Kapitel 16
„Ihr könnt eure Schuhe hier ausziehen und eure Jacken an der Garderobe aufhängen", meinte Maja, als wir zu fünft das Haus betraten. Ich ging voraus ins Wohnzimmer und schaltete Fernseher und Playstation an. Wie versprochen, hielt Timothy schon die Blu-ray mit dem mysteriösen Film darin bereit.
„Mach die Augen zu, es soll eine Überraschung werden", grinste er.
„Oh Mann, jetzt mach's doch nicht so spannend, ey!", meinte ich nur, hielt mir aber trotzdem brav die Hände vors Gesicht.
Maja hatte sich inzwischen auf unser Ecksofa gesetzt und durchsuchte die Lieferapp nach einer passenden Pizzeria. Dabei gab es in diesem Kaff nicht mehr als vier Restaurants, die lieferten. Dieser Gedanke stand ihr auch ins Gesicht geschrieben: „Also, Stuttgart hat mich verwöhnt. Hier gibt's echt gar nichts."
„Bestell bei 'Pizza Antonio'. Der hat im Sommer neu aufgemacht und Mama und ich haben dort auch schon was geholt. Ist gar nicht so schlecht," gab ich ihr den Tipp.
„Alles klar, wer will was?"
„Was gibt's denn alles?", fragte Andrew und setzte sich neben meine Schwester auf das Sofa, um mit ihr in die App zu schauen.
„Ich nehm' die Vegetariana", meinte ich.
„Für mich die Diavolo", sagte Timothy und setzte sich ebenfalls auf unser Sofa.
„Quattro Stagioni", kam es von Grace. Sie hatte es sich in Mamas Ohrensessel gemütlich gemacht, ihr Laptop stand auf ihrem Schoß. Da sie den Film anscheinend schon öfters gesehen hatte, wollte sie direkt unsere Fotos aussortieren und bearbeiten.
„Dann nehm ich die da", meinte Andrew und zeigte mit dem Zeigefinger auf Majas Smartphone.
„Okay, alles klar, Schinken-Pilz. Ich nehm auch die Vegetariana und noch eine Hawaii für Mama. Tristan, haben wir noch Cola im Kühlschrank, sonst bestelle ich noch welche dazu?"
„Brauchst du nicht. Mama wusste ja, dass du kommst und hat direkt den Vorrat aufgefüllt." Wir grinsten uns an. Die anderen wussten natürlich nicht, wie Cola-süchtig Maja war und verstanden unseren Insider-Witz deshalb nicht.
„Perfekt, dann ist jetzt bestellt und laut App sollten die Pizzen bis in 35 Minuten da sein."
„Nice", sagte ich und setzte mich auf den letzten freien Platz neben Timothy. „Wollen wir dann trotzdem schon mit dem Film anfangen?"
Alle nickten. Ich nahm den Controller in die Hand und startete den Film. Ich war gespannt, was Timothy für einen Film ausgesucht hatte. Da ich ein kleiner Filmjunkie war, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich den Film noch nicht gesehen haben könnte.
Ich grinste, als ich schon im Vorschaumodus erkannte, dass Timothy den Disneyfilm Frozen für uns ausgewählt hatte. Andrew hingegen stöhnte genervt: „Dein ernst Timmy? Wie oft müssen wir uns diesen dämlichen Kinderfilm noch anschauen?"
Timothy zog eine beleidigte Schnute und meinte nur: „Lass mich!"
„Das ist jetzt aber keine Geschichtsdoku?", neckte ich Timothy grinsend.
Timothy grinste zurück: „Das ist eine Ausnahme!"
Tatsächlich hatte ich den Film noch nie gesehen, da ich bis auf ein paar Ausnahmen nicht so der Disney-Fan war, ich war aber gespannt.
Elsa floh gerade panisch in eine wunderschöne weiße Winterlandschaft, als es an der Tür klingelte. Maja und ich sprangen gleichzeitig auf. Schnell drückte ich noch die x-Taste meines Controllers, um den Film zu stoppen. Timothy stöhnte klagend. „Gerade, wenn's spannend wird", hörte ich ihn leise zu sich selbst sagen, als ich zur Tür ging.
Maja hatte die Pizzen schon über die App bezahlt, drückte dem Liefer-Typen aber trotzdem noch fünf Euro Trinkgeld in die Hand. Der freute sich sichtlich und wünschte uns einen guten Appetit.
