätte. Der Alkohol brachte mich dazu, meine so mühsam antrainierte Beherrschung zu verlieren."
„Ich habe damals zum ersten Mal deine Vampirzähne gesehen."
Er schaute erstaunt. „Echt jetzt?"
„Ja, aber ich hab's auch auf den Alkohol geschoben, beziehungsweise mich selbst als verrückt abgestempelt. Wie ist das mit deinen Vampirzähnen? Warum sehe ich sie jetzt nicht?" „Die kommen nur zum Vorschein, wenn mein Körper in den Jagdmodus übergeht", erklärte er. „Interessant", meinte ich nur und beim Gedanken an meine nächste Frage, wurde mein Gesichtsausdruck ernster. „Warum genau wolltest du das zwischen uns letzte Woche beenden?", fragte ich. Der Gedanke daran machte mich traurig.
Er zog ebenfalls seine Augenbrauen zusammen. „Wenn wir uns küssen ...", begann er dann und schaute verlegen auf meine Hand in seiner, „dann ist das das allerschönste Gefühl, das ich jemals hatte. Gleichzeitig wird aber auch mein Verlangen nach deinem Blut in diesem Moment so viel stärker. Wenn ich dir so nah bin, deinen Geruch inhaliere, dann ist es kaum auszuhalten. Als wir uns letzte Woche so intensiv geküsst haben, habe ich die Kontrolle verloren. Ich war wie in Trance und hättest du dich nicht gewehrt, ich weiß nicht wie es geendet hätte. Ich war in dem Moment so schockiert von mir selbst, über mein Verhalten und dass ich in diesem Moment überhaupt nicht mehr darauf geachtet habe, was du willst, dass ich mir dachte, es wäre besser für dich, wenn wir uns nicht mehr so nahe kommen. Es tut mir unglaublich leid, dass ich nicht ehrlich zu dir war und diese Entscheidung einfach alleine getroffen habe."
Ich war dankbar für seine ehrliche Entschuldigung und trotzdem nickte ich traurig, weil ich verstand, was das für uns bedeutete. „Das heißt, wir können uns nicht mehr küssen?", fragte ich wehmütig.
„Na ja, meine Überlegung war, dass wir es vielleicht etwas langsamer angehen könnten. Vielleicht muss ich es einfach trainieren und sozusagen gewöhnt werden. Aber ich kann auch verstehen, wenn du dieses Risiko nicht eingehen willst."
„Ich ... Ich würde es gerne versuchen", antwortete ich. Das Risiko war mir komplett egal.
„Sicher? Du musst das nicht sofort entscheiden."
„Doch. Ganz sicher", antwortete ich ihm, worauf er zu lächeln begann. Er legte eine Hand an meine Wange und kam meinem Gesicht näher. „Dann sollten wir gleich mit dem Training beginnen", hauchte er. Ich konnte nur nicken.
Mein Herz wurde schneller und die Schmetterlinge flatterten, als seine Lippen ganz sanft die meinen streiften. Ich schloss die Augen und obwohl das Blut laut in meinen Ohren rauschte, hörte ich wie er die Luft an meinem Mund tief einsog. Dann drückte er seine Lippen zart auf meine. Mein Körper kribbelte und ich bekam sofort wieder das Bedürfnis, einen Schritt weiterzugehen.
Ich vergrub meine Hand in seinen Haaren und drückte ihn stärker gegen meinen Mund. Meine Zunge bat um Einlass, doch Timothy drückte mich liebevoll von sich. „Hast du Todessehnsucht?", fragte er schmunzelnd. Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell.
Ich wurde rot. „Vielleicht sollten wir doch erst mal nur kuscheln", schlug ich verlegen vor. Er nickte und schenkte mir sein wunderschönes süßes Lächeln. Er rutschte zurück bis an die Wand, wo er sich mit dem Rücken anlehnte. Dann zog er mich zu sich. Ich legte meinen Kopf auf seinen Schoß und er begann mich liebevoll zu kraulen. „So schön", murmelte ich mit geschlossenen Augen.
„Ich muss dir noch etwas erzählen. Etwas, was mich auch verunsichert hat", unterbrach er die Stille.
„Was denn?", nuschelte ich mit dem Gesicht an seinem Bauch.
