Kapitel 27 - Winston
Winston fühlte sich aufgekratzt und er war wütend auf Ally. Was war nur in sie gefahren? Sicherlich war er auch neugierig, was Holly dazu gebracht hatte, hier her zu ziehen, aber er würde sie niemals dazu drängen, es zu erzählen.
Sein Blick wanderte zu Holly, die neben ihm auf der Rückbank saß und gedankenverloren aus dem Fenster sah. Sie weinte nicht mehr, aber es war eindeutig, dass sie traurig war.
Winston hatte das drängende Gefühl, sie zu trösten und ihr zu zeigen, dass sie trotz Allys blödem Verhalten hier willkommen war und er sie mochte. Vorsichtig streckte er die Hand nach ihr aus, doch noch bevor er sie erreichte, drehte Holly den Kopf zu ihm herum und sah ihn beinahe erschrocken an.
Winston hielt in seiner Bewegung inne, suchte aber ihren Blick, den er überraschend schnell fand. Eine ganze Weile sahen sie sich an, bis Holly den Blick wieder aus dem Fenster richtete.
Genau in diesem Moment parkte Ally in der Einfahrt, schaltete den Motor aus und stieg aus. Winston und Holly folgten ihr und er bemerkte, dass Ally etwas unschlüssig herumstand und zu Holly sah. Die allerdings umklammerte den Riemen ihrer Handtasche und marschierte ohne zurück zu sehen zur Haustür, zog ihren Schlüssel hervor und schloss auf. Sie ließ die Tür offen stehen, aber sie verschwand direkt in Richtung ihres Zimmers.
Winston warf einen Blick zu Ally, die vollkommen geschockt aussah, so als würde ihr erst jetzt bewusst werden, dass sie an dieser ganzen Misere Schuld war.
Er entschied sich, Holly zu folgen und so ging er an Ally vorbei geradewegs in Haus. Von Holly war schon nichts mehr zu sehen, da aber ihre Zimmertür geschlossen war, nahm er an, dass sie dort drin war.
Er kickte seine Schuhe von den Füßen, ging zu ihrem Zimmer und klopfte. Wie erwartet kam keine Reaktion, also öffnete er die Tür einen Spaltbreit und sah hinein.
Holly lag im Bett, die Beine mit den Armen umklammert und ihr Blick ging ins Leere.
„Kann ich rein kommen?", fragte er, woraufhin sie kaum merklich nickte. Winston schlüpfte ins Zimmer, schloss die Tür und trat langsam zu ihr ans Bett. Erst da bemerkte er, dass sie noch ihre Schuhe trug.
Winston setzte sich ans Fußende ihres Bettes und streife zögernd ihre Schuhe von ihren Füßen. Komischerweise pochte sein Herz dabei unendlich schnell und wieder spürte er das Bedürfnis, Holly zu trösten und sie in den Arm zu nehmen.
Ihre Schuhe fielen mit einem in der Stille ohrenbetäubenden Geräusch zu Boden und irgendwie landete Winstons Hand auf ihrem Fuß. Seine Haut berührte ihre und er spürte die Wärme, die von ihr ausging.
Er hörte, wie sie scharf die Luft einzog und ihm anschließend ihren Fuß entzog. Winston schluckte, zog aber seine Hand zurück und sah sie zögerlich an.
Inzwischen dämmerte es draußen, doch er erkannte das Glänzen ihrer Augen in dem schwachen Licht.
„Es tut mir leid, dass der Abend so ein Reinfall war", sagte er und endlich hob Holly den Blick und sah ihn an. Ein wenig ungeschickt setzte sie sich auf, sodass sie im Schneidersitz saß. Ihr Blick war nach unten auf ihre Hände gerichtet und sie fing an, mit ihren Fingern herumzuspielen.
„Es war nicht deine Schuld", sagte sie, doch ihre Stimme hörte sich merkwürdig belegt an. Winston seufzte.
„Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen", erwiderte er, was Holly tatsächlich, wenn auch freudlos, auflachen ließ.
„Musst du nicht, wirklich nicht. Ich bin nicht sauer auf dich", sagte sie und auch wenn Winston eigentlich wusste, dass er nichts falsch gemacht hatte, beruhigten ihn diese Worte.
„Ich rede noch mal mit Ally. Sie kriegt sich schon wieder ein", sagte er, doch Holly schüttelte energisch den Kopf.
„Nein, sie soll ohne dein Drängen einsehen, dass sie sich heute nicht wirklich gut verhalten hat", sagte Holly eindringlich, was Winston zusammenzucken ließ. Zerknirscht sah er sie an.
„Ally braucht manchmal einen kleinen Schubs in die richtige Richtung", sagte er, doch Holly schüttelte wieder den Kopf.