Der warme Dampf schlug mir entgegen, als ich einen Pizzakarton nach dem anderen öffnete, um den Belag zu checken und die Pizzen zuzuordnen. Grace sah zum ersten Mal an diesem Abend von ihrem Laptop auf, stellte ihn neben sich auf den Boden und nahm ihr Abendessen entgegen: „Mein Gott, habe ich einen Hunger!"
Alle mit ihrem Karton auf dem Schoß ausgestattet, startete ich den Film wieder. Meine Pizza duftete himmlisch nach Hefeteig und überbackenem Käse. Sie war zusätzlich mit Pilzen, Brokkoli, Spinat und Paprika belegt. Während ich das erste Stück in die Hand nahm, spickte ich zu Timothys Pizza, die mit Salamischeiben und grünen Peperoni überhäuft war.
Angewidert verzog ich mein Gesicht. Er bemerkte meinen Blick und lachte: „Willst 'nen Bissen?" Dabei hielt er mir sein angebissenes Stück vor die Nase. Ich schauspielerte ein Würgegeräusch und antwortete: „Nur über meine Leiche." „Gut, ich weiß schon, mit wem ich niemals mein Essen teilen muss." Ich grinste zurück und widmete mich wieder meiner eigenen Pizza.
Fünf leere Pizzakartons standen gestapelt auf dem kleinen Wohnzimmertisch. Der Film war noch in vollem Gange. Grace war wieder in ihren Laptop vertieft. Andrew gähnte. Er schaute auf den Fernseher, doch man sah ihm an, dass es ihn langweilte. Unauffällig versuchte er sich zu strecken und seinen Arm über Majas Schulter zu legen. Ich grinste, als er sich endlich traute und Maja sogar ihren Kopf an ihn lehnte. Ich bekam große Lust, dasselbe bei Timothy zu machen.
„Ist dir auch kalt", flüsterte ich leise in sein Ohr. „Bisschen", antwortete er, ohne den Blick vom TV abzuwenden. Ich beugte mich über die Armlehne des Sofas und streckte mich lang, um den großen Korb mit den Kuscheldecken zu erreichen. Mit viel Ächzen schaffte ich es endlich, eine Ecke der obersten Decke zu erreichen und sie zu mir aufs Sofa zu ziehen.
„Es besteht auch die Möglichkeit, aufzustehen", lachte Maja.
„Warum? Geht doch auch so", antwortete ich lachend.
„Pssst, jetzt musst du aufpassen", unterbrach uns Timothy und wir verstummten schnell, um uns wieder auf den Film zu konzentrieren.
Ich breitete die Decke aus und legte sie mir und Timothy über den Schoß und die Beine. Meine Arme steckte ich ebenfalls darunter, da es wirklich etwas kühl im Wohnzimmer geworden war. Timothy tat es mir gleich. Nun saßen wir beide eingemummelt bis zum Hals unter der Decke.
Ich konnte mich nicht mehr auf den Film konzentrieren, stattdessen schaute ich immer wieder möglichst unauffällig zu ihm. Sein Gesicht war so schön. Seine bernsteinfarbenen Augen, fokussiert auf den Fernseher. Die perfekten Augenbrauen darüber, die halb von seinen blonden Locken verdeckt wurden. Seine Nase, die ich gerne mit meiner Nase berühren würde. Seine vollen Lippen, die ich gerne mit meinen Lippen berühren würde. Huch, plötzlich ganz schön heiß hier!
Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte gerade meinen Blick abzuwenden, als plötzlich seine Hand unter der Decke nach meiner Hand griff. Ich starrte ihn an. Sein Blick war immer noch auf den Fernseher gerichtet, aber ich erkannte, dass ein Lächeln seine perfekten Lippen umspielte. „Schau endlich den Film an", flüsterte er ganz leise, während seine Finger sich mit meinen verkreuzten. Wie verdammt nochmal soll ich mich jetzt noch auf den Film konzentrieren?
Meine Hand kribbelte wie verrückt und das Kribbeln schien mein Herz anzustecken, das schon wieder viel zu schnell in meiner Brust zu schlagen begann. Wenn das so weiterging, würde ich noch einen Herzinfarkt bekommen.
Da hörte ich ein Geräusch an der Tür. Oh, Mama kommt heim.
