FÜNFZEHNTES
❧ Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise an dem Herzen, bis es bricht ☙
Bonnie unterdrückte einen Schrei als sie aufwachte. Sie wischte ihre Schweißperlen auf und um ihre Stirn weg. Ihr Kissen war von ihren Tränen nass und ihre Decke hatte sie anscheinend von sich getreten. Der Mond schien durch das kleine Fenster in ihr Zimmer und füllte es mit einem beängstigenden Licht. Weinend lehnte Bonnie sich gegen die Wand, schlang ihre Arme um ihre Beine und zog die Decke bis zu ihrem Hals. Leise weinte sie vor sich hin.
Ich kann nicht mehr
Immer wieder wiederholte sie diese Worte im Kopf, spielte mit ihnen und flüsterte sie irgendwann immer wieder bis sich ihre Stimme festigte.
Vor diesen Träumen war doch alles in Ordnung, es ging ihr wieder besser! Sie atmete laut und stockend aus, drückte sich noch einmal ganz fest. Es musste doch einen Weg geben nicht mehr zu träumen.
Mit ihren wackeligen Beinen stand sie auf und stolperte durch ihr Zimmer. Sie riss den kleinen Schrank auf und tastete im Dunkeln nach etwas. Die kleine hölzerne Schatzkiste. Seit mehr als zwei Monaten durfte diese Box hier drinnen verstauben. Sie nahm die Kette mit dem winzigen Schlüssel ab.
Mit zittrigen Fingern entsperrte sie das Schloss und entnahm die Aluminiumverpackung. Noch sechsunddreißig Tabletten, sechsunddreißig von fünfzig befanden sich in der Schachtel.
Sie drückte die kleine und runde Tablette aus und betrachtete sie. Im Mondlicht schien sie zu glänzen, stach in der Dunkelheit des Zimmers empor. All ihre Bedenken verblassten als sie die Tablette schluckte und das obwohl sie dachte sie wie einen Stein in ihrem Magen zu spüren.
Sie verschloss ihre Sünde und verfrachtete sie zurück an ihren Platz.
Bonnie wusste, diesen Fehltritt würde sie häufig wiederholen und genau dieser würde ihr helfen zu Überleben.
Aber ist überleben gut genug, wenn man irgendwie leben kann?
Die Tabletten halfen, die Droge welche ihr einige ihrer Mitschüler für viel Geld abkaufen wöllten. Für sie war es keine Droge, kein Stoff, immerhin hatte man es ihr vorgeschrieben, für sie war es eine Notlösung.
Vor einem Jahr hatte man mir das letzte Rezept gereicht und nach dem Vorfall hatten sie auch mein gesamtes Zimmer nach Resten angesucht und fast alles weggenommen!
Sie schüttelte sich um ein bisschen wach zu werden. Letzte Nacht hatte sie es nicht mal mehr geschafft die Packung Valium wegzupacken, noch immer lag sie neben ihr auf dem Bett. Statt der sechsunddreißig Tabletten, gab es nur noch zwanzig. Alle zwei Tage hatte sie eine genommen und seither nichts mehr geträumt.
Sie kannte alle Gefahren
Sucht
Überdosierung
Konzentrationsprobleme
Aber selbst die Schule war viel erträglicher als früher. Sie war wie in Watte gepackt, geschützt vor der grausamen Realität. Selbst die Probleme mit ihrer Mutter hatten sich gelegt. Ihr Wecker klingelte immer fünfzehn Minuten als früher, diese Minuten lag sie dann in ihrem Bett und dachte über das Leben nach. Heute fühlte Bonnie sich wohl, trotz der Ladung Valium von gestern.
Sie lehnte sich über den Bettrand und kramte unter ihrem Bett nach ihrem Tagebuch, oft ließ sie es dort liegen. Als sie den Lederrücken des Buches streifte und ihn anschließend hervorholte, klappte sie ihr Tagebuch auf und betrachtete die leeren Zeilen vor ihr.
1. Dezember
𝐿𝑖𝑒𝑏𝑒𝑟 𝐿𝑒𝑣𝑖𝑛,
ich melde mich immer seltener, was wohl an meinen Schuldgefühlen liegen könnte. Meine Welt ist kaputt, das was ich lieb habe, stoße ich ab.
Nolan habe ich gestern in der Schule gesehen und ihn nicht mal begrüßt.
Mit Mama rede ich zwar mittlerweile aber ihren Freund kann ich nicht akzeptieren, obwohl ihr Recht auf ein glückliches Leben so viel größer ist als mein zurzeit.
Selbst Dad gönne ich keine neue Familie, ich soll der Mittelpunkt sein.
Jeder denkt immer, seine Welt bricht zusammen, nur er hat die größten Sorgen und Probleme... aber ich glaube, dass es an der Zeit ist die Welt mit zwei offenen Augen zu sehen. Jeder hat anscheinend ein weinendes, wütendes, gebrochenes oder einfach nur verliebtes Herz.
Es gibt gute, sowie schlechte Tage und Wochen
1. Viktoria braucht Hilfe, etwas mitanzusehen wo man weiß das es falsch ist, macht auch mich mitschuldig. Vor einigen Tagen konnte ich wieder beobachten, wie Tessa Vicky gegen die Wand schubste. Davor kippte sie in einer Fünfminutenpause Wasser über Viktorias Arbeit, in Anwesenheit eines Lehrers. Es ist grausam.
