Kapitel 15 - Winston

Vollkommen unausgeschlafen wachte Winston am Mittwochmorgen auf. Das Licht der Sonne drang durch den Schlitz in den Vorhängen in sein Zimmer und blinzelnd öffnete er die Augen. 

Allys Ausraster lag ihm noch schwer im Magen und er fühlte sich mehr als schlecht, denn er war eindeutig der Auslöser dafür, dass ihre Aggressionen zurückkamen. Aber wie sollte er sich ihr gegenüber auch verhalten? Alles was er machte, war falsch. 

Stöhnend pellte er sich aus dem Bett und kramte aus dem Schrank frische Klamotten. Er musste dringend duschen, bevor er zur Arbeit fuhr, also verließ er sein Zimmer und ging in Richtung Bad. 

Kurz warf er einen Blick zu Allys Zimmertür, die jedoch verschlossen war. Offensichtlich schlief sie noch. 

Er betrat das Bad, drehte den kleinen, lustigen Affen, der an der Klinke hing mit dem Rücken nach vorn und schloss die Tür. Ally hatte dieses Stofftier angeschleppt, das auf seinem blauen T-Shirt hinten „besetzt" und vorne „frei" stehen hatte. Seitdem hing der Affe hier an ihrer Badezimmertür, auch wenn er der Meinung war, dass der Schlüssel es auch tat. Er drehte diesen zusätzlich im Schloss herum, dann entledigte er sich seiner Kleidung und kletterte in die kleine Dusche. 

Das warme Wasser entspannte ihn, doch recht schnell musste er die Temperatur herunterregulieren, damit er nicht einging. Schon jetzt musste es draußen brütend heiß sein, was ihn nicht gerade hoffnungsvoll auf den Arbeitstag blicken ließ. Doch da musste er nun durch, immerhin musste der Rubel rollen. 

Allerdings fiel ihm in diesem Moment wieder ein, dass Holly heute endgültig hier einziehen würde und so wie er Ally einschätzte, verdonnerte sie ihn heute Abend dazu, beim Möbel aufbauen zu helfen. 

Auf Winstons Lippen legte sich ein Grinsen, denn auch wenn er sich beschweren würde, freute er sich darauf. Auch wenn es blöd klang, aber Holly würde ein guter Puffer zwischen ihm und Ally sein. Vielleicht würde sie schneller über ihn hinweg kommen, wenn sie Holly als neue Freundin hatte. 

Bei dem Gedanken an Holly spürte Winston, wie sein Herz schneller schlug. Dieses Mädchen machte ihn wahnsinnig, auch wenn sie eigentlich nichts Besonderes tat außer nett zu sein. Kopfschüttelnd drehte er das Wasser auf ganz kalt und vertrieb Holly so aus seinen Gedanken.

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Einige Zeit später band Winston sich die Schürze um und verknotete das schwarze Bandana, das glücklicherweise als angemessene Kopfbedeckung von seinem Chef akzeptiert wurde. Mit diesem hohen Kappen aus Papier hatte er noch nie etwas anfangen können. 

Anschließend trat er in die Küche des Restaurants, in dem er arbeitete und begrüßte seine Küchenhilfe Olivia, eine Frau Anfang dreißig mit hellbraunem Haar und blauen Augen. Sie war ein wenig kräftiger gebaut, sodass ihre Kochjacke ein wenig spannte und Winston hatte sich schon mehr als einmal gefragt, warum sie sich keine in einer Nummer größer zulegte. Das musste doch unglaublich unbequem sein. 

„Guten Morgen", flötete Olivia und eilig löste er den Blick von ihrer zu engen Jacke. 

„Was steht heute an?", fragte sie weiter, auch wenn sie genau wusste, dass er erst vor einer Minute gekommen war. Dennoch warf Winston einen Blick auf den Zettel, den ihr Chef ihnen wie immer an das Regal mit den Töpfen pinnte. 

„11 Uhr: Gruppe 15 Leute Brunch inkl. Kuchen (kommt von extern)", stand darauf und erleichtert atmete er auf. Nur eine angemeldete Gruppe und das laufende Tagesgeschäft war nicht wirklich viel zu tun.

 Winston mochte die Frühschicht lieber, denn meist war weniger zu tun als am Abend. So bereitete er an diesem Morgen jede Menge Rührei mit Speck und Pfannkuchen zu, zeigte Olivia zum gefühlt hundertsten Mal, wie man aus Radieschen kleinen Blumen schnitzte und hatte hin und wieder Zeit, die Gäste durch die kleine Anreiche zu beobachten, durch die sie das fertige Essen an die Servicekräfte reichten. 

Es war nicht allzu viel los, nur die üblichen Geschäftsleute, die vor der Arbeit etwas frühstücken wollten und ältere Damen, die sich mit ihren Freundinnen trafen. 

Plötzlich bemerkte er zwei bekannte Gesichter, die das Restaurant betraten. Winston grinste und verschwand eilig von den Anreiche, denn soeben hatten Ally und Holly das Lokal betreten. Er grinste, doch bevor er sich noch länger amüsieren konnte, dass die beiden wirklich hier waren, kamen vier neue Bestellungen herein. 

Winston wusste, dass zumindest Ally wie immer irgendetwas total Ausgefallenes bestellen würde und womöglich steckte sie Holly mit dieser Idee an. Mit geübten Handgriffen bereitete er Gerichte zu, sodass Olivia sie auf die Anreiche stellte und ebenfalls einen Blick nach draußen riskierte. 

„Oh, deine Mitbewohnerin ist da. Und sie hat Begleitung", sagte Olivia und sah grinsend zu ihm. 

„Ja, ich habe sie eben schon gesehen. Die Blonde wird heute bei uns einziehen, sie ist neu in der Stadt", erklärte er und spürte, wie er unwillkürlich anfing, zu lächeln. 

„Oh, die scheint dir wohl zu gefallen", lachte Olivia, doch Winston machte eine wegwerfende Handbewegung. 

„Ach was, Ally und sie sind schon ziemlich dicke miteinander, auch wenn sie sich gerade erst kennen gelernt haben", wich er aus und konzentrierte sich wieder darauf, bereits den Teig für weitere Pfannkuchen vorzubereiten. 

Keine Minute später traf die Bestellung ein, die offensichtlich von Ally und Holly kam. Winston griff nach dem Zettel und las die krakeligen Worte der Kellnerin durch. 

„3 Pfannkuchen in Herzform, 37 gebackene Bohnen, zwei Spiegeleier, 13 Streifen Speck und 4 Hash Browns", las er vor und zog überrascht die Augenbrauen hoch. 

„Das klingt ungewöhnlich normal", bemerkte er und reichte Olivia den Zettel, bevor er sie anwies, den Speck aus dem Kühlschrank zu holen. 

Vielleicht steckte Ally Holly nicht mit ihren Dummheiten an, sondern Holly hielt sie ein wenig in der Bahn. Winston hoffte, dass die zweite Variante zutraf, denn auch wenn er und Ally sich gut verstanden, wusste er, dass sie ihm mehr und mehr entgleiten würde, wenn sie nicht bald ihre Gefühle in den Griff bekam. Eilig verdrängte er die Gedanken und konzentrierte sich stattdessen auf seine Arbeit.

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