VIERZEHNTES
❧Manchmal braucht man eine kleine Auszeit, um sich wieder nah zu sein☙
„Lily!"
Bonnie gab noch etwas Gas. Lily stand bereits mit ihren Freunden im Eingang des Stadtschwimmbades, quatschte entspannt mit ihnen und genoss die Zeit zu sichtlich. Ihr lautes Lachen hallte bis zu Bonita rüber und erinnerte sie an die schönen Momente mit Lily.
„Lily", rief das Mädchen wieder und endlich drehte diese sich um. Ihre gewellten Haare fielen wie immer über ihre Schulter, dieses Mal aber in einem Veilchenton. Die Farbe stand ihr, keine Frage aber es erschien Bonnie als ein weiterer Schlussstrich, ein Schlussstrich nach dem Tod ihrer Freundin.
Lily legte ihren Kopf schief, wie immer wenn sie sich an etwas erinnern wollte. Sie runzelte ihre Stirn, kleine Fältchen bildeten sich.
„Kenn ich dich?", fragte sie, wie auch sonst direkt, kurz und knackig.
Sie überlegte, was soll ich sagen? Bonnie schüttelte ihren Kopf und schnappte nach Luft, wegen des kurzen Sprints kam sie der Puste. Sie war noch vorne gebeugt und stützte sich mit ihren Händen an ihren Knien ab. Plötzlich spürte sie eine warme Handfläche auf ihrem Rücken, besorgt schaute Lily auf Bonnie hinunter, erkannte sie nicht. „Alles gut bei dir?", fragte sie und ihre Stimme klang nicht mehr so fest und sicher. Anstatt zu antworten, entschied Bonnie sich, es wie ihre ehemalige Freundin anzugehen.
Direkt, kurz, knackig.
„Ich kannte Bonnie", sagte sie als sie endlich wieder genug Luft in ihrer Lunge hatte. Der Körper neben ihr spannte sich an, Lilys Finger krallten sich leicht in Bonitas Rücken und für einen winzigen Moment stoppte die Atmung von Bonnies Freundin.
Die Menschen auf der Straße gingen an ihnen vorbei, bemerkten nicht
diese eine Emotion, welche in Lilys Gesicht geschrieben war und Bonnie nicht bestimmen konnte.
Angst, Trauer, Verzweiflung, nichts passte zu den Gesichtszügen.
„Lily!", eine von ihren Freundinnen rief nach dem Mädchen. Schlapp hob die Genannte ihren Arm, winkte ab und drehte sich nicht einmal um. Inzwischen hatte Bonita sich aufgerichtet, sie schaute in die dunklen Augen der ihr gegenüber. „Woher kennst du sie? Und meinen Namen?" Die Unsicherheit war verflogen, stattdessen beugte sie Bonnie misstrauisch. „Internet", log Bonnie, wie sollte sie sich denn anders erklären?
Zugegeben, bevor sie Lily endlich gefunden hatte, hatte sie mit dem Gedanken gespielt ihr alles zu erklären, ihr die Wahrheit zu sagen.
Würde sie mir glauben?, und, Was würde es mir überhaupt bringen? Schafften es am Ende sie zu umstimmen.
„Bonnie war nicht im Internet unterwegs", langsam schüttelte Lily ihren Kopf und wich einen Schritt zurück. Es handelte sich um eine Fangfrage, oftmals haben sie den ganzen Nachmittag damit verbracht, mit völlig Fremden zu chatten.
„Teste dich, HolyMoly1 und CrazyUniCorny, so gut wie immer nach dem Schulende"
Es herrschte Stille, selbst den alltäglichen Menschentrudel um sie herum verdrängte Bonita erfolgreich.
„Du kennst beide Profile", flüsterte Lily leise, als würde es sie tatsächlich verwundern. Eindringlich betrachtete das Gesicht der anderen Bonnie.
Kennt sie mich? Habe ich ein Merkmal wie mein altes ich?
