Kapitel 38

Nachdem wir die Betten bezogen und den Inhalt unserer Koffer in den spindartigen Schränken verstaut hatten, machten wir uns für das Mittagsprogramm fertig. Henry und Robin gingen zu einem Ski-Kurs, während Timothy und ich für den Snowboard-Anfängerkurs angemeldet waren. Ich beobachtete Timothy, der sich gerade seine Schneehose überzog. Er sah süß aus in seiner blauen Montur. Ich trug natürlich komplett schwarz.

Wir kamen an unserem Treffpunkt an, wo schon einige Schüler*innen warteten. Unter anderem Micha und seine Kumpanen. Genervt verdrehte ich die Augen. Doch bevor sie etwas sagen konnten, kam unser Snowboard-Lehrer. Er war schätzungsweise Mitte zwanzig, hatte dunkelbraune Locken, einen Dreitagebart und sah außerdem ein bisschen heiß aus. Doch Timothy konnte er natürlich nicht das Wasser reichen. 

Wir bekamen eine kurze Einführung und machten uns dann auf den Weg zu den Snowboards, wo jeder die passende Ausrüstung ausgehändigt bekam. Danach ging es endlich nach draußen. Wir hatten perfektes Wetter mit strahlend blauem Himmel, was direkt Glücksgefühle in mir auslöste. Der Schnee knirschte angenehm unter unseren Schuhen, während wir zu unserem Übungsplatz stapften. 

Dort erklärte uns der Snowboard-Lehrer erst mal einige Grundlagen und dann wagten wir unsere ersten Versuche. Timothy landete direkt mit dem Hintern im Schnee und schaute verdutzt. „Du bist doch sonst so 'ne Sportskanone", grinste ich, reichte ihm meine Hand und zog ihn wieder auf die Beine. „Ich will nur nicht, dass du dich schlecht fühlst", lachte Timothy, „nein, Scherz! Ist einfach nur ganz anders als Skifahren. Hab' es mir einfacher vorgestellt."

Es dämmerte langsam. Ich war komplett nass geschwitzt und wusste, dass ich Morgen den Muskelkater meines Lebens haben würde. Trotzdem hatte ich ein breites und glückliches Grinsen auf den Lippen, als wir nach oben zu unserem Zimmer gingen.

„War ganz schön anstrengend, oder?", meinte Timothy.

„Ja, voll! Aber auch sehr cool!", antwortete ich.

„Ja, außer, dass ich mehr im Schnee saß, als gefahren bin", grinste er, „Skifahren ist eindeutig mehr mein Ding."

„Stell dich nicht so an", meinte ich grinsend und stieß mit meiner Schulter gegen seine.

„Pff", machte er nur und lachte dann.

Ich öffnete unsere Zimmertür. „Und wie war's bei euch?", fragte Robin, als wir zur Tür reinkamen. Er stand frisch geduscht, mit noch nassen Haaren in unserem Zimmer und war nur mit einem Handtuch um die Hüfte bekleidet.

„War sehr nice!", grinste ich, „und bei euch?"

„Ja, auch. Henry ist gerade noch unter der Dusche, aber er müsste, denke ich, gleich fertig sein. Habt ihr mitbekommen? Morgen und Übermorgen solls unten eine Après-Ski-Party geben."

„Puh, gar nicht mein Fall", lachte ich. Ich hasste die Musik auf solchen Partys.

„Ach komm schon, Tris! Und was ist mit dir, Timothy?", fragte er mit seinem bettelnden Hundeblick.

„Ich kann's mir ja mal überlegen, aber bin da jetzt auch kein Fan von", meinte der nur und zog sich seine Winterjacke und Skihose aus.

„Wie lange braucht Henry noch? Wir müssen auch noch duschen, bevor es Essen gibt", fragte ich und entledigte mich ebenfalls meiner Schneekleidung.

Nach dem Abendessen, es hatte Spaghetti mit Tomatensoße gegeben, saßen wir voll gefuttert auf unseren Betten und erzählten uns einander, was wir heute erlebt hatten. Plötzlich klopfte es an der Tür.

„Herein", rief Robin. Die Tür ging auf und Irina und Mia streckten ihre Köpfe zur Tür rein.

„Hey, kommt rein", meinte Robin euphorisch. Irina setzte sich zu mir und Mia zu Robin aufs Bett. Nun erzählten auch noch die Mädels, wie es bei ihnen war. Wobei eigentlich die meiste Zeit Mia plapperte und Robin der einzige war, der aufmerksam zuhörte. Ich rutschte nach hinten mit dem Rücken an die Wand und zog Irina mit zu mir. Sie kuschelte sich an meine Schulter.

„Und hast du es deiner Oma erzählt?", fragte ich leise. In den letzten Wochen hatte Irina verschiedenen Familienmitgliedern und auch ausgewählten Freund*innen erzählt, dass sie lesbisch war. Meistens rief sie mich davor oder danach an. Davor machte ich ihr Mut und danach erzählte sie mir, wie's gelaufen war.

„Eigentlich gut. Sie meinte zwar, dass sie das nicht so richtig versteht, aber dass sie auch nichts dagegen hätte", meinte sie lächelnd.

