SECHZEHNTES
❧ Aus Fremden werden Bekannte, aus Bekannten Freunde und Freunde werden zur Familie☙
„Bonnie wir fahren noch schnell wohin", rief ihre Mutter und klopfte zweimal kurz an die Tür. Och ne, war ihr erster Gedanke aber sie riss sich zusammen und rief stattdessen: „Wohin denn?" Sie lief langsam zur Tür und öffnete sie. Ihre Mutter stand da und schaute sie an. Irgendwie sah sie merkwürdig aus. „Ich würde sagen wir gehen noch schnell ins Kino, ein kleiner Mädelsabend", verkündete Vera und wollte weitersprechen da wurde sie unterbrochen. „Ist etwas an deinem Make-Up anders?", meinte Bonita erstaunt. War das Glitzer, Highlighter und Blush?! Selbst die Lippen wirkten auf einmal so viel größer und voller durch den kräftigen roten Lippenstift. Offensichtlich irritiert schüttelte ihre Mutter ihren Kopf, währenddessen flogen ihre schulterlangen braunen Locken hin und her.
„Also magst du mit?", fragte ihre Mutter einfach.
Bonnie war völlig überrumpelt, diese Person hatte vom Aussehen her nichts mit ihrer Mama zu tun. Schon gar nicht mit der gebrochenen Vera aus meinen Träumen... „Ja?", es war zwar eher eine zögerliche Frage aber ihre Mutter nickte, lächelte und lief schon zu den Treppen. „Ich freu mich", rief sie noch kurz angebunden. Hat sie Kino gesagt? Oder habe ich mich verhört und sie meinte Konzert, da würde ihr Auftreten mehr Sinn ergeben. Sie schüttelte sich verwirrt und schloss die Tür zu ihrem Zimmer. Sie hat mir ja nicht einmal gesagt, wann wir gehen. Bonnie hatte nicht vor sich umzuziehen, ihre schwarze Leggins und der etwas zu große Hoodie, mussten reichen. Niemand würde es im Dunklen des Kinos sehen können. Was wenn es doch ein Konzert ist? Sie knurrte leise zu sich selbst und riss ihren Kleiderschrank auf. Bonita griff nach einem Jeansrock und zog ihn über die Leggins.
Den Hoodie zog sie wehleidig über ihren Kopf, verwuschelte ihre schon so verfitzen Haare noch mehr und warf ihn beiseite. Die Mühe ist es doch sowieso nicht wert, alles sinnlos. Das Mädchen betrachtete sich im Spiegel. Sie hatte keine tiefen Augenringe mehr, wirkte dadurch wieder wie die alte Bonnie, eine Bonnie ohne die Träume. Bonita näherte sich noch etwas dem Ganzkörperspiegel, legte eine Hand auf das kalte Glas.
Sie schloss ihre Augen, atmete tief ein.
Als Bonnie ihre Augen wieder öffnete, zuckte sie erschreckt zusammen, stolperte rückwärts und fiel zu Boden.
Im Spiegel spiegelte sich nicht mehr sie und ihr Zimmer. Es war sie, wie sie unter Wasser nach Luft schnappte. Kleine Luftbläschen kamen aus ihrer Nase, sie hielt ihre Augen geschlossen. Immer tiefer fiel der leblose Körper ins Dunkle des Wassers, bis Bonita nicht mehr als eine Silhouette erahnen konnte.
Noch immer saß sie auf dem Boden, mit ihren Handflächen versuchte sie sich am Boden festzuhalten, krallte ihre Fingernägel in das alte Holz.
„Bonnie?", ihre Mutter rief nach ihr, „Kommst du? Wir müssten gleich los." Mühsam rappelte Bonnie sich auf, krächzte: „Gleich" und setzte sich an den Rand ihres Bettes.
Hatten mich meine Träume doch eingeholt?
Unsinn!
Sie fuhr sich mit ihren Fingern durch ihre wilde braunrote Mähne, um die Locken etwas zu bändigen und verließ ihr Zimmer.
Gelangweilt starrte Bonnie aus dem Fenster. Die Fahrt zum Kino dauerte gefühlt jedes Mal länger und länger, immer mehr Straßen sperrte man ab und die Unfälle auf der Hauptstraße hinderten Autos immer am durchfahren. Ein lautes Knurren erklang aus ihrer Magengegend. Sie sah zu ihrer Mutter nach vorne, hoffentlich hat sie nichts mitbekommen. Das wäre allerdings kein großes Wunder.
Das Radio war voll aufgedreht und gerade eben fuhr ein Feuerwehrauto mit ohrenbetäubender Sirene an ihnen vorbei. Leise verklang das Heulen, als Vera an einer roten Ampel hielt und die Feuerwehr einfach weiterfuhr. „Muss wohl etwas passiert sein", meinte Bonnies Mutter und sah ihre Tochter im Rückblickspiegel an. Ach echt?!
„Hmm", erwiderte diese nur, was sonst konnte man dazu sagen. „Ach ja", sagte ihre Mutter und fing an, mit der rechten Hand auf dem Beifahrersitz rumzuwühlen, „Ich hab hier noch etwas für dich."
Bonita verkrampfte sich in ihrem Sitz. Leg die Hand sofort auf das Lenkrad!, dachte sie sich und verspürte keinerlei Freude gegenüber einem Geschenk. Jetzt, wo ihre Mutter offenbar das Gesuchte gefunden hatte, drehte sie sich sogar zu Bonnie um und reichte ihr das Paket.