Anscheinend kam ihr das Gesicht nicht bekannt vor, denn sie sagte nichts und auch ihr Gesicht zeigte keine Regung. „Wie heißt du?", fragte Lily irgendwann und brachte Bonnie zum Grübeln.
Ja... Das wüsste ich auch allzu gerne.
„Lydia", erwiderte sie und lächelte schüchtern.
„Okay Lydia, ich glaube wir sollten uns vielleicht etwas unterhalten."
Das durchgehende Schneien hatte den Tag kälter gemacht als erwartet und als Bonita in ihrem zweiten Körper endlich die warme Tasse Kakao mit ihren Fingern umschloss, seufzte sie befreit auf.
Als ob all ihre Sorgen fort wären, schlürfte sie Seelenruhig das kleine Sahnehäufchen weg und nippte an dem heißen Getränk.
Wie kann ich ein Gespräch über eine tote Freundin am besten anfangen, überlegte sie. Gar nicht, schien die einzige und zugleich einfachste Antwort zu sein.
„Sie ist Tod, nicht wahr?", der beste andere Weg war, die Unwissende zu spielen. „Ja", flüsterte Lily. Zusammengesunken saß sie auf ihrem Stuhl, beugte sie leicht über ihren Kakao. „Es ist noch nicht mal ein Monat her", sie murmelte so leise, dass Bonita sie kaum verstand.
Etwas fiel in Lilys Tasse, eine kleine Träne und kurz darauf folgte die Zweite. Trotzdem fuhr sie ziemlich gefasst weiter: „Sie ist im See eingebrochen. Außerdem war da ein Junge, er heißt Nolan. Wegen ihm war sie da", ein wütender Unterton mischte sich in ihre Stimme, „Er konnte sie nicht retten." Leise schniefte sie, holte ein zusammengeknülltes Taschentuch aus ihrer Hosentasche und putzte sich damit ihre kleine Nase. „Er hat es versucht?", Bonnie wollte alles wissen und der Gedanke das diese Träume nicht enden würden bis sie endlich jedes kleinste Detail wusste, jagte ihr höllische Angst ein.
„Ja", sagte sie nickend währende sie genau wie Bonnie die Finger um die warme Tasse legte, „Er musste wegen Unterkühlung in das Krankenhaus." „Warum bi", sie stoppte sich gerade noch rechtzeitig, „Ist sie dorthin gegangen?"
Lily zuckte mit ihren Schultern. „Das weiß wahrscheinlich niemand, der Wichser schweigt wie ein Grab und das obwohl Ermittlungen gegen ihn laufen." Sie hob ihre pinke Tasse an und legte sie an ihre Lippen. „Verdammt ist das heiß", fluchte sie leise und stellte schnell die Tasse ab, wobei sie etwas von der Flüssigkeit über ihren Schoß verschüttete.
Hektisch stand sie auf und tupfte mit einer Serviette ihre Hose ab.
„Ermittlungen?", hakte sie ungläubig nach. Gerade ging es um alles, sie wollte nicht aufwachen und bevor der Morgen kam, hatte sie noch einiges zu erledigen!
„Ja genau. Ich glaube wegen fahrlässiger Tötung oder Verdacht auf Totschlag, wenn nicht sogar Mord", erklärte sie während sie sich wieder setzte und die dreckige Serviette ablegte. Leise fügte sie hinzu: „Ehlich? Ich würde ihm alles zutrauen"
Bevor Bonnie fragen konnte was genau sie damit meinte, vibrierte Lilys Handy. „Alex?", fragte das Mädchen genervt und blickte aus dem Fenster um Lilys verliebten Ausdruck nicht sehen zu müssen. „Was? Nein!", sagte sie abweisend. „Du kennst ihn?", schob sie verwundert hinterher. „Ehh..." Bonitas Gehirn lief auf Hochtouren. "Nur vom Hören", plapperte sie drauflos, „Bonnie hat manchmal von ihm erzählt." Sie schluckte, versuchte den Kloß in ihrem Hals zu ignorieren und schaute in die Augen ihr gegenüber. „Ohh", machte diese nur, vermutlich verblüfft darüber, wie viel Bonnie angeblich im Internet über sich und ihr Leben preisgab.
