Der Bote

Es kam wirklich ganz anders für mich...Es klingelte an meiner Tür und draußen stand ein Bote mit einem riesigen Blumenstrauß. Eine Karte war auch dabei. Ich gab dem Boten ein Trinkgeld und wollte, dass er wieder geht. Doch der war hartnäckig: "Ich soll auf eine Antwort warten!", sagte er. Er wollte einfach nicht gehen. Es half nichts, musste in den Umschlag öffnen und las: "Du gefällst mir. D.", schaute den Boten an:

"Und wer ist D.?", fragte ich ihn. "Ich darf Ihnen den Namen nicht nennen, noch nicht!". Verwundert schaute ich ihn an. Der Bote ließ sich nicht erweichen, verriet mir den Namen seines Auftraggebers nicht. Ich schrieb eiligst ein paar Zeilen: "Dankeschön für die Blumen! Wenn du mich treffen willst, solltest du dich schon zu erkennen geben!", mehr schrieb ich nicht.

Er wollte spielen, dann eben das Spiel auf meine Weise. Als Unterschrift malte ich noch ein verschnörkeltes "C" für Cleo, die ich ja nun war. Dann versiegelte ich den Brief und setzte noch einen Kussmund darauf. Jetzt konnte der Bote damit verschwinden und ich hatte hoffentlich endlich meine Ruhe. Ich zermarterte mir das Hirn, wer mir diesen Strauß geschickt haben könnte, kam aber auf niemanden, den ich kannte oder kennen gelernt hatte.

Endlich konnte ich mich wieder in mein Bett verziehen und einfach an nichts denken. Aber mein Kopf spielte da nicht so richtig mit. Immer wieder stellte ich mir vor, wer mich beobachtet haben könnte. Dieser Blick war einfach so durchdringend. Dieses Gefühl war bisher fremd, machte mich irgendwie nachdenklich und neugierig zugleich. Plötzlich hatte ich so richtig Kopfkino: Sah meinen untreuen Ehemann, wie er mit dieser Bitch Julia zugange war. Igitt, augenblicklich war mir kotzübel und ich rannte Richtung Bad.

Wie krieg ich diesen Scheißkerl mal aus meinem Kopf? Ich ging wieder nach oben, griff nach einem guten Buch und versuchte mich damit abzulenken. Eine Weile ging das gut, aber schon wieder dieses Kopfkino. Igitt. Schluss damit: Ich holte mir ein anderes Buch, passend zu meiner Stimmung: "Fifty Shades of Grey". Es lag schon eine ganze Weile in meiner Schublade, war bisher noch nicht zum lesen gekommen. Ich begann darin zu blättern, dann nach den ersten fünfzig Seiten war ich angesteckt, wollte wissen, was mit den beiden passiert.

Ich fasziniert von der Art, wie man mir hier verschiedenste Spielweisen der Liebe erklärte und ich wurde ein bisschen rot dabei, hatte ja bisher keine Ahnung davon. Meine Neugier darauf aber war geweckt worden und ich sah mir nun auch den Film an. Auch dieser lag schon eine ganze Weile hier. Eigentlich wollte ich ihn mir mit Jason gemeinsam ansehen. Aber Jason...der gehörte nicht mehr zu mir, vielleicht nie wieder. Das müssten die nächsten  Monate zeigen.

Beim Ansehen des Films suchte ich Parallelen zu mir selbst, fand sie auch. Ich war genauso wie diese Anastasia Steele, unscheinbar und tolpatschig, trotzdem klug. Irgendwie stolperte auch ich gerade in ein noch unbekanntes Abenteuer, wollte mir Zeit lassen, aber war auch sehr neugierig. Und immer wollte ich Suzanna auch nicht auf den Geist gehen. Es war mir peinlich, dass ich so unwissend war.

