Kapitel 28 - Holly
Am nächsten Morgen wachte Holly von einem Klappern auf, das aus der Küche zu kommen schien. Verschlafen blinzelte sie, rieb sich die Augen und schlug die Decke zurück.
Sie hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es war und sie tastete nach ihrem Handy, das unter ihrem Kissen lag. Es war erst halb sieben und sie wunderte sich, dass jemand schon um diese Uhrzeit in der Küche hantierte.
Sie seufzte, drehte sich noch einmal um und versuchte, wieder einzuschlafen. Allerdings drängten sich unweigerlich die Erinnerungen an den vergangenen Abend in ihr Hirn.
Allys Misstrauen war zwar durchaus begründet, immerhin verschwieg sie ihr und Winston ihre wahre Vergangenheit, aber dennoch war sie verletzt, dass Ally deswegen ihre ganz Freundschaft in Frage stellte. Sicherlich kannten sie sich noch nicht lange, aber zwischen ihnen hatte direkt eine Verbindung bestanden, sodass es sich anfühlte, als kannten sie sich schon ewig.
Holly schloss die Augen und versuchte, Ally aus ihren Gedanken zu verbannen. Immerhin schien Winston in dieser Sache auf ihrer Seite zu sein, auch wenn er und Ally unzertrennlich wirkten.
Plötzlich riss sie ein aufgeregtes Klopfen an ihrer Zimmertür aus ihren Gedanken. Sofort war sie auf den Beinen und eilte zur Tür. Es klopfte unablässig und als sie die Tür ein Stück öffnete, sah sie in Allys strahlendes Gesicht. Auch wenn ihr Grinsen normalerweise ansteckend war, erwiderte sie es heute nicht.
„Was?", fragte Holly unfreundlicher als nötig und verschränkte die Arme vor der Brust. Allys Blick wanderte für eine Sekunde verunsichert nach unten, doch schnell sah sie ihr wieder direkt in die Augen. Offensichtlich hatte sie heute bessere Laune als gestern Abend.
„Komm, ich habe dir Frühstück gemacht", sagte Ally und deutete mit dem Daumen über die Schulter in Richtung Küche. Erst da bemerkte Holly den verlockenden Duft von Pancakes. Sollte das etwa so etwas wie eine Entschuldigung sein?
Misstrauisch sah sie Ally an. Diese schluckte schwer, schob sich nervös das Haar hinters Ohr und trat von einem Fuß auf den anderen.
„Holly, ich... ich wollte mich entschuldigen. Ich habe mich dämlich benommen", sagte Ally matt und Holly sah ihr am Gesicht an, dass sie es tatsächlich ernst meinte. Dennoch blieb sie hart, zumindest für ein paar Sekunden. Allys Atem ging hektisch und aufgeregt.
„Bitte verzeih mir. Ich war nur so neugierig, woher du kommst und warum du von zu Hause weg bist und... als du nichts darüber erzählen wolltest, ist meine Fantasie mit mir durchgegangen", plapperte sie weiter.
Holly nickte. Sie wusste, dass Ally es nicht böse gemeint hatte und tatsächlich war ihr plötzlichen Auftauchen hier im hintersten Winkel von Texas ohne einen Job oder eine Wohnung durchaus merkwürdig.
„Und vielleicht war ich auch ein wenig eifersüchtig, dass Winston dich anscheinend mehr mag als mich", fuhr sie fort und öffnete schon wieder den Mund, um noch etwas zu sagen. Eilig hob Holly die Hand.
„Entschuldigung angenommen", sagte sie, was Ally innehalten ließ, bis sich ein Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete.
„Echt? Ich meine... ist dann alles wieder gut zwischen uns?", fragte sie und als Holly nickte, quiekte sie vergnügt.
„Aber bitte frag mich nicht mehr über meine Vergangenheit. Ich will damit abschließen, ein neues Leben anfangen", sagte sie und sofort nickte Ally.
