Vogelfrei..irgendwie
Da standen nun der drei volle Gläser vor uns und nun rief ich mutig: "Auf einen schönen Abend!". Damit hatte Suzanna nicht gerechnet, freute sich aber insgeheim sehr darüber. Maximilian von..ach ist zu lang, ich rief ihn einfach Max, so wie es Suzanna tat. Die beiden gingen auf die Tanzfläche und man konnte ihnen ihre Lebensfreude anmerken. Es war wirklich nicht zu übersehen, wer hier das sagen hatte.
Und langsam dämmerte es mir, was bei den beiden heute oder besser morgen noch abgehen würde. Ich trug noch immer Suzannas Brille mit dunklen Gläsern, als plötzlich ein etwa fünfzig Jahre alter Mann an meinen Tisch trat. Was würde jetzt passieren? Ich war in Hab-Acht-Verpiss-Dich-Bloß-Wieder-Stellung. Da reichte er mir seine Hand und stellte sich als Samuel van der Brügge vor.
Sollte mir dieser Name etwas sagen? Er setzte hinterher: "Ich bin der neue Clubbesitzer hier." Dann lächelte ich ihn an, nannte aber nicht meinen richtigen Namen. Auf die Schnelle fiel mir aber nur der Name meiner Oma ein: "Ich bin Cleo und mit Suzanna hier!". So dies war überstanden und Herr van der Brügge aus meinem Dunstkreis wieder verschwunden.
Endlich kamen auch Suzanna und Max wieder von der Tanzfläche zurück. " Hört mal ihr beiden, ab heute heiße ich "Cleo", wenn euch jemand nach mir fragt!". Die beiden lächelten und schlürften aus ihren Gläsern. Jetzt war ich dran, Suzanna schleppte mich auf die Tanzfläche. Direkt neben uns tanzte ein Pärchen, auf das ich am liebsten losgegangen wäre. Aber nein, Eifersucht war fortan tabu. Ich musste nur diese total aufgedonnerte Blondine mit den Röckchen, was eher als Gürtel durchgehen konnte, immer wieder mustern.
Und ihre quietschende Stimme war ja noch schwerer zu ertragen. Suzanna machte sich einen Spaß daraus ihren Kerl anzutanzen. Ich musste mich zusammenreißen, um mich nicht zu verraten, spürte förmlich die Blicke ihres Tanzpartners. Später erfuhr ich, dass sie Julia von...heißt, von Beruf Tochter eines Großindustriellen ist. Wer der Kerl war, wusste ich ja, aber wie sah der denn aus? Fassungslos über seinen Anblick verließ ich erst mal die Tanzfläche und musste mich setzen. "Ich brauche erst mal was richtig starkes!", mehr brachte ich nicht heraus.
Doch auch so hatte Max mich verstanden und bestellte mir einen richtig guten Whisky. Woher wusste er das denn? Ich liebte guten alten Whisky und trank ihn zu festlichen Anlässen, die sich aber nicht sehr oft boten. Suzanna kam nun auch wieder zum Tisch zurück, wusste auch so, wie ich mich gerade fühlen musste. "Engelchen, denk an deine Liste!", mehr musste sie mir nicht unter die Nase reiben.
Sie hatte gewonnen, ich rappelte mich wieder auf und ging nun mit Suzanna zur Tanzfläche. Ich begann eng mit ihr zu tanzen und es dauerte nicht lange und wir spürten die ersten lüsternen Blicke. Max kam nun zu uns, tanzte mal mit der einen und mal mit der anderen, genoss es "Hahn im Korb" zu sein. Und immer wieder spürte ich diese neugierigen Blicke in meinem Nacken.
Noch immer hatte ich die dunkle Brille nicht abgenommen, wollte nicht riskieren, erkannt zu werden. Das steckte wohl zu tief in mir drin, mich verstecken zu wollen, obwohl ich das eigentlich gar nicht nötig hatte. Es dauert sicher noch eine Weile, bis auch der letzte Schalter in meinem Kopf umgelegt war. Herrlich, ich konnte die Leute beobachten, aber sie ließ ich noch nicht zu nah an mich heran. Max umschwirrte uns wie die Motte das Licht, obwohl Motten waren wir ja alle nicht, eher wunderschöne Schmetterlinge, die sich aber nicht immer so zeigten.
