ZWEIUNDZWANZIGSTES
❧ Auch ein kleiner Schritt bringt dich näher zum Ziel ☙
Bonnie saß aufrecht in ihrem Bett. Ihre Beine hatte sie über den Bettrand geschwungen und starrte an die Wand ihr gegenüber.
Hat gerade eine Katze mit mir gesprochen?! Wie kann das sein?
Jemand klopfte gegen ihre Zimmertür. „Bonnie?", hörte sie Mareikes leise Stimme gedämpft, „Hast du verschlafen?"
Bonita griff nach ihrem Handy, es fühlte sich eiskalt an und gab keinen Mucks von sich. Sie versuchte es anzuschalten und bemerkte dann, dass sie in der letzten Nacht wohl vergessen hatte, es anzustecken.
„Bin wach", rief sie und starrte im Dunkeln auf ihre Uhr.
Zehn vor sieben entzifferte Bonita und stand nun, endgültig panisch auf. Sie nahm einige Klamotten mit und eilte in das Bad, welches zum Glück nicht besetzt war.
Das Mädchen hörte von unten Mareikes Stimme, sie musste die Kleinen gerade geweckt haben und bereitete ihnen jetzt etwas zu Essen vor.
Im Badezimmer schlüpfte sie in ihre Klamotten und putzte nebenbei ihr Zähne.
Noch einmal flitzte sie in ihr Zimmer und nahm ihren Rucksack. Sie raste die Treppen herunter, ohne nur ein einziges Mal zu stolpern und kam im unteren Teil des Hauses an.
„Bieni!", quietschte die kleine Ruth vergnügt, während sie sich einen Apfel schnappte und angestrengt auf ihm rum kaute. Ohne ihren beiden vorderen Zähne war dies anscheinend nicht besonders leicht und nur nach wenigen Sekunden legte sie den angeknabberten Apfel beiseite.
„Ich würde ja gerne mit dir reden, aber ich muss zur Schule", stellte sie fest, als sie einen Blick auf die Uhr erhaschte.
„Geh nicht", quengelte Jonas und streckte seine beiden Arme aus.
„Doch Jonas, sie muss", erklärte ihm seine Mutter. Mareike legte jeweils einen Teller Haferbrei vor die Drei und wies sie zum Essen an.
Schnell drückte Bonnie noch jeden von ihnen einen Kuss auf die Stirn, bevor sie mit dem zerbissen Apfel in der Hand das Haus verließ.
Für das heutige Frühstück musste der Apfel reichen, in der Pause würde sie sich halt ein Brötchen kaufen.
Würde sie sich jetzt beeilen, könnte sie noch vor dem Stundenklingeln in der Schule sein.
Sie biss in den Apfel und rannte los.
Der Schultag verlief sehr entspannt und das obwohl Montag war.
Nur noch die Mittagpause und danach eine Doppelstunde Sport.
Mit ihren Büchern, welche sie fest gegen ihre Brust presste, lief Bonnie mit Nolan durch die vollen Schulflure.
„Musst du immer so verkrampft sein?", fragte der Junge sie und schaute von oben auf sie herunter.
„Ich will nur nicht, dass die Bücher fallen", antwortete Bonita, gerade als jemand sie von hinten stieß und vorbeieilte. „Siehst du?", sagte sie zufrieden und blickte auf ihre Bücher, welche sie immer noch fest umklammerte. „Vielleicht hilft es", meinte er, „Aber wie ein seltsamer Alien siehst du trotzdem aus." Sie schnaubte und öffnete die Tür zum Treppengelände.
Ein paar vereinzelte Schüler rannten an ihnen vorbei, Richtung Kantine.
„Ich muss noch schnell meine Bücher wegschaffen", erklärte sie, „Kannst du dich schonmal in die Warteschlange stellen? Wie ich die Montag kennen, wird sie wieder einen Kilometer lang sein." Matti lachte und nickte. „Klar kann ich das." Er fuhr mit einer Hand durch seine Haare, sein schwarzer Rucksack hing noch immer an seiner rechten Schulter. „Du machst dir deinen Rücken kaputt", tadelte sie ihn.