„Wir haben uns getrennt, wollten es aber beide niemandem sagen.
Es war uns unangenehm und deshalb haben wir uns noch oft getroffen. Es waren keine schönen Treffen und ich will ihn nie wiedersehen!",
sie nickte mehrmals um ihre Worte zu bestätigen und verstaute ihr Handy sicher.
Nicht zusammen, nie wiedersehen.
„Was ist denn passiert?", versuchte sie an mehr Information zu kommen. „Eigentlich nichts", beteuerte Lily und nahm einen Schluck von dem mittlerweile abgekühlten Kakao, „Es hat nicht gepasst und dann haben wir irgendwie beide versucht es zu überspielen. Das kennst du doch... Lautes Lachen, verliebtes Kichern und so."
Nein das kenne ich nicht... und bemerkt habe ich es auch nicht. Bist du auch nicht glücklich?
„Wie lange ging das denn so?", fragte Bonita die Frage die sie brennend interessierte. „Beinahe von Anfang an."
„Das Traumpaar der Schule darf sich nicht trennen", erkannte sie nun endlich. Der Zwang war für sie wohl zu groß gewesen. „Genau", stimmte Lily ihr zu. Sie hob kurz ihre Hand und kramte dann in ihrer Tasche. Der Kellner kam und überreichte ihr die Rechnung.
„Wenn es in Ordnung wäre, würde ich's übernehmen." Sie schaute Bonnie an und wartete nicht auf ihre Antwort, stattdessen holte sie einen Zehner heraus und reichte ihm den jungen Mann.
„Der Rest ist für sie", sie lächelte mit ihrem wunderschönen Zahnpastalächeln, er lächelte charmant zurück und nahm die leere Tasse von Lily. Fragend schaute er zu Bonnie, deren Tasse noch fast bis zum Rand gefüllt war. Sie schüttelte ihren Kopf, lächelte schief und schaute ihm nach als er in der Küche verschwand.
„Ich muss jetzt leider gehen", sagte Lily mit dem Blick auf eine Uhr im Café. Verständnisvoll winkte Bonita ab. Nur noch eine Frage war für sie wichtig. „Wo ist Bonnie?", wollte sie wissen und ließ Lily nicht aus dem Blick. „Unter Wasser, im See", erwiderte Lily und wich ihrem Blick aus. Diese Möglichkeit hatte Bonnie zwar in Erwägung gezogen, aber es war nicht leicht es zu verdauen.
Lily legte ihr eine Hand um die Schultern. „Da du von meinem Freund gehört hast, meinen Namen und beide von Bonnies Profilnamen kanntest, nehme ich mal an, dass du auch mein Profil kennst. Schreib wenn du noch etwas brauchst", meinte Lily und schaute Bonnie tief in ihre Augen. Lilys Wangen hatten sich wegen dem Weinen rötlich gefärbt, ihre Augen waren geschwollen und eine vereinzelte Träne sammelte sich in ihrem rechten Augenwinkel.
Lily schnappte sich ihre Jacke und verließ den Laden.
In sich zusammengesunken saß Bonnie an ihrem kalten Kakao, noch immer ihre Finger um die Tasse geschlungen. Dann bemerkte sie eine kleine Bewegung außen. Die kleine Katze, Tinkerbell drückte ihre Schnauze gegen die Glaswand. Bonnie prustete los und versteckte ihren Mund hinter einer Hand. Ohne es zu bemerken hatte sie angefangen zu weinen. Sie stand auf und verließ das Café ohne sich noch einmal umzusehen.
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