Teki rannte die Straße entlang. Der leichte Nieselregen durchnässte ihre kurzen, roten Haare. Mit dreckigen Händen wischte sie sich die brennenden Tränen aus den Augen. Hinter sich konnte sie die rauen Schreie ihrer Verfolger hören.
"Hörst du mich, Teki! Wenn ich dich in die Finger kriege wirst du dir wünschen nie geboren worden zu sein, dreckiges Balg! "
Beim Klang von Avains Stimme zuckte Teki zusammen und wäre fast gestolpert. Sie wusste, dass ihre Verfolger sie früher oder später einholen würden, wenn sie weiterhin auf der schlammigen Straße laufen, und Fußabdrücke hinterlassen würde.
Ängstlich starrte sie in das Dickicht des neben der Straße liegenden Waldes. Die Schatten Bäume sorgten selbst am hellichten Tag für eine unheimliche Atmosphäre. Sogar ihre sonst so furchtlosen Häscher fürchteten die magischen und verhexten Dinge, die sich darin versteckten.
Das Problem war: Teki fürchtete sie auch. Langsam begann sie zu spüren wie ihre Beine schwerer wurden. Sie konnte diese übermenschliche Geschwindigkeit bald nicht mehr aushalten. Ihr inneres Glühen begann langsam nachzulassen. Wieder blickte sie zum Wald.
Warum sollten die Wesen dort drin ihr etwas tun? Sie war schließlich auch verhext. Plötzlich schlug etwas neben ihr im Boden ein. Teki gefror das Blut in den Adern. Ein Pfeil! Sie hatte immer gedacht, dass Avain sie lebend wollte.
Doch der Pfeil hatte ihren Beschluss nur gestärkt. Blitzschnell drehte sie sich nach rechts, und sprang über einen Haufen Brennnesseln in den Wald. Als sie wieder auf dem Boden aufkam hielt sie Mithilfe ihres rot-grau gestreiften Schwanzes das Gleichgewicht und rannte weiter.
Äste peitschten ihr ins Gesicht und rissen ihre Haut auf. Blut tropfte auf Tekis Oberlippe. Wütend wischte sie es weg. Plötzlich stolperte sie über eine Wurzel und schlug hart auf dem Boden auf. Benommen rollte sie sich zu einer Kugel zusammen und blieb erschöpft liegen.
Erst jetzt bemerkte sie die vollkommene Stille, die im Wald herrschte. Blinzelnd blickte sie die Spur der Zerstörung an, die sie hinterlassen hatte. Abgebrochene Äste und aufgewühlter Waldboden zeugten von ihrer hastigen Flucht. Schwer atmend legte sie sich auf den Rücken. Regen tropfte durch das dichte Blätterdach auf ihren Körper.
Langsam begann ein Vogel zu singen. Eine Regenmeise. Das sanfte Trillern versetzte Teki in einen Zustand der Entspannung, den sie seit drei Jahren nicht mehr gespürt hatte. Für einen kurzen Moment fiel alle Anspannung von ihr ab und sie schloss die Augen. Ihre Ohren bewegten sich unruhig, um jedes noch so kleine, nicht von einem Menschen verursachte Geräusch aufzunehmen.
Plötzlich hörte sie, wie ein Ast brach. Ihre Ohren zuckten. So leise wie möglich richtete Teki sich in eine kauernde Haltung auf. Hinter ihr ertönte ein Rascheln. Vorsichtig drehte sie sich um. Eine riesige Kreatur, ein Wolf mit rotem Fell und einem imposanten Hirschgeweih, trat aus dem Dickicht. Seine gelb-grünen Augen ruhten auf Tekis kleiner Gestalt. Instinktiv wusste sie, dass sie sterben würde.
Die Kreatur stand einfach nur da und sah sie an. Sie wusste, dass Teki keine Möglichkeit zur Flucht hatte und kostete den Moment voll aus. Teki hielt vollkommen still. Der Wolf stürzte los. Teki rannte auf ihn zu und hechtete zwischen seinen Beinen hindurch. Die Kreatur jaulte überrascht auf und grub die Krallen in den Boden, um sich zu bremsen. Ohne einen weiteren Blick zu wagen, rannte Teki erneut los.
Wieder spürte sie das Gefühl heißer Tränen auf ihren Wangen. War sie dazu bestimmt ewig wegzulaufen? Vielleicht hatte Avain doch recht gehabt, mit den Dingen, die er ihr erzählt hatte. Hinter ihr wütete das Monster und warf Baumstämme und Steine, denen Teki mühsam ausweichen musste, einfach mit seinem Geweih aus dem Weg.
Tekis Atem verschnellerte sich schmerzhaft, als sie ihre letzten Kraftreserven aktivierte. Schwungvoll brach sie durch einen weiteren Dornbusch und fand sich auf einer komplett leeren Ebene wieder. Ihr sackte das Herz in den Magen. Auf dieser freien Fläche würde sie dem Monster nie entkommen.
Gerade als sie sich umdrehte, packte die Kreatur sie mit den Vorderklauen. Teki schrie auf, als sich die Krallen in ihre Arme bohrten. Das geifernde Maul des Monsters kam immer näher. Teki konnte die goldenen Flecken in seinen Augen sehen. Stinkender Speichel tropfte auf ihr Gesicht und brachte sie zum Würgen.