Dramatisch verdrehte ihr Banknachbar seine Augen. „Alles klar General Kirschtorte", murmelte er, stellte sich dabei aber gerade hin und salutierte.
Sie machte es ihm nach und sagte befehlerisch: „Verschwinden sie Leutnant und verschwenden sie nicht meine Zeit mit ihren blöden Witzen über meinen Namen!" Sie drehte sich um und ging die Treppe hoch um zu ihrem Spind zu gelangen, im Augenwinkel beobachtete sie wie Matti die Treppen hinunter marschierte.
Sie lachte.
Aber trotzdem darfst du mich nicht Kirschtorte nennen, ich heiße immer noch Dörte Kirsch. Was für ein beschissener Name, was hat sich Papa dabei nur gedacht?!
Dachte sie, während sie durch die Schule lief. Es war unglaublich still, die meisten Schüler waren essen.
„Was hast du gesagt macht dein Vater beruflich?"
Hörte Bonita die Stimme von Tessa, eindeutig! Die Antwort verstand sie nicht und Tessa mitsamt ihrer Clique war auch nirgends zu sehen.
„Kein Bauer? Ich dachte... Dann muss er doch bestimmt ein Chemiker sein!", der Ende des Satzes war eher ein böses Lachen.
Leise schlich Bonnie sich näher. Mit wem spricht sie? Was ist das für ein seltsames Gespräch?
„Warum ein Chemiker?", flüsterte eine leise Stimme. „Na ja", Tessa ließ sich viel Zeit und lachte wieder, obwohl sie den Witz noch nicht mal vollendete hatte, „Ich würde mal sagen du bist ein misslungenes Experiment!"
Wieder lachte die Jugendliche und es hallte im ganzen Flur nach. „Bin ich nicht! Ich bin besonders und niemand darf etwas anderes sagen, schon gar nicht du!" Endlich erkannte Bonita die Stimme, es war Viktoria. Jetzt erhaschte sie einen Blick auf die beiden, denn anscheinend waren sie tatsächlich alleine. Wo sind dein Schoßhündchen? „Besonders und einzigartig? Ich hoffe doch nicht, eher ein Produktionsfehler, welchen dein lieber Gott gemacht hat"
Viktoria stand in einer Ecke, starrte Tessa an.
„Gib mir endlich das Geld", knurrte Tessa, anscheinend hatte sie genug von den Spielchen. „Ich hab nichts" erwiderte die kleine Viktoria. „Hattest du schon letzte Woche nicht!", zischte Tessa und näherte sich der in die Ecke gedrängten Vicky.
Bonnie trat aus ihrem Schatten. „Hallo" Sie winkte freundlich und unschuldig, als hätte sie nichts von der angespannten Situation bemerkt. Viktoria nutzte ihre Chance, sie zwängte sich an Tessa vorbei und nickte Bonita dankend zu. „Hey", knurrte Tessa.
Die beiden starrten sich an, man hörte nur die Schritte, welche sich zügig entfernten.
„Hast du nichts Besseres zu tun als hier rumzustehen?!", fauchte Tessa und ging die wenigen Schritte an ihr vorbei. Mit ihrer Schulter stieß sie gegen Bonnie und lief davon.
Als Bonnie endlich die Kantine betrat, war diese wieder halbwegs leer.
Matti winkte ihr zu. Er und Lily saßen in einer Ecke und löffelten ihren Nachtisch. „Wo warst du denn so lange?", schien Matti durch seine Augen zu sagen, sprach das Thema aber nicht an.
„Habt ihr schon Weihnachtsgeschenke besorgt?", fragte Bonnie.
Lily nickte. „Das Letzte gestern, sind ja nur noch Neunzehn Tage."
„Ich nicht", erwiderte Matti, „Sind noch neunzehn Tage zu einkaufen."
Bonnie lachte, aber Lily sah ihn entsetzt an, „Was?!", sagte sie erschüttert, „Das muss man doch schön verpacken, sich Gedanken machen beim Einkauf."
Er grinste sie an. „Und immer noch habe ich die neunzehn Tage."
Sie schnappte nach Luft. „Wie ich sehe werden wir wohl gemeinsam einkaufen gehen, sonst vergisst du am Ende noch, wann Weihnachten ist", zischte sie, „Aber jetzt muss ich gehen, ich habe meine Spanischhausaufgaben noch nicht fertig."