Noch während der Film lief, stöberte ich bereits im Internet auf den entsprechenden Seiten herum. Jedes Wort, was mir fremd war, wurde in seine Einzelteile zerlegt, bildlich gesprochen. "Ich bin ja wirklich so was von unwissend auf diesem Gebiet!", schämte mich dafür. Als man Anastasia bestrafte, litt ich mit ihr. Hatte Tränen in den Augen genauso wie sie.

Und bei den Liebesszenen heulte ich wie ein Schlosshund, weil Jason mich in letzter Zeit so richtig Scheiße behandelt hatte. "Würde ich jemals wieder jemanden finden, der mich so liebte wie ich war, mit all meinen Fehlern und Macken?", griff nun wieder zum Buch, stellte fest, dass Buch und Film unterschiedlicher nicht sein konnten. Aber so war das ja immer. Der Film hatte mich nun endlich aus meinem tristen Dasein herausgeholt. Ich hatte nun schon über die Hälfte des Buches gelesen und war fasziniert, mehr und mehr.

Doch nun musste ich endlich mal schlafen, was angesichts dieser Lektüre nicht mehr ganz so einfach war. Ich hatte schon wieder Kopfkino und stellte mir so einiges vor. Nur Vorstellung und Realität sind meist zwei paar verschiedene Schuhe. Am liebsten wäre ich losgezogen, um mir jemanden für diese Nacht zu suchen. Doch das machte dann mein Ego nicht mit. Klar für eine Nacht konntest immer jemanden finden. Nur musste ich mich erstmal damit auseinandersetzen.

Es war halt doch nicht alles so einfach wie ich es mir ausgemalt hatte. Und wieder dachte ich an meinen Verehrer, der sich noch immer nicht zu erkennen geben wollte. Mit einem Wirrwarr in meinem Kopf schlief ich ein und erwachte erst am nächsten Morgen. Ich hatte einfach verschlafen, den restlichen Tag eben, so auch nicht mitbekommen, dass Jason zwischenzeitlich mal hier gewesen war.

Ich fand seine Wäsche vor der Waschmaschine. Das war mir dann doch zu dumm. Bildete der sich etwa ein, ich würde seine Klamotten noch waschen? Nicht mit mir! Wutentbrannt rief ich ihn auf seinem Handy an und hatte eine mir sehr bekannte quietschende Stimme am anderen Ende: "Gib mir mal Jason!" und es dauerte ein wenig, bis ich den Herrn am Hörer hatte: "Was soll das mit deinen Klamotten?", fragte ich. Bevor er auch nur einen Ton zu mir sagen konnte, schrie ich in den Hörer: "Wasch die selbst oder lass das deine Bitch tun!" und dann legte ich sofort auf.

Mein Handy schaltete ich aus, wollte von ihm nicht genervt werden. Das war ja wohl doch ein Fall von hoher Dreistigkeit und ich würde ihn nicht mehr an mich heranlassen. Er sollte genauso leiden, wie ich es die letzte Zeit ertragen hatte. Jason sollte sehen, es ging auch ohne ihn, und dass ich Spaß haben könnte, wann immer ich wollte. Es war also schon klar, dass ich am Wochenende wieder mit Suzanna im Club war. Vielleicht würde sich mein Verehrer endlich zu erkennen geben, sonst würde ich die nächste Karte ausspielen in diesem Spiel.

Und diese würde sicher eine Herausforderung darstellen für ihn. Langsam fühlte ich mich in diesem Versteckspiel zu Hause. Ich bekam alle zwei Tage einen Brief mit ein paar Zeilen und der Bote, der übrigens sehr heiß aussah, wartete geduldig, bis ich meine Antwort geschrieben hatte. Bald war ja Wochenende und dann werden wir ja sehen, wer den längeren Atem in diesem Spiel hat. Ich wollte ihn herausfordern, hatte schon so viele Gedanken in meinem Kopf, wie ich das anstellen konnte. Raus aus meinem Schneckenhaus! Endlich und für immer!







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