37 : DAY NINE
Jaemins Wecker klingelt schon eine Weile, als er endlich davon wach wird. Er drückt ihn trotzdem achtlos weg und dreht sich wieder auf die Seite, aber als er bemerkt, dass Jeno nicht da ist, ist er gleich etwas wacher und dreht sich zurück.
"Jeno?" Müde wie er ist, kommt alles recht verspätet bei ihm an, und so steht Jeno schon in der Badezimmertür, als er realisiert, dass sie davor geschlossen war. Er hat seine Zahnbürste im Mund, kein T-Shirt an und sieht fragend zu Jaemin, der ihn einmal von unten bis oben ansieht, bevor er seinem Blick begegnet und– Oh scheiße, er sieht das ja.
"Jaemin?", schiebt Jeno also noch mit einem Schmunzeln hinterher, während dieser schon knallrot wird.
"Sorry", stammelt er, "du warst nur– weg."
"Ich bin noch da, keine Sorge", lächelt Jeno, "ich muss nur mitlaufen heute."
Jaemin verzieht das Gesicht. "Da war ja was."
"Du hast den Zwang ja nicht mehr."
"Nee." Er reibt sich den Schlaf aus den Augen. "Weckst du mich, wenn du zurückkommst?"
"Klar." Jeno zwinkert ihm zu, ehe er wieder im Badezimmer verschwindet, und auch wenn er eigentlich gar nicht weiß wieso, so zeigt es doch seine Wirkung auf Jaemin; ihm rauscht das Blut in den Ohren, während er sich wieder hinlegt, und es ist ihm ein Rätsel, wie er jetzt noch weiterschlafen soll.
Er hat gerade seinen Wecker neu gestellt, als Jeno aus dem Bad kommt, weshalb er den Kopf in seine Richtung gedreht behält, und als Jeno es bemerkt, kommt er mit einem Lächeln zu ihm.
"Na? Doch nicht mehr müde?"
"Doch." Jaemin muss nur die Hand nach ihm ausstrecken, damit er sich schon zu ihm herunterlehnt und ihn küsst. "Wär nur noch schöner mit dir neben mir."
"Heute Nacht wieder", tröstet Jeno ihn lächelnd, wird dafür aber nur angeschmollt. "Wir finden bestimmt auch noch über den Tag Zeit zum Kuscheln."
"Wann ist dein Spiel?"
"Wieder spät." Jeno zuckt mit den Schultern. "Aber ist ja das letzte."
"Das stimmt." Jaemin dreht sich allein bei dem Gedanken, dass das alles morgen schon vorbei ist, der Magen um, aber er ignoriert es und zieht Jeno stattdessen in noch einen Kuss.
"Ich muss los, Nana."
"Ich weiß." Einen letzten teilen sie noch, dann zieht Jeno sich um und drückt ihm einen Abschiedskuss auf die Lippen, bevor er auch schon aus der Tür ist. Jaemin kuschelt sich wieder unter seine Decke und schläft in wohliger Wärme ein, während sein Zimmernachbar sich auf dem Vorhof mehr oder weniger den Arsch abfriert.
Das ist auch das, wovon Jaemin das nächste Mal wach wird – kalte Arme, die sich um ihn schlingen, und er shriekt leise und versucht vergebens, Jeno von sich zu schieben.
"Jeno, du bist kalt!"
"Ich weiß", murmelt der zurück, "und du bist schön warm."
"Du hättest mich wenigstens vorwarnen können, Himmel." In Jenos Klammergriff gefangen kann er gerade so seine Arme herausziehen und sie um den Älteren legen, der daraufhin das Gesicht an Jaemins Brust vergräbt.
"Sorry."
"Müssen wir nicht essen, Nono?" Jaemin krault ihm dabei durch die Haare, und das in Kombination startet einen Kurzschluss in Jenos Synapsen, sodass er nur ein leises Murren von sich gibt und Jaemin noch fester umarmt, während er bis in die Ohren rot anläuft. Jaemin bemerkt es auch, aber lächelt nur still und fährt weiter durch Jenos Strähnen, bis sein Wecker klingelt.
"Jetzt müssen wir aufstehen, Jeno."
