19 : DAY FIVE
4:1.
Die Stimmung in der Kabine ist fantastisch. Jeno vergisst, wie fertig er von den neunzig Minuten auf dem Platz ist, sie ist ansteckend, und er macht sogar in dem Hüpfkreis mit, obwohl ihm seine Füße wehtun.
Frisch geduscht und in gemütlichen Klamotten ist es aber gleich schon besser, er lässt sich von Donghyuck unterhaken und trotz der Mittagssonne führt der Jüngere ein kleines Tänzchen auf, bis die Hälfte der Mannschaft mitmacht und sie sich vor Lachen nicht mehr halten können.
"Bitte einmal durchzählen, Jungs!", dröhnt der Trainer über ihr Gelächter hinweg.
"Eins", fängt Jeno an und fischt sein Handy aus der Hosentasche.
Nana :) steht ganz oben, dafür ignoriert er sogar das Tomatenmark und seine Schwester, öffnet die Nachricht sofort.
Ich bin schon vorgegangen, nimm's mir nicht übel 👉👈 ihr sollt euch schön über euren Sieg freuen, und du redest dann bloß wieder mit mir 😠
Ihr habt soo gut gespielt Jeno 😧 4:1 ist ja sowieso schon mega beeindruckend, aber also wow 😧 da hab ich vielleicht doch ein bisschen Angst vor euch 😧
Und ich glaub, ich komm heute nicht zum Mittag, sorry 🙁 ist mir nicht so nach. Ich such mir was anderes oder so, keine Ahnung
Ich lass deine Jacke im Zimmer :)
"Hast du gehört?", grinst Chenle, rempelt ihn an.
"Was? Warte mal kurz, Lele." Jeno muss ihn von sich schieben, tippt hastig eine Nachricht zurück.
du hättest ruhig mit uns kommen können, aber alles gut :) danke, ich bin ehrlich gesagt auch voll überrascht, dass wir so gut waren, aber muss an deinen aufbauenden Worten gelegen haben :)) deine Angst ist berechtigt >:)
du kannst meine Jacke ruhig anbehalten, ich brauch die gerade eh nicht... aber wenn du unterwegs bist, ist es vermutlich besser drum :p nimm doch mal deine eigene, statt deines Hoodies
sag Bescheid, wenn du wieder zurück bist, ich bin schon so an dich gewöhnt, ich vermiss dich schon 😭 :)
"Jeeenoo", jault Chenle, also schickt dieser die Nachricht ab und wirft ihm einen genervten Blick zu.
"Was?"
"Wir wollen heute Nachmittag eine Stadttour machen, du taube Nuss!" Erneut wird Jeno angerempelt, Chenle quietscht, als er ihn dafür unter den Arm klemmt.
"Schön, freut mich, aber ich hab jetzt erstmal Hunger, also halt die Klappe."
"Luft", ächzt Chenle, aber Jeno lässt ihn rechtzeitig los, und sein Taumeln ist nur geschauspielert.
↯
"Hast du zugeschaut?"
"Hi, Jaem, auch schön, von dir zu hören. Was hab ich geschaut?"
"Das Spiel eben. Hast du?" Jaemin klammert sich fester an sein Handy, schiebt die andere zitternde Hand in die Hosentasche.
"Ich hab mal reingeschaut, ja. Wieso?"
"Hast du Jeno gesehen?"
"Darf ich dich daran erinnern, dass ich nicht weiß, wie er aussieht?"
"Steht doch in der Aufstellung." Jaemin fährt sich über das Gesicht. "Ji, ich–"
Stille. Er wischt sich über die Augen.
"Was ist passiert, Jaem?" Die Besorgnis macht es noch viel schlimmer, er presst die Lippen aufeinander.
"Er ist Kapitän, ja?" Einmal tief durchzuatmen hilft leider nicht so viel, wie Jaemin sich erhofft hatte. "Und seine– seine Binde ist– ein Regenbogen."
"Oh."
"Ja, oh. Und jetzt hab ich so viele Gedanken, Ji, ich weiß nicht mal, wo ich anfangen soll, damit du mir beim Entwirren helfen kannst, und ich steh hier nur blöd rum in unserem Zimmer und schieb Panik, dass Jeno gleich reinkommt und mich so sieht und, und–" Auch wenn er sich sofort die Hand vor den Mund schlägt, schluchzt er doch auf, und es fühlt sich so erbärmlich an, dass er gleich noch mehr weint. "Ich meine, wie traurig ist das denn bitte?"