„Okay, versprochen", sagte sie, allerdings hatte Holly das Gefühl, dass Ally ihr in diesem Moment alles versprechen würde. Holly sah ihr noch einen Moment lang tief in die Augen, dann löste sie ihre Arme aus der verkrampften Haltung und lächelte ebenfalls.
„Es riecht nach Pancakes", sagte sie und sofort nickte Ally.
„Ja, ich dachte eine kleine Wiedergutmachung ist angebracht. Vor allem da wir die nächsten zwei Nächte zusammen in einem Zelt schlafen", sagte sie und erst da fiel Holly wieder ein, dass sie heute Abend in den Nationalpark fahren würden.
„Du hast recht. Wir sind doch Freundinnen. Vergeben und vergessen?", fragte sie und bevor sie reagieren konnte, fiel Ally ihr um den Hals. Holly entfuhr ein erschrockenes Geräusch, doch dann erwiderte sie die Umarmung.
Sicherlich war Ally anstrengend und sprunghaft, aber die gehörte nun einmal zu ihrem neuen Leben, also würde sie sich bemühen, dass ihre Freundschaft funktionierte.
Allmählich löste Ally sich wieder von ihr, griff nach ihrer Hand und zog sie in die Küche. Als Holly die riesige Menge an Pancakes auf dem Tisch sah, lachte.
„Ally, wer soll die denn alle essen?", fragte sie, denn auf dem Tisch stapelten sich bestimmt 30 Pancakes.
„Du kennst Winston nicht, sein Magen ist ein schwarzes Loch", sagte sie und als hätte Winston gehört, dass sie seinen Namen gesagt hatte, riss er seine Zimmertür auf.
„Was ist hier los?", fragte er, grinsend und gutaussehend wie immer. Holly zuckte erschrocken zusammen, doch als sie sein strahlendes Gesicht sah, konnte sie nicht anders, als auch zu lächeln.
Winston kam auf sie zu, ging jedoch ohne sie weiter zu beachten an ihr vorbei und setzte sich an den Tisch.
„Wer ist denn für diesen Pancake-Berg verantwortlich?", fragte er und sah nun endlich zu ihr, dann jedoch zu Ally, auf der auch sein Blick hängen blieb. Beinahe lasziv lehnte sie sich von der anderen Seite des Tisches zu ihm herüber und grinste.
„Das war wohl ich", sagte sie, ließ sich auf ihrem Stuhl nieder und nahm sich einen Pancake. Holly ging die letzten Schritte zum Tisch und setzte sich neben Ally, doch sie suchte Winstons Blick.
Er war gestern Abend so nett zu ihr gewesen und sie war sich sicher, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Unwillkürlich dachte sie an seine Berührung zurück und wie sie seine Hand gegriffen hatte. Es war ein schönes Gefühl gewesen, aber so lange Ally nicht über Winston hinweg war, würde sie nicht zulassen, dass sie und Winston sich näher kamen. Zumindest nahm sie sich das fest vor.
Holly nahm sich ebenfalls einen Pancake und bemerkte erst da, dass Winston sie eindringlich ansah. Er wirkte unsicher und es war klar, dass er ihr irgendetwas sagen wollte, das sie nicht begriff.
Sie lächelte ihn an und reichte ihm anschließend die Gabel, mit der sie sich einen der Pancakes genommen hatte. Er nahm sie und berührte dabei kaum merklich ihre Finger. Holly durchzuckte es wie ein Blitz, denn das war sicherlich keine zufällige Berührung.
Verunsichert zog sie ihre Hand zurück und sah zu Ally, die davon nichts mitbekommen zu haben schien. Holly wandte sich nun auch ihrem Teller zu und fing an zu essen.
Sicherlich würde Winston mit ihr über die Versöhnung mit Ally reden wollen und komischerweise wollte sie das auch. Allerdings wäre es ihr lieber, wenn Ally davon erst einmal nichts mitbekam.
„Mädels, heute Abend geht's zum Camping!", verkündete Winston und fing nun auch an, sich das Essen in den Mund zu schaufeln. Holly lachte und ließ sich von seiner Vorfreude auf den bevorstehenden Ausflug anstecken.
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