2. Sie ist nicht die einzige. Die gestellten Beine, schlechten Bemerkungen und all das schlechte passiert jeden Tag. Und jeder Tag mehr, macht es nur noch schlimmer.
3. Ich darf nicht andere schlecht machen, nicht in meinen Augen. Ich stoße Lily ab, anscheinend kenne ich sie nicht mehr.
4. Meine Mama ist Jahrelang alleine, kümmert sich um mich und einen Haushalt mit fünf Kindern, sie geht arbeiten und schenkt mir Liebe. Sie verdient Zeit und ich muss endlich anfangen Andere und deren Meinungen zu akzeptieren.
5. Ich würde meine Schwester lieben, ich wollte doch immer eine und ich habe auch schon zwei, zwei die ich nie sehen wollte
Das muss reichen Levin, zumindest für den Anfang. Weißt du, Fehler bei anderen zu suchen und zu finden ist so leicht, aber sich die eigenen einzustehen ist so schwer. Ich hasse mich oft dafür, dass ich so bin wie ich bin. Ich weiß auch wie falsch es ist damals nicht alle Medikamente abgegeben zu haben.
Ich weiß aber auch das ich sie wieder nehmen werde.
Ich weiß das ich Hausaufgaben machen sollte und auch mal lernen sollte für anstehende Arbeiten, aber ich mache es nicht.
Ich sollte Sport machen, ich wollte es immer und immer wieder und durchgezogen habe ich es nicht.
Ich sollte mein Zimmer öfters Putzen, genau wie Mama hasse ich die Unordnung aber zugeben kann ich das doch nicht. Außerdem finde ich, wenn ein bisschen zeug rumliegt, ist es noch in Ordnung!
Ich will nicht über mich reden.
Wie geht es dir? Gestehst du dir deine Fehler?
Bestimmt tust du das, immerhin bist du der PERFEKTE Freund.
Ich wünsche mir oft, dass du hier wärst, mich umarmen könntest und mir immer deine guten Ratschläge ins Ohr flüstern würdest.
Ich weiß, dass du wüsstest wie ich mit Nolan umgehen sollte.
Oft waren er und Naomi hier, gemeinsam haben wir den Dreck aus dem Bauernhaus aus entfernt und genau wie es die Schuhschachtel gibt, gibt es jetzt auch die Arche Noah. In den letzten Tagen haben wir Mäuse, Spinnen, andere Insekte und wilde Katzen in Unmengen gesehen, selbst ein Reh durften wir beobachten.
Mein altes Zimmer, die Flure sowie die sogenannte Rezeption sehen sehr schön aus. Wir haben die Möbel aus dem Keller geholt, ich kann mich noch genau erinnern wie wir sie vor Jahren mit Dad gekauft haben.
Sie sind sehr verstaubt aber eigentlich noch super intakt.
Ich habe noch nie so viele Stühle die Treppen hoch geschleppt, so viele Bettgestelle zusammengebaut und staubige Sesselbezüge abgeklopft.
Gehalten ist das ganze Zeug in verschiedenen Blautönen wie Babyblau, Azurblau und Himmelblau. Es gibt wenige veilchenlilane und blassgelbe Abweichungen , aber ich glaube es ist sehr schön.
Selbst Nolan und die stylische Naomi sagten, es sei sehr gemütlich und hübsch.
Naomi ist eine der stylischsten Personen die ich kenne, noch vor Josie und Tessa. Sie schafft es lässig auszusehen aber nebenbei auch sehr schick. Dennoch ist sie anders als die anderen.
Josie war hübsch, beliebt und auch nett zu anderen, nur leider, leider war sie etwas dumm. Man muss es so sagen: lieb aber etwas dümmlich.
Ich fühle mich so schlecht, aber Fehler bei jemanden anderen zu finden ist einfach zu leicht! Und genau deshalb könnte ich mich hassen.
Tessa war schön, wurde gefürchtet und war alles andere als nett.
Nur der Kreis in dem sie sich bewegte, die Stylischen und Berühmten fürchtete sich nicht, alle dort vergöttern sie für ihre ach so tollen Sprüche.
Naomi ist super. Zwei Jahre älter als ich und somit fast erwachsen. Obwohl sie kleiner ist als ich, fühle ich mich wie ein Baby neben ihr.
Es ist unglaublich wie einfühlsam sie ist und ich kann es mir so gut vorstellen, dass Nolan und sie ein Paar sind.
Diese Theorie verfolgt mich sowieso schon, seit ich sie zum ersten Mal gemeinsam gesehen habe.
Glaubst du Levin, sie sind ein Paar?
Um nochmal schnell zum Thema Mama und ihr Freund zu kommen,
zum Treffen ist es nie gekommen, zum Glück, Eine fürchterliche Grippe hat ihn erwischt und natürlich musste er sich erstmal erholen.
Aber mehr Informationen habe ich nicht erhalten, kein nächstes Treffen.
Zumindest vorerst...
Den heutigen Tag werde ich genießen und heute Nacht schlafen wie ein Murmeltier, es ist an der Zeit diese Träume hinter mir zu lassen.
Es war bloß etwas zusammengesponnenes, wegen Stress oder sonst was.
Ich werde mich nicht mehr stressen, das ist es mir nicht wert.
Du bist mein erstes Tagebuch und das weißt du auch, aber wahrscheinlich nicht mein letztes. Ich habe noch so vieles zu lernen und es ist schön und gut das du mich dabei begleitest.
Deine Bonnie
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