„Schön", antwortete ich und drückte sie an mich, „ist Chi Chi eigentlich auch hier?" Irinas Wangen färbten sich rosa. Sie hatte seit einer Weile ein Auge auf ein Mädchen aus der a-Klasse geworfen. Chi Chi war mir mit ihrem Anime-Kleidungsstil ebenfalls schon öfter aufgefallen und ich fand es total passend, als Irina mir erzählt hatte, dass sie sich in sie verguckt hatte.

„Ja, allerdings ist ihr Zimmer in einem anderen Gebäudeteil. Aber mal schauen, vielleicht ist sie morgen ja auch bei der Party. Gehst du auch hin?", fragte sie.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube eher nicht." Dann flüsterte ich ihr ins Ohr: „Timothy will auch hier bleiben." Sie antwortete mit einem stummen „Ach sooooo" und grinste mich ahnungsvoll an.

Wir hatten inzwischen schon nach 22 Uhr, als es an der Tür klopfte und Frau Haas hereinschaute. Sofort entdeckte sie die Mädels. „Mia, Irina. Jetzt aber ab in euer Zimmer!"

„Frau Haas, kommen Sie schon!"

„Mia, wir diskutieren jetzt nicht. Morgen auf der Party dürft ihr bis zwölf bleiben, aber heute ist um Zehn Bettruhe. Also ab jetzt!"

Seufzend erhoben sich die Mädels. „Gute Nacht, Jungs."

„Gute Nacht!", antworteten wir alle gleichzeitig und die zwei verschwanden durch die Tür.

Henry gähnte. „Ich bin aber auch schon mega müde. Ist es für euch okay, wenn wir demnächst das Licht ausmachen?"

Der Tag steckte uns allen in den Knochen und niemand hatte etwas dagegen. Doch als es im Raum dunkel wurde und schon nach einigen Minuten das gleichmäßige Atmen von Henry ertönte, merkte ich, dass ich nicht einschlafen konnte. Ich nahm nochmal mein Handy in die Hand und schaute TikToks, ohne Ton, um die anderen nicht zu stören.

Es war inzwischen kurz vor elf Uhr, als ich plötzlich ganz leise meinen Namen vernahm. „Tristan", flüsterte es von oben, „bist du noch wach?"

„Ja", antwortete ich leise.

„Ich kann nicht einschlafen", meinte Timothy.

„Ich auch nicht", antwortete ich.

„Magst du zu mir hochkommen?" Ich biss mir auf die Unterlippe. Hatte er das gerade wirklich gefragt? Schlagartig begann mein Herz wie wild zu klopfen.

„Okay." Ich warf meine Decke zurück und stand leise auf. Dann kletterte ich vorsichtig die schmale Leiter nach oben. Oben angekommen, krabbelte ich schnell über die Matratze zu Timothy, der schon seine Decke hochhielt, damit ich darunter schlüpfen konnte. Er legte seinen Arm samt Decke um meinen Körper. Wir lagen uns gegenüber. Unsere Gesichter waren sich ganz nahe.

„Hey."

„Hey."

Ich genoss seine Nähe. Er streichelte sanft mit den Fingerspitzen über meinen Rücken. Von der Berührung stellten sich meine Nackenhärchen auf. Dann hob er seine Hand und streichelte mir über die Haare.

„Ich mag dich", flüsterte er leise. Ich erinnerte mich an den Silvesterabend, nur mit dem Unterschied, dass wir uns diesmal viel näher waren und ich außerdem nicht kurz vorm Einschlafen war. Mein Puls raste inzwischen. „Ich dich auch", flüsterte ich dann ganz leise zurück.

 Er fuhr mit seinen Fingern durch meine Haare. Sanft zog er mein Gesicht näher zu seinem. Sein Atem traf auf meine Haut. Unsere Nasenspitzen berührten sich. Mein Körper war angespannt. Adrenalin drang in jede Faser meines Körpers. 

„Darf ich ... darf ich dich küssen?", fragte er flüsternd. Das fragst du noch?!

„Ja", hauchte ich zurück.

Er überbrückte den winzigen Abstand zwischen uns. Sanft und nur ganz leicht lagen seine weichen Lippen auf meinen. Ich schloss meine Augen. In meinem Kopf drehte sich alles und alles drehte sich um ihn. Die Berührung unserer Lippen dauerte nur wenige Sekunden, bis er sein Gesicht wieder ein paar Zentimeter von meinem entfernte. Das war noch hundertmal schöner als in meinen Träumen!

Sein Atem ging mindestens so schnell wie meiner. Seine Finger waren immer noch in meinen Haaren vergraben und begannen wieder sanft über meinen Kopf zu streicheln.

„Das war schön", flüsterte ich high von Gefühlen.

„Ja, sehr", flüsterte er zurück, „aber ich glaube jetzt müssen wir wirklich schlafen."

„Ja", stimmte ich zu. Ich lächelte glücklich und genoss das wohlige Gefühl, welches seine Finger, die immer wieder sanft durch meine Haare fuhren, auslösten, während ich langsam einschlief.

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Oh mein Gott! Kann sich das bitte jede*r im Kalender anstreichen?!

Nach gefühlten hundert Jahren gab es endlich endlich den ersten Kuss zwischen unseren zwei Bebis!!! Und es macht mich so glücklich! *-*

Wenn ihr gerade ebenfalls Freudensprünge macht, dann freue ich mich über eure Votes und Kommentare!

Hab euch lieb! <3
Eure Elena :)

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