„Mama!", beinahe schrie sie diese Worte, „Fahren!" Mehr bekam sie auch nicht raus, sie griff nach dem Geschenk und dankte allen Mächten, dass ihre Mutter gerade keinen Autounfall gebaut hatte.
Es war etwas Rechteckiges, ziemlich groß aber nicht allzu schwer. Vorsichtig riss sie die Pappe auf und erhaschte einen Blick auf etwas gelblich Grünes. Pissgrün, würde Lily jetzt meinen.
„Gefällt er dir?", wieder musterte Vera ihre Tochter im Spiegel. „Ehm...", das konnte Bonnie noch nicht sagen, wie auch, wenn sie nicht wusste was sich in diesem Paket verbarg. Etwas weniger vorsichtig riss sie die Pappe ab und zog nun endlich das Geschenk raus.
Adventskalender
Snacks&Beauty
Stand in glänzend rot ganz fett drauf. Auf der anderen, rechten Seite, welche sie bisher noch nicht sehen konnte, vermischte sich das Grün mit Braun und es bildete sich ein wunderschönes Kotzgrün. „Du kannst ja schon ein Türchen öffnen, heute ist der erste", Im Rückspiegel konnte Bonita das Lächeln ihrer Mutter sehen.
Sie seufzte und machte sich auf die Suche des ersten Türchens. Als sie es fand, drückte sie es vorsichtig auf. Bonnie griff in das Fach und zog etwas Kaltes raus. „Ist das Feigenmarmelade?", eigentlich hätte sie nicht fragen müssen, die Konsistenz und Farbe verrieten alles. „Ja natürlich", jetzt grinste ihre Mutter wie ein Honigkuchenpferd. Bonita machte es ihr automatisch nach, öffnete das äußerst kleine Marmeladenglas und vergrub die Fingerkuppe ihres kleinen Fingers drinnen. Sie kostete die Marmelade so gut aus wie es ging, genoss es, dass der Feigengeschmack in ihrem Mund zurückblieb.
„Meine Liebste", sagte Bonnie und ließ sich in den Autositz fallen, den Kalender legte sie neben sich und das Glas schloss sie wieder. „Weiß ich doch", erwiderte Vera.
Bonnie sah aus dem Fenster, gerade fuhren sie am Einkaufzentrum vorbei, es war nichtmehr soweit. „Hast du am Sonntag Zeit?", fragte ihre Mutter, um die unangenehme Stille zu unterbrechen. „Nein", antwortete Bonita ihr, „Ich treffe Naomi und Nolan."
Im Spiegel konnte sie beobachten wie ihre Mutter leicht ihre Nase krauste. „Was macht ihr denn. Ihr kennt euch doch kaum einen Monat und seid aber immer zusammen weg."
Bonnie holte tief Luft. „Ich kenne sie mehr als einen Monat, damit das klar ist", sie merkte wie sich allmählig dicke Luft bildetet, „Und wir putzen etwas das Bauernhaus." Renovieren wollte sie nicht sagen, ihre Mutter würde doch sowieso nur zerstören verstehen. Bonnie fürchtete, dass wenn sie ihre Hand ausstrecken würde, sie die Spannung greifen könnte. „Aha? Putzen also..." Zum Glück konnte ihre Mutter nicht nachhaken, denn sie bogen in die Einfahrt zum Parkplatz des Kinos ein.
„Hoffen wir mal, es gibt noch freie Plätze", murmelte Vera anstatt nachzufragen und sah sich um.
„Welchen Film schauen wir eigentlich?", wollte Bonita nun wissen und öffnete schon ihren Gurt, während ihre Mutter einparkte. „Lass dich doch mal überraschen!", herrschte Vera sie an und strich sie ihre Haare aus dem Gesicht, um besser zu sehen. „Aber Popcorn darf ich doch, oder?", irgendwie fürchtete sie sich, sollte es nicht ein entspannter Abend werden? Ihre Mutter wirkte so angespannt und irgendwas machte auch sie sehr nervös.
„Ja klar, Biene." Endlich hatte es ihre Mutter geschafft in die enge Lücke einzuparken und öffnete die Tür um auszusteigen.
„Übrigens habe ich eine Freundin eingeladen", sagte Vera noch bevor sie die Tür mit einem lauten Krachen schloss. „Kein Problem", meinte Bonnie mit einem Schulterzucken als sie selbst ausstieg und ihre Mutter sie wieder hören konnte, „Wen denn? Kommt Emma?".
Ihre Mutter schüttelte nur ihren Kopf. Mit zügigen Schritten liefen sie zum Eingang. „Da ist sie ja!", Vera grinste breit. Verwirrt blickte Bonnie sich um, sie sah kein bekanntes Gesicht. Aber diese Frau, steuerte direkt auf sie zu, konnte es sein?
„Hallo Bonnie", die Frau hielt ihr eine Hand hin und Bonita schüttelte sie durcheinander gebracht. Kenne ich dich? Ich kenne alle Mamas Freundinnen. „Schön das wir uns endlich kennenlernen", redete die Fremde weiter. Sie hatte blendend weiße Zähne, die sie mit dunkel lilanen Lippen umrandete und noch mehr rote Haare als Bonnie. „Sind die echt?", war das Einzige was ihr einfiel und sie deutete auf die Haarpracht. „Na klar doch", erklärte die Fremde als wäre es offensichtlich.
„Lasst uns doch reingehen, der Film beginnt gleich", drängte Vera sie. „Oh, du hast ja Recht, aber ihr seid ja auch etwas spät", merkte die Freundin ihrer Mutter an und gemeinsam betraten sie das Kino. „Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt", sie lächelte, „Ich bin Florin"
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