„Vielleicht ist dir das auch schon aufgefallen, aber durch unsere Vampirgene wirken wir auf andere ziemlich anziehend."
Ich dachte nach. Mir war wirklich aufgefallen, dass Timothy und seine Geschwister direkt mit den beliebten Kids der Schule befreundet waren. Andrew mit den ganzen Sportlern aus der Zwölften, Grace mit der angesagten Mädelsclique rund um Göksu und Timothy hatte ebenfalls direkt Anschluss gefunden. „Ja, hab ich bemerkt", murmelte ich, „aber was willst du mir damit sagen?"
„Weißt du, damit du es besser verstehen kannst, ein Beispiel: Ich glaube, Andrew könnte nackt Purzelbäume auf dem Schulhof schlagen und dabei Kinderlieder singen, die Sportler würden ihn immer noch total cool finden." Ich grinste belustigt bei der Vorstellung. „Ich ... Ich habe mich gefragt, ob du mich vielleicht nur magst, weil wir, beziehungsweise ich, diese spezielle Wirkung auf andere und eben auch auf dich habe."
Jetzt drehte ich mich auf den Rücken, mein Kopf immer noch auf seinem Schoß liegend, aber so, dass ich ihn anschauen konnte. „Ich bin mir ganz sicher, dass ich dich nicht nur deshalb mag", meinte ich und hob meine Hand zu seinem Gesicht. Er rang sich ein Lächeln ab. „Ich mag dich, weil du lieb zu mir bist. Weil du mir zuhörst. Weil du dich um mich sorgst. Weil du dich um mich kümmerst. Weil du jetzt hier bist. Und mir würden bestimmt noch ganz viele andere Gründe einfallen, warum ich dich mag."
Jetzt lächelte er wirklich, beugte sich zu mir runter und küsste mich. Wieder nur kurz und ganz zart, aber das genügte. Dann fiel mir etwas anderes ein: „Sag mal, schwänzt du eigentlich gerade Schule? Der Unterricht geht doch heute bis fünfzehn Uhr?" Er grinste und zuckte mit den Schultern. „Hab' mich im Sekretariat krankgemeldet."
Ich grinste zurück. In dem Moment vibrierte mein Handy. Ich schaute darauf und zuckte zusammen, als ich sah, dass Fettsack mir geschrieben hatte. „Wo bist du?", lautete die Nachricht. Außerdem schickte er noch ein Herz-Emoji hinterher. Ich seufzte. Timothy schaute mich fragend an.
„Ich hab' Mist gebaut." Ich stockte, doch dann sprach ich weiter. „Als wir letzte Woche diesen Streit hatten und ich abgehauen bin ... da war ich bei Micha."
„Hmm", machte Timothy nur, „dann hat sich meine Nase also nicht getäuscht." Ich schaute ihn fragend an. „Na ja, jeder Mensch hat einen bestimmten Geruch und als Halbvampir nimmt man diesen besonders stark wahr", erklärte er mir.
„Ich dachte, du riechst nur meinen Geruch?"
„Nee, du riechst nur besonders gut", grinste er und streichelte liebevoll über meinen Kopf. Die Haut unter meinen Sommersprossen wurde warm.
Dann erinnerte ich mich daran, worum es eigentlich gerade ging. „Das war's aber noch nicht ganz. Ich ... Also, als ich dort war ... Da habe ich ihn geküsst." Timothy stockte kurz mitten in der Bewegung, doch streichelte dann weiter. „Es tut mir leid!", sagte ich, während sich wieder Tränen in meinen Augen sammelten.
Er atmete einmal tief durch und meinte dann mit ruhiger Stimme: „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich bin selber Schuld, wenn ich dich abserviere. Wir waren zu diesem Zeitpunkt nicht zusammen, also konntest du tun und lassen, was du wolltest. Ich verstehe ehrlich gesagt nur nicht genau, warum gerade er. Er macht dich doch jeden Tag in der Schule fertig! Und woher wusstest du überhaupt, dass er auf Jungs steht?"
Beschämt wich ich seinem Blick aus. „Er steht auf Jungs, aber anscheinend auch auf Mädchen. Er hat mich mal nach dem Sport in der Umkleide geküsst, deshalb wusste ich, dass er was von mir will. In dem Moment, als wir Streit hatten, habe ich nach Bestätigung gesucht und obwohl er mich sonst so mies behandelt, wusste ich, dass ich dort diese Bestätigung bekommen würde ..."