"Will nicht." Mittlerweile ist er wieder aufgewärmt, und das ist eigentlich noch viel mehr ein Grund, liegen zu bleiben, denn außerhalb der Decke ist es so kalt und ungemütlich und Jaemin ist da auch nicht. Aber sein Widerstand bleibt ungeachtet, der Jüngere schiebt ihn von sich und flüchtet ins Bad, bevor Jeno ihn zu fassen bekommt – also rollt er sich beleidigt zusammen und schlingt die Arme um sich selbst. So liegt er auch immer noch, als Jaemin zurückkommt.
"Komm schon, Schmolli, ich hab Hunger." Lächelnd streckt er die Hand aus, als Jeno aufsieht, also steht dieser schnaufend auf und ergreift sie, aber statt zur Tür zu gehen, zieht er Jaemin damit an sich und in einen innigen Kuss, der ihn ganz benommen werden lässt.
"Jetzt können wir", flüstert er danach. Jaemin taumelt ihm wortlos hinterher.
In der Mensa treffen sie auf Felix. Jeno weiß zwar immer noch nicht, was genau passiert ist, aber er bemerkt, dass Jaemin sich anspannt und unbewusst nach seiner Nähe sucht, weshalb er Felix mit dem schärfsten Blick durchbohrt, den dieser deshalb auch sofort vermeidet.
"Hi, Jaemin", stammelt er.
"Hi."
"I-Ich wollte fragen, ob du– vielleicht mal wieder, ähm, bei uns sitzen willst? Vie—Vielleicht könnten wir ja auch nochmal reden, wenn du willst, aber müssen wir nicht?" Felix starrt auf den glatten Fußboden unter ihnen, also kann Jaemin Jeno ansehen, und das so dermaßen rehäugig, der Ältere weiß nicht, ob er ihn lieber an Ort und Stelle küssen oder hochheben und ganz weit wegbringen will.
"Deine Entscheidung", lächelt er, den Drang unterdrückend, Jaemin über die Wange zu streichen.
"Ich weiß nicht", wispert der.
"Du kannst jederzeit gehen und zu mir kommen."
Kurz lehnt er sich an Jenos Schulter. "Okay." Sein Zurücklehnen reicht, damit Felix aufsieht, und so gehen die beiden zusammen zu ihrem Tisch, während Jeno sich wortlos an seinen fallen lässt und die 12 mit Blicken durchbohrt, bis dieser das Gefühl hat, sie in seinem Rücken spüren zu können.
"Ist Jaemin sauer?", fragt Chenle, in sich zusammengesunken wie ein Hund im Regen zurückgelassen, und da kann Jeno doch die Augen von Felix' Rücken nehmen.
"Wie kommst du denn auf die Idee? Seine Leute haben ihre einzelnen Gehirnzellen zusammengeworfen und hatten die Erleuchtung, dass seine Sexualität doch nicht seinen ganzen Charakter definiert, und versuchen jetzt, die non-existente Bindung wieder zu kitten." Schon kehrt sein Blick wieder an den anderen Tisch zurück.
"Gut für sie", murmelt Renjun.
"Ja", presst Jeno hervor. Ob es auch gut für Jaemin ist, hat er noch nicht herausgefunden. Aber in der Zwischenzeit vermittelt er den Roten schonmal, dass sie sich nicht mit ihm anlegen sollten.
"Jeno und du versteht euch gut?", fragt Felix vorsichtig, als nach einer Minute immer noch eisige Stille herrscht. Da hilft es auch nicht, dass Alex am anderen Ende des Tisches sitzt, die Gespräche sind zwar noch da, aber niemand traut sich, zu laut zu sprechen (wohl um ihren Kapitän nicht in die Luft gehen zu lassen), und manche lassen es ganz sein.
"Jap", presst Jaemin hervor. So gut, wir haben uns Dienstag schon geküsst und die letzten beiden Tage sogar miteinander geschlafen. So gut, dass ich das Gefühl habe, übermorgen nicht ohne ihn aushalten zu können. So gut, dass ich mich frage, warum ich meine Zeit noch mit euch und meiner niemals zufriedenzustellenden Mutter verschwende, wenn er mir schon angeboten hat, einfach in sein Team zu wechseln. Und trotzdem sitze ich aus irgendeinem beschissenen Grund mit euch an einem Tisch.
"Er spielt echt gut. Und ein guter Kapitän ist er auch."
"Mhm." Jaemin ist ganz froh über das Saftpäckchen vor ihm, mit dessen Strohhalm er spielen kann. "Sein Team versteht sich allgemein sehr gut."