Lily nahm ihr Tablett und stolzierte davon.
„Manchmal ist sie schon ziemlich anstrengend", flüsterte Matti.
„Ja das stimmt leider", stimmte Bonita ihm zu und musterte wie Lily am Ausgang auf ihren Alex wartete. Er küsste sie auf die Stirn und zog sie mit sich. „Ich bin mir nicht sicher ob sie glücklich ist", offenbarte sie ihm ihre Bedenken. „Was?", er starrte sie verwirrt an.
„Mit Alex, ich glaube da ist etwas faul." Er runzelte seine Stirn. „Was sollte dabei schon schlecht sein. Wenn sie ihn nicht mehr mag, soll sie sich doch trennen." Bonita schüttelte ihren Kopf. „Ich glaube, dass sie das nicht kann. Stell dir diesen Druck vor, den sie erfährt!", sagte Bonnie und sah ihrer Freundin nach. „Welcher Druck?", er sah sie an, verstand offensichtlich wirklich gar nichts.
„Der von unseren Mitschülern, die sind schon ewig zusammen. Alle glauben, dass sie für immer ein Paar bleiben."
„Es ist doch nicht Lilys Verantwortung, dass sie eine toxische Beziehung am Leben erhält!" Irritiert schüttelte er seinen Kopf.
Sie schwiegen, das Thema war somit für beide beendet.
„Ich hatte wieder einen Traum", flüsterte sie und es tat so gut, mit jemandem darüber zu reden.
„Aha?" Er musterte sie und legte seinen Teller beiseite.
„Jemand kontrolliert sie, man spielt mit mir", erzählte sie weiter und schluckte. Er lehnte sich zu ihr vor und legte seine Hände auf ihre Schultern, während er ihr tief in die Augen schaute. „Niemand anderes entscheidet über deine Träume als du, du und dein verträumtes Unterbewusstsein", er betonte jede einzelne Silbe.
„Du verstehst es nicht Matti. Ich verstehe es auch nicht. Trotzdem spüre ich die Anwesenheit..." „Von was?", ihr Mitschüler lachte, „Dem Bösen?" Verzweifelt schüttelte sie ihren Kopf. „Ja und nein! Aber das was in meinen Träumen ist, begegnet mir auch hier. Ich spüre es und ich muss es besiegen", zischte sie ihm leise zu, denn sie wollte nicht, dass jemand ihnen zuhörte.
„Wie denn besiegen? Bonnie bleib realistisch, du kannst nicht einfach..."
„Wie besiegt man den Tod?", fragte sie ihn ungläubig, „Natürlich überlebt man. Ich muss den achtundzwanzigsten Dezember überleben und nebenbei kann ich doch herausfinden, was genau passiert ist."
Das Vorklingeln störte ihr Gespräch und Matti wollte aufstehen, doch sie drückte ihn zurück auf den Stuhl.
„Wenn du dich zu sehr reinsteigerst, passiert wirklich noch ein Unglück", warnte er sie.
„Kannst du mir nicht einfach helfen? Das machen Freunde, oder?", man konnte es manipulieren nennen, doch Bonnie würde es wohl eher als freundliches Einreden bezeichnen. Sie konnte sehen wie es in seinem Hirn ratterte. Sie nahmen ihr Tablett und räumten es weg. Schnell eilten sie zum Klassenzimmer.
„Am fünfzehnten Dezember habe ich den ganzen Tag frei, dann können wir gerne deine Träume erforschen und erklären", bot er an. „So spät?!", meinte sie entsetzt. "Was ist wenn ich wieder Träume?", fragte Bonita ihn. „Dann haben wir mehr Material zum auswerten", erwiderte er, „Am besten du schreibst alles auf."
Sie betrat hinter ihm die Turnhalle und setzte sich neben ihn.
Gerade noch rechtzeitig, denn die Schulglocke läutete und startete die letzten beiden Schulstunde dieses Montages.
Sie musste wieder an Viktoria denken...
Noch heute gebe ich einen anonymen Hinweis bei einer Lehrerin. Wie auch immer es klingen mag, es ist ein kleiner Schritt und der reicht für den Anfang!
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