Kapitel 42 - Winston
Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass sie drei - Holly, Ally und er - zusammenhielten. Auch wenn sie hin und wieder stritten, waren sie doch drei Ausreißer, die nur einander hatten.
Nachdem Winston sich nach dem Rauswurf bei seinen Eltern eine ganze Zeit allein durchgeschlagen hatte, konnte er sich nun ein Leben ohne Ally und auch ohne Holly, die ihm Sturm sein Herz erobert zu haben schien, nicht mehr vorstellen.
„Da! Ich sehe das Gipfelkreuz!", rief Holly auf einmal und riss ihn so aus seinen Gedanken. Winston hob den Blick und tatsächlich erkannte er in einiger Entfernung, umgeben von Schnee das Gipfelkreuz. Tatsächlich war es hier oben ein wenig kühler geworden und hin und wieder waren noch kleine Häufchen Schnee liegen geblieben.
„Wir haben es fast geschafft", sagte er und beschleunigte unwillkürlich seine Schritte. Er war den ganzen Weg über hinter Holly geblieben, aber nun überholte er sie, getrieben vom Adrenalin. Sein Atem beschleunigte sich und er spürte das Brennen seiner Waden, aber er wollte unbedingt den Gipfel erreichen. Es war ein schönes Gefühl der Euphorie, das er spürte und er liebte dieses Gefühl.
Das letzte Stück wurde deutlich steiler und er musste über den Felsen klettern. Mit letzter Kraft drückte er sich hoch und stemmte sich mit dem Knie auf die kleine Gipfelplattform. Erschöpft ließ er sich auf den schneebedeckten Boden fallen, der sich sofort nass durch sei T-Shirt sog, aber es störte ihn nicht, ganz im Gegenteil.
„Win", hörte er Ally und eilig erhob er sich und sah über die Kante. Die beiden Mädchen war zu klein und zu schwach, um das letzte Stück allein zu schaffen. Er hielt Ally die Hand hin und zog sie nach oben, während Holly sie hochdrückte.
„Wahnsinn!", rief sie, drehte sich mit ausgebreiteten Armen einmal um sich selbst und ließ sich unerwartet elegant in den Schnee fallen. Winston wandte sich jedoch wieder Holly zu, um auch ihr hochzuhelfen. Sie streckte ihm bereits die Hand entgegen und gemeinsam beförderten sie auch sie noch oben. Er hielt noch immer ihre Hand, als sie sich aufrichteten.
„Wir haben es geschafft", rief er aus, umarmte Holly fest und zog anschließend auch Ally in seine Arme. Holly lachte und er spürte, wie sie sich an seine Brust schmiegte.
„Lasst uns ein Foto machen!", schlug Ally vor, zog ihr Handy aus ihrem Rucksack und stellte sich vor das Gipfelkreuz.
„Na kommt schon", forderte sie und erst da realisierte Winston, dass er noch immer Hollys Hand hielt. Eilig ließ er sie los und folgte Ally zu dem großen Holzkreuz. Er stellte sich neben sie, legte ihr einen Arm um die Schulter und bedeutete Holly mit einer Handbewegung, dass sie auf seine andere Seite kommen sollte. Sie gehorchte und schlang den Arm seine Mitte. Ally hielt das Handy von sich weg und knipste gleich ein paar Fotos, sodass hoffentlich eines dabei sein würde, auf dem niemand die Augen zu hatte. Ally lachte, offensichtlich war sie genau so euphorisch wie er selbst.
„Wir können wirklich stolz auf uns sein! Wer hätte gedacht, dass wir das jemals schaffen würden!", rief sie aus, aber Winston kicherte.
„Allison, wir sind nicht auf dem Mount Everest", sagte er, was ihr Grinsen sofort verschwinden ließ. Sie zog eine Schnute und äffte ihn nach.
„Musst du immer meine gute Laune kaputt machen, du Blödmann?", beschwerte sie sich, ließ dann aber den Blick durch die Landschaft schweifen. Auch Winston sah sich um und auch wenn sie noch lange nicht auf dem höchsten Berg waren, konnte man gefühlt bis in die Unendlichkeit sehen. Die karge, trockene Wüstenlandschaft wich in weiter Ferne ein paar grünen Stellen, was absolut atemberaubend aussah.