Suzanna war es ja gewohnt, sich auffällig zu kleiden. Mal sehen, wie lange ich brauchte, um mit ihr mithalten zu können. Und vor allem wie würde es in den nächsten drei Monaten mit mir weitergehen? Gedanken in meinem Kopf, trotzdem voll am tanzen, spürte schon wieder diesen Blick in meinem Nacken. Blickte mich um, konnte aber niemanden erkennen, außer vielleicht...Nein, das glaube ich nicht..."Was hast du?", fragte mich Suzanna. "Ach nichts, vielleicht ist ja nichts, abwarten, der Abend ist ja noch lang..." und stürmte mit ihr wieder zu unserem Tisch und wieder spürte ich diesen bohrenden Blick in meinem Nacken.
Inzwischen waren wir dabei nacheinander ein, zwei...Cocktails in uns hinein zu schlürfen. Irgendwann musste ich dann auch mal in die Porzellanabteilung und wie es bei Frauen üblich ist, ging man dahin zu zweit. Und wieder verfolgte mich ein neugieriges Augenpaar. "Wir sind dann mal kurz...". Hilfe, was für ein Betrieb hier, zu meinen früheren Glanzzeiten gab es das noch nicht. Hier gab es sogar große Räume und Kabinen mit zwei Toiletten nebeneinander, für Freundinnen.
Ich war echt nicht auf so was gefasst und wollte nicht mit Suzanna in eine Kabine beim pinkeln. Da fühlte ich mich nackter als wenn ich nichts anhaben würde. Ein bisschen Privatsphäre wäre dann dabei doch besser. Mein Blick sprach anscheinend Bände: "Süße ich mag das auch nicht, also...", was war ich froh, dass sie da genauso dachte. "Aber es gibt Mädels, die wollen das!", sagte sie und ich trotzig wie ein Kind: "...gehöre nicht dazu!". Das war mehr als deutlich. Was für ein Lärmpegel hier, musste dringend wieder hier weg.
"Was hast du?", fragte sie mich und ich, einfach Schulter zuckend. Was interessieren mich denn die Geschichten der anderen Frauen hier? Ich hatte doch genug mit meinem eigenen Leben zu tun. So einfach war dann der Schnellstart in ein neues Leben und Partyleben doch nicht. Vielleicht musste ich auch erst ein paar Mal hier gewesen sein und vielleicht,... Jetzt ertappte ich mich selbst dabei, wie schon wieder an mir zweifelte. Das war eigentlich nicht Sinn und Zweck gewesen.
Ich stand auf, ging vom Tisch weg und wollte einfach mal kurz vor die Tür. Suzanna hatte das mitbekommen: "Was ist mit dir?", fragte sie nun etwas energischer und ich wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis die Furie in ihr erwachen würde. "Ich fühle mich gerade so fehl hier am Platz, kann noch immer nicht so richtig loslassen!" und war schon den Tränen nahe.
Bloß gut, dass ich diese dunkle Brille trug, so kannten die anderen Gäste nicht sehen, was sich gerade in meinen Augen abspielte. Sie nahm mich bei der Hand und gab dem Clubchef ein Zeichen, der ließ uns hinter einer blickdichten Tür verschwinden. Jetzt konnte ich meine Tränen einfach nicht mehr zurückhalten. "Hast du gedacht, bei mir hat das alles so auf Anhieb geklappt, Süße?", fragte sie mich und ich schüttelte mit dem Kopf.
"Also, genug geheult. Durchatmen, Aufatmen, Krone richten und weiter ins Partygetümmel!". Doch zuvor solltest du dich neu schminken. Sie hatte alles dabei und im Handumdrehen war ich wieder vorzeigbar. Alles dahin gebracht, wo es hingehörte, setzte die Brille wieder auf und wir verließen den abgedunkelten Bereich wieder. Artig bedankte ich mich mit einem Kopfnicken beim Clubchef. "Dafür musst du nachher bloß ein wenig mehr lächeln, ansonsten ist er ein feiner Kerl, das kannst du mir ruhig glauben."
So richtig wollte mir das nicht in den Sinn, aber die Rechnung war ganz einfach: Wenn ich seinen Club unter Tränen verlassen hätte, was hätte das für ein Bild gegeben und sicher hätte sich auch der ein oder andere Gast über mich das Maul zerrissen. Aber so war mir geholfen und auch ihm und seinem Club, der weiterhin in aller Munde war. Außerdem konnte ich ihm später mal neue Gäste mitbringen, wenn ich hier zufrieden war mit dem ganzen Service.
Suzannas Spielgefährte hatte auch keine Langeweile gehabt, sondern war vertieft in ein Gespräch mit einer Rothaarigen. Auch das gehörte zu ihrer beider Spiel, was ich mir bisher nicht vorstellen konnte. Fragen, wollte ich keinen der beiden danach. Das war dann wohl doch ihr Privatleben, was mich nichts anging. Irgendwie musste ich nicht alles sofort wissen, wollte es auch nicht.
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