„Nein, halt du dich da raus. Entweder sie kommt von selbst auf die Idee oder eben nicht", sagte sie trotzig. Winston nickte ergeben, setze dann aber ein Lächeln auf und stupste sie am Knie an.
„Aber die Spareribs waren wirklich lecker, habe ich recht?", wechselte er das Thema, denn sicherlich würde es Holly gut tun, mal nicht über Ally nachzudenken. Sie kicherte.
„Ja, sie waren wirklich gut", gab sie zurück, entspannte sich sichtlich und endlich huschte ein echtes Lächeln über ihr Gesicht.
„Vielleicht könnten wir bald noch mal dorthin gehen. Ich meine... nur wir beide", sagte Winston, presste sich aber kaum dass es raus war, die Hand vor den Mund.
Holly riss überrascht die Augen auf. Ein wenig verwirrt sah sie ihn an, bis sie kaum merklich nickte und verlegen den Blick senkte.
Winston spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Wieso war das nur aus ihm herausgekommen? Das klang doch so, als wollte er sie nach einem Date fragen.
„Als Freunde, meine ich", setzte er schnell nach, was Holly den Blick wieder heben ließ. Sie sah ihm so direkt in die Augen, dass er sich fühlte, als könnte sie geradewegs in sein Innerstes sehen. Zaghaft erwiderte er den Blick und wieder beschleunigte sich sein Herzschlag. Holly übte eindeutig eine Anziehungskraft auf ihn aus, es jetzt noch zu leugnen war sinnlos.
„Natürlich nur als Freunde. Immerhin ist Ally in dich verliebt und sie würde ausflippen, wenn...", setzte Holly an, brach aber mitten im Satz ab, seufzte und betrachtete wieder ihre Hände, als seien sie das Spannendste auf der Welt.
„Wenn was?", fragte er leise, doch Holly machte nur eine wegwerfende Handbewegung.
„Bitte, sag es mir", flehte er beinahe, denn auch wenn er sich noch nicht wirklich sicher war, ob er wirklich Gefühle für Holly entwickelte, wollte er wissen, wie sie dazu stand. Womöglich ging es ihr genau so wie ihm. Holly spannte sich sichtlich an und vermied es, ihn anzusehen.
„Wenn sie wüsste, dass ich mich vielleicht auch ein wenig in dich verguckt habe", sagte sie und Winston glaubte, sein Herz würde gleich aus seiner Brust springen.
Fühlte es sich so an, verliebt zu sein?
Unwillkürlich streckte er die Hand aus und berührte sanft ihr Knie. Ihre Haut fühlte sich weich und ein wenig kühl an.
„Holly... ich...", stammelte er, denn auch wenn er normalerweise auf alles eine blöde Antwort hatte, fiel es ihm schwer, über seine wahren Gefühle zu reden.
Da tat sie auf einmal etwas vollkommen Unerwartetes. Sie legte ihre Hand auf seine und drückte sie leicht.
„Es war ein anstrengender Tag, wir sollten schlafen", sagte sie, ließ seine Hand wieder los und erhob sich. Sofort war der Zauber des Moments verflogen und Winston räusperte sich verlegen.
„Ja... ja, du hast recht. Gute Nacht", sagte er, stand ebenfalls auf und ging langsam in Richtung der Tür. Holly war inzwischen am Fenster angelangt, wo sie die Vorhänge zuzog, sodass es stockdunkel im Zimmer war.
„Wir sehen uns morgen", sagte Winston noch, tastete nach der Türklinke und drückte sie herunter.
„Bis morgen", erwiderte Holly, dann raschelte die Bettdecke und Winston beeilte sich, aus dem Zimmer zu kommen.
Mit noch immer pochendem Herzen blieb er einen Moment stehen und er bemerkte, dass er lächelte. Er wusste nicht so recht, was er genau fühlte, was er allerdings sehr wohl wusste war, dass er Holly besser kennenlernen wollte.
Er atmete tief durch, straffte die Schultern und ging schließlich zum Sofa, wo er sich schwungvoll niederließ. An Schlaf war im Moment ohnehin noch nicht zu denken, dafür war er noch viel zu aufgekratzt.
Unwillkürlich wanderte sein Blick über die Schulter zu Allys Zimmertür, die jedoch geschlossen war. Hoffentlich würde Ally sich wieder einkriegen und bei Holly entschuldigen, denn sonst würde es in den nächsten Wochen sicherlich anstrengend werden.
Winston richtete den Blick auf den Fernseher und schaltete ihn ein. Ein paar Minuten Berieselung tat vor dem Schlafengehen bestimmt gut.
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