Ich seufzte und wagte es immer noch nicht, wieder in das Gesicht von Timothy zu schauen. „Aber bitte erzähl es niemandem weiter. Er möchte sich nicht outen und ich weiß, wie scheiße es ist, wenn das jemand anders für einen übernimmt."
Timothy legte seine Hand an meine Wange und drehte mein Gesicht wieder zu seinem. „Ich kann es jetzt besser verstehen und ich werde nichts weiter erzählen", sagte er und ich war dankbar für den verständnisvollen Ausdruck in seinen Augen, „aber er kann trotzdem nicht so mit dir umgehen. Auf der einen Seite macht er sich über dich lustig und hinten rum küsst er dich. Das geht echt gar nicht ..."
„Ich hatte eh nicht vor, ihn jemals wieder zu küssen", meinte ich, „nur noch dich!"
Timothy grinste. „Dann bin ich ja froh!"
„Das muss ich nur ihm auch noch verklickern", meinte ich und schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn, weil ich mich so dämlich fühlte.
„Das bekommen wir schon hin, wobei das jetzt erst mal warten kann. Jetzt zählen erst mal nur noch du und ich", meinte er und ließ seine Finger durch meine Haare gleiten. Ich genoss seine Berührungen und wurde direkt wieder rot bei meinem nächsten Gedanken, den ich jetzt aussprach: „Sind wir ... Sind wir dann jetzt eigentlich zusammen?"
Sein charmantes Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Na, wenn du willst, dann unbedingt."
Ich erwiderte sein Lächeln und antwortete: „Ja, bitte."
Wieder beugte er sich zu mir und küsste mich sanft. Ich legte meine Hand an seinen Hinterkopf, um den Moment zu verlängern und um ihn davon abzuhalten, sich gleich wieder von mir zu lösen. Er ließ es zu, doch so über mich gebeugt, wurde es ihm wohl zu unbequem. Er ließ von mir ab und schob meinen Kopf von seinem Schoß.
Ich wollte schon protestieren, doch dann legte er sich neben mich ins Bett und zog mich wieder zu sich, wo unsere Lippen schnell wieder zueinander fanden. Bevor es jedoch zu wild wurde, unterbrach er das Ganze und wir beschränkten uns wieder aufs Kuscheln.
„Du, da gibt es noch etwas", meinte ich nach einiger Zeit.
„Was denn?", fragte er, während er mir über den Rücken streichelte und mir tief in die Augen schaute.
„Als ich damals Abstand zu dir wollte ... Der Grund war ... Andrew." Sein Körper spannte sich an.
„Was hat er zu dir gesagt?", fragte er und ich meinte am Klang seiner Stimme herauszuhören, dass er schon eine Ahnung hatte.
„Er sagte, dass ich mich von dir fernhalten soll und dich nicht verführen soll. Er hat mir gedroht ... Und einmal nach der Schule ..." Meine Stimme begann zu zittern, als ich mich daran zurückerinnerte. „ ... hat er mir eine verpasst und mir gedroht, dass er mich fertig macht, wenn ich nicht die Finger von dir lasse."
„Dieser ...!" Timothy hörte sich nun wirklich wütend an. „Mach dir keine Sorgen mehr! Ich kläre das mit ihm!" Eine riesige Last fiel von meinem Herzen ab und ich bekam schon wieder Tränen in den Augen. Er streichelte mir sanft über die Wange und küsste mich dann liebevoll auf die Stirn. „Er wird dich nicht mehr anrühren und sich nicht mehr zwischen uns drängen, okay?" Ich nickte.
„Ich bin so froh, dass ich dich habe", murmelte ich und drückte mein Gesicht an seine Brust.
„Ich bin auch froh, dich zu haben!", sagte er und zog mich noch fester an sich.
--------------------------------------
Naaaaa, was sagt ihr? :D
Endlich haben sich die beiden komplett ausgesprochen und so schnell wird sich sicher nichts mehr zwischen die beiden drängen!
Freue mich wie immer über eure Kommentare und Votes! <3
Hab euch lieb! <3
Eure Elena :)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top