"Ja, sieht so aus. Du kannst das bestimmt noch besser beurteilen. Schaust du nachher auch zu?"
"Das ist das Finale", brummt der Torwart an Felix' Seite, "ich weiß ja, dass du dich mit ihm unterhalten willst, aber das ist einfach nur noch offensichtlich und peinlich."
Felix wird rot, besonders als Jaemin sich das Grinsen nicht verkneifen kann.
"Um deine Frage zu beantworten, ja, ich schaue zu, und nein, ich will nicht bei euch sitzen, ihr seid anstrengend."
"Und wenn– es nur ein paar von uns sind?" Felix sieht nur kurz zu ihm auf, aber sein Blick ist ehrlich, weshalb Jaemin den Strohhalm ins Saftpäckchen sticht und sich zurücklehnt.
"Kommt drauf an. Ich überleg's mir."
Finn lehnt sich gegen Felix' Schulter und wuschelt ihm durch die Haare. "Kann ich dich was fragen, Jaemin?"
"Ich muss es ja nicht beantworten."
"Stimmt", grinst der Torwart. "Warum hängst du mit Jenos Team ab?"
"Weil er ein guter Kapitän ist und sie alle den Anstand haben, mich nicht nur als eine Schwuchtel zu sehen?" Jetzt wünscht Jaemin sich doch wieder an Jenos Seite zurück, aber er hält den Kopf aufrecht und greift das Päckchen fester.
"Fair. Oh wait, das ist auch voll die blöde Frage, ihr seid ja zusammen in einem Zimmer." Seiner Mimik nach hatte er das tatsächlich vergessen, aber Felix rammt ihm trotzdem den Ellbogen in die Seite.
"Bin ich übrigens voll neidisch drauf", er deutet neben sich, "ich würd alles tun, um die Stinkbomben nicht ertragen zu müssen."
"Na hör mal", empören sich gleich die nächsten beiden Sitze nach rechts, aber er und Jaemin teilen ein leichtes Grinsen miteinander, also ist es das wert.
"Jaemin", er blickt auf und in Jenos dunkle Augen, "wir wollten noch... wegen der Pizza reden. Und wenn du auch welche willst..." Er nickt leicht zur Seite, ohne den Blick abzuwenden, und Jaemin braucht einen Moment, um zu der Realisation zu kommen, dass er keinen Gedächtnisverlust hat und Jeno ihm nur einen Vorwand schafft, um von seinen Teamkameraden wegzukommen.
"Ach ja", platzt er heraus, "hatte ich schon wieder vergessen. Sorry", wendet er sich an Felix, "aber wir sehen uns ja nachher noch."
Sofort hellt sein Gesicht etwas auf. "Okay! Bis nachher dann?"
"Jup. Bis dann." Finn nickt ihm noch zu, dann steht er schon auf und geht möglichst unhektisch um den Tisch herum zu Jeno, von wo sie sofort weiter Richtung dessen Tisch gehen.
"Sorry", sagt der Ältere gedämpft, "du sahst gestresst aus. Alles okay?"
Jaemin will ihn küssen. "Ja. Danke trotzdem. Es war schon okay, aber– Stress stimmt schon, ja."
"Und warum bis nachher? Habt ihr Training?"
"Nee, wir wollen beim Finale zusammen sitzen."
Jeno bleibt abrupt stehen und wendet sich ihm zu. "Das sind mindestens neunzig Minuten. In denen ich dich nicht rausholen kann, wohlbemerkt."
Jaemin wird ganz weich. "Und es ist lieb von dir, dass du dir darum Gedanken machst, aber ich schaff das."
"Ich trau ihm nicht", flüstert Jeno. "Er hat die Rückennummer 12, das ist... viel zu teilbar."
"Zu–" Jaemin bricht in Lachen aus. "Du bist süß, Jeno, echt. Ich kenn meine Mannschaft, okay? Felix ist echt harmlos."
"Okay." Jeno kratzt sich verlegen am Kopf und setzt sich wieder in Bewegung. "Glaub ich dir, ich mein ja nur."
"Ich weiß. Danke, Nono."
"Halt die Klappe", murmelt er, während ein Rotschimmer durch seine Wangen zieht, und Jaemin nimmt glucksend seinen altbekannten Platz ein.
13.10.2022
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