„In welche Richtung liegt Cooper Town?", wollte Holly wissen und Winston sah kurz in den Himmel, um den Sonnenstand zu überprüfen. Anschließend deutete er in Richtung Süden.
„Ungefähr da", sagte er und bemerkte, wie Holly in die Richtung sah.
„Und, siehst du unser Haus?", fragte er, was ihm einen strafenden Blick von ihr einhandelte.
„Ich habe Hunger", sagte Ally auf einmal und zog den Reißverschluss ihres Rucksacks auf. Winston grinste und verdrehte die Augen.
„Meine Güte, du bist wie ein kleines Kind. Ich habe Hunger, ich muss Pipi, wann sind wir da?", zählte er auf, doch Ally schüttelte nur den Kopf.
„Ich habe nicht ein einziges Mal gefragt, wann wir da sind. Aber Pipi muss ich auch", erwiderte sie und Winston hörte, wie Holly neben ihm lachte.
„Ich auch", sagte sie und Winston hob ergeben die Hände.
„Gut, ich drehe mich um", sagte er und schlenderte ein paar Schritte weg.
„Wir gehen da hinter den kleinen Schneehügel", hörte er Ally sagen.
„Wir sind seit wir hier angekommen sind noch keiner Menschenseele begegnet", brummte er, denn tatsächlich waren sie auf dem Campingplatz ganz allein. Noch nicht einmal auf dem Weg waren sie anderen Wanderern begegnet.
„Ja, weil niemand anders so bescheuert ist, im Hochsommer bei 40 Grad wandern zu gehen", rief Ally, doch Winston winkte nur ab. Dieses Hin und Her mit ihr machte Spaß, aber es war irgendwann auch anstrengend.
Nach wenigen Minuten kamen die Mädchen wieder zu ihm und er spürte, wie Holly seinen Blick suchte. Er erwiderte ihn und lächelte schüchtern, bis sie ihre Arme um ihn legte und sich an ihn schmiegte.
„Danke, dass ihr mich in euren Kreis aufgenommen habt", sagte sie leise, woraufhin Winston die Umarmung erwiderte.
„Hätten wir es nicht getan, hätte ich es sehr bereut", sagte er und bevor er wusste, was er da tat, drückte er ihr einen Kuss auf den Kopf.
„Hier, ich habe Erdnussbutterbrote", sagte Ally, während sie an ihnen vorbeiging und sich an die Kante des Plateaus setzte.
„Nicht runter fallen", rief Winston und meinte es dieses Mal tatsächlich ernst.
„Keine Angst, so lange kein Berglöwe kommt und mich schubst, falle ich nicht", erwiderte sie und fing an, sich über ihre mitgebrachten Brote herzumachen. Winston wandte sich wieder Holly zu, die noch immer in seinen Arm lag.
„Na komm, setzen wir uns zu ihr", sagte er leise, woraufhin Holly sich von ihm löste und sich neben Ally an die Kante setzte. Winston ließ sich wiederum neben Holly nieder und hielt die Hand auf, damit Ally ihm auch eines der Brote gab.
„Die Erdnussbutter ist ganz geschmolzen", sagte sie, doch es war schon zu spät, denn seine Hand war über und über mit verflüssigter Erdnussbutter voll.
„Hm", brummte er und spürte auf einmal, wie Ally sein Handgelenk packte und seine Hand näher zu sich zog. Bevor er wusste, was sie da tat, leckte sie ihm über die Handfläche.
„Iiieh, Allison!", beschwerte er sich, lachte aber gleichzeitig.
„Oh ich will auch", rief Holly aus, nahm nun anstelle von Ally seine Hand in ihre und machte es Ally nach.
„Hört auf damit!", lachte Winston, zog seine Hand weg und wischte sie an dem Schneehaufen neben ihm ab.
„Ihr seid bescheuert", sagte er, dann verfielen sie in Schweigen.
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