Die Tür öffnete sich. Ich spürte, wie Timothy seine Hand zurückziehen wollte, doch ich hielt sie sanft fest. Schließlich konnte niemand unter unsere Decke sehen.
„Na, was ist denn hier los?", Mama stand im Türrahmen und lächelte. Ich stoppte den Film mit meiner freien Hand, während ich seine Hand immer noch festhielt.
„Hey Mama. Wir machen Filmabend. Passt doch, oder?" Sie nickte: „Klar doch."
Dann zeigte ich nacheinander auf die Hoppe-Geschwister: „Grace, mit der ich in der Foto-AG bin. Timothy, mein Englisch-Lernpartner und Andrew, der uns heute zum Blautopf fahren durfte." Maja hatte sich inzwischen aus Andrews Umarmung aufgerichtet. Vor Mama war es ihr dann wohl doch etwas unangenehm. Gut, dass ich auf die Idee mit der Decke gekommen bin.
„Mama, wir haben für dich auch eine Pizza bestellt. Ist im Kühlschrank", meinte Maja. „Danke meine Süße", sagte sie und streichelte meiner Schwester kurz über den Kopf. „Dann lass' ich euch mal in Ruhe weiterschauen." Damit ging sie in die Küche und ließ uns wieder alleine. Maja legte ihren Kopf wieder auf Andrews Schulter. Timothy entspannte sich neben mir auch wieder. Ich spürte es an seinem Händedruck, der sich wieder sanft anfühlte und nicht so, als wollte er gleich flüchten.
Der Film war vorbei. Nur schweren Herzens löste ich meine Hand von seiner und auch er schaute ein bisschen wehmütig auf das Verborgene unter der Decke. Die drei Geschwister packten ihre Sachen zusammen und zogen sich ihre Schuhe an.
Grace stapfte direkt zum Auto. Die letzten 10 Minuten des Films war sie auf dem Sessel eingeschlafen und wollte jetzt schnell in ihr Bett. Maja stand mit Andrew im Hauseingang und tippte gerade ihre Nummer in sein Handy. Timothy saß noch bei uns auf der Treppe und war gerade dabei, seine Schnürsenkel zu binden.
„Wollen wir uns die Woche dann nochmal treffen?" Er schaute verlegen zu mir hoch: „Also ich meine, wir müssen ja noch die Zusammenfassung für Englisch schreiben." Stimmt, ganz vergessen.
„Klar, können wir gerne machen. Bei mir oder bei dir?", fragte ich.
„Gerne bei dir. Meine Eltern arbeiten beide im Homeoffice und ich will sie nicht stören."
„Alles gut, hier haben wir sturmfrei. Bis auf Maja, aber die stört ja nicht."
„Okay, cool. Ach so, wann soll ich morgen eigentlich vor der Halloweenparty zu dir kommen?"
Ich dachte kurz nach: „Hmm, vielleicht so um 17 Uhr? Dann haben wir noch zwei Stunden Zeit."
„Okay, klingt gut. Dann sehen wir uns Morgen wieder." Er sprang von seiner Sitzposition auf. Er stand direkt vor mir und sah mir in die Augen. „Wie fandest du den Film?"
Ich konnte mich an fast nichts davon erinnern: „Ja, ganz gut." Muss mir nachher erst mal den Wikipedia-Artikel dazu durchlesen...
„Schön", meinte er und dann, komplett unerwartet, zog er mich plötzlich zu sich und umarmte mich. Ich stand erst etwas verloren da, doch dann schlang ich meine Arme auch um seinen Körper. Es fühlte sich unglaublich an. Mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Seine Arme und Hände an meinem Körper. Mein Herz, das mit dem in seiner Brust um die Wette klopfte.
„Bis Morgen", flüsterte ich.
Dann löste er sich aus unserer Umarmung: „Bis Morgen!"
-------------------------------------------------------------------------
Aaaaawww wie süß war das denn bitte? *o*
Und als nächstes kommt dann die Halloween-Party. Ihr könnt gespannt sein, ob sich die beiden dort nochmal näher kommen. :D
Also, denkt an das Halloween-Special am 31.10. --> es kommen gleich 9 Kapitel im Laufe des Tages/Abends online und es wird einiges passieren! :O
Die Uhrzeiten gebe ich noch bekannt, also folgt mir gerne, wenn ihr nichts verpassen wollt! :)
Bis dann <3
Eure Elena
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top