"Erstmal atmest du durch, okay? Kannst du nicht ins Bad gehen? Oder raus?"
Jaemin wählt das Badezimmer. "Damit ich auf der Straße ein Mental Breakdown hab?"
"Okay, seh ich ein. Fang vorne an."
"Es gibt kein vorne."
"Okay. Dann mit dem Schlimmsten."
"Ich heule gerade in Jenos Jacke."
Es tut Jisung fast ein bisschen leid, dass er lachen muss. "Das ist nicht das Schlimmste, Jaem, die kann man waschen."
"Nein, aber Ji, ich hab gesagt, ich geb sie ihm zurück, aber ich will nicht. Aber er hat sie mir ja nur gegeben, weil mir kalt war im Stadion, also will er sie zurückhaben, und ich brauch sie auch nicht mehr, und außerdem ist es auch erst wegen Jeno, dass ich weine, also ist es noch schlimmer."
"Es ist überhaupt nicht schlimm. Das ist okay, Min. Solange du dir nicht die Nase mit seinen Ärmeln putzt?"
"Bist du blöd?" Jaemin schnieft. "Er kam zu mir, weil er so Lampenfieber hatte, er hat sogar gezittert, und ich hab ihn beruhigt und weil mir kalt war, hat er mir dann einfach so seine Jacke gegeben und dann kommt er mit dieser blöden Regenbogenbinde, weißt du, und die haben alle gesehen, und die– Mein Team–"
"Sie denken, dass er schwul ist, und weil er dein Zimmernachbar ist, sind sie wieder zu Hurensöhnen geworden, alles klar."
"Noch nicht, Ji. Aber ich hab so Schiss davor. Ich sitz ja beim Essen immer bei Jenos Team, ja, und gestern kam auch schon einfach Alex zu mir und– Keine Ahnung, was er eigentlich wollte, der scheiß Bastard, Jeno hat ihn verscheucht, aber wenn wir morgen spielen, da bin ich allein, und eigentlich macht mir das nichts mehr aus, weißt du, weil die halt so sind und sie sind einfach grenzdebile Kackbratzen, aber momentan– Ich bin so gestresst, ich weiß auch nicht, ich kann das einfach nicht."
"Oh Mann, Jaem", sagt Jisung leise, "das ist so scheiße. Ich hoffe, dass ihr rausfliegt."
"Ich auch." Jaemin schließt die Augen. "Jetzt noch mehr als sowieso schon."
Er hört die Zimmertür aufgehen, presst sofort hastig den Stummschalter und lauscht auf Jenos Schritte.
"Jaemin?" Sofort verwischen ihm Tränen die Sicht, er blinzelt sie weg. "Du hast den Schlüssel schon wieder stecken lassen."
"Sorry." Es reicht nicht, um Jeno von sich fernzuhalten, seine Schritte kommen an die Badezimmertür.
"Muss ich mir jetzt immer Sorgen machen, wenn das passiert?" Jaemin kann sein sanftes Lächeln hören und will sich eigentlich stehenden Fußes in Tränen auflösen.
"Nein. Ich bin okay, ich– Ich telefonier nur."
"Okay. Sicher, dass du nicht zum Essen kommen willst?"
"Ja. Ich brauch– Ich brauch frische Luft."
"Okay." Er ist sich nicht sicher, ob Jenos Seufzen nicht Einbildung ist. "Wir sind heute Nachmittag unterwegs, ich weiß nicht, wie lange. Meld dich zwischendurch, damit ich weiß, dass du nicht verloren gegangen bist, okay?"
"Okay." Jaemin schnieft. "Danke."
"Und wofür?" Jenos Stimme ist wie eine Umarmung. Jaemin klammert sich an seine Jacke. "Dass ich verschwinde?"
Jaemin muss lachen. "Ja, das auch. Hab ich endlich meine Ruhe vor dir."
"Ha ha", macht Jeno zurück, aber grinst auch. "Bis nachher, Nana."
Sofort sind die Tränen wieder zurück. "Bis dann."
Zwei Sekunden herrscht Stille.
"Jaem", tönt Jisung leise an sein Ohr, Jaemin blickt auf sein Handy und merkt, dass das Stummstellen nicht geklappt hat, "hat er dich gerade Nana genannt?"
08.08.2022
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