Plötzlich kreischte das Monster auf. Das Geräusch fuhr Teki durch Mark und Bein und verursachte Gänsehaut. Der Boden schien zu beben und der Griff der Kreatur lockerte sich. Zitternd presste Teki die Hände auf die empfindlichen Katzenohren. Mit einem dumpfen Schlag landete das Monster auf ihr und begrub sie unter sich.
Das erste, was Teki spürte, als sie das Bewusstsein wiedererlangte, war der dumpfe Schmerz in ihren Beinen. Dann ertastete sie die Weichheit des Untergrundes, auf dem sie lag. Sofort schoss die Angst durch ihre Glieder. Panisch riss sie die Augen auf.
Das Zimmer, in dem sie auf einer dünnen Matratze auf dem Boden lag, war spärlich eingerichtet. Der Boden bestand aus dunklem Holz, das zu der Kommode in einer Ecke des Raumes passte. Durch ein großes Fenster schien Mondlicht herein. Auf dem Fensterbrett stand ein kleiner Baum, dessen silberne Blüten in Richtung Himmel zeigten. Neben der Matratze stand eine Schüssel mit Wasser, an der ein Zettel lehnte.
Teki nahm den Zettel in die Hand und versuchte die Buchstaben zu entziffern. Sie hatte nie wirklich lesen gelernt. Als Avains Sklavin hatte sie es sowieso nicht gemusst. Mit großer Mühe schaffte sie es, die Worte 'langsam trinken' zu lesen.
Vorsichtig hob sie die Schale hoch. Im Wasser konnte sie ihr verschwommenes Spiegelbild erkennen. Ihre Katzenohren hatten ein paar Kratzer abgekriegt und das Fell war verwuschelt. Seufzend befahl sie sich, nicht auf ihr Aussehen zu achten und hob die Schale an die Lippen. Das Wasser war kalt und erfrischend und stärkte ihre Lebensgeister.
Teki stellte die Schale wieder ab und versuchte aufzustehen. Doch sie konnte ihre Beine keinen Zentimeter bewegen. Verzweifelt rollte sie sich von der Matratze runter. Dabei stieß sie gegen die Schale, die mit einem lauten Schlag umkippte und gegen die Wand rollte. Teki zuckte zusammen. Unfähig sich zu bewegen starrte sie die Tür an und achtete gleichzeitig auf jedes noch so kleinste Geräusch.
Tatsächlich wurde die Tür ein paar Minuten später leise geöffnet. Teki zuckte zurück und rollte sich noch enger zusammen. "Hey", sagte eine sanfte, eindeutig männliche Stimme. "Es gibt keinen Grund, wegzulaufen oder sich zu verstecken." Teki blickte auf.
Schulterlange, dunkle Haare umrahmten das lächelnde Gesicht eines Mannes. Seine Augen leuchteten in einem hellen Gelb. "Wer bist du." flüsterte Teki. Der Mann lächelte. "Tenawhar." antwortete er. "Und du?"
"Teki." flüsterte sie. Tenawhars Lächeln wurde breiter. "Ein schöner Name. Wenn ich mich recht entsinne, bedeutet er Möve. Bist du am Meer geboren?" überrumpelt, nickte Lenny.
Tenawhar legte seine Hand auf Tekis Schulter. "Komm, ich helfe dir zurück ins Bett. Es ist mitten in der Nacht." Teki zuckte zusammen. "Es tut mir leid dass ich dich geweckt habe." murmelte sie, mit Blick auf den Boden. Tenawhar hob sie vorsichtig hoch. "Es ist okay." beruhigte er sie. "Ich war sowieso noch wach. Ich muss als Fee nicht schlafen."
Teki lag schlaff in seinen Armen und wagte es nicht, sich zu bewegen. "Das bedeutet, ich kann deinen Feenkreis nicht verlassen." sagte sie tonlos. Tenawhar legte sie wieder ab. "Das könntest du auch so nicht. Es tut mir leid, es zu sagen, aber deine Beine sind schwer beschädigt. Du wirst wahrscheinlich nie wieder laufen können."
Teki begann zu zittern. Stumme Tränen durchnässten ihr Kissen. Traurig blickte Tenawhar auf sie hinab. "Ich kenne diesen Schmerz." erzählte er. "Du musst erkennen, dass das Leben wundervoll ist. Ich kann dir helfen wieder zu laufen." Teki starrte ihn an, und wartete auf das Aber.
"Aber am Ende brauchst du einen Freund oder eine Freundin, um aus meinem Kreis zu entkommen."
"Ich habe keine Freunde." flüsterte Teki.
"Na ja", Tenawhar legte verlegen eine Hand in den Nacken. "Jetzt hast du mich. Dein Geist ist so außergewöhnlich, dass ich mich wirklich mal gerne mit dir unterhalten würde, wenn du wieder ganz bei Kräften bist. Und du kannst es schaffen. Sie mich an: ich stehe auf wieder." Teki lächelte leicht.
"Ich werde mir Mühe geben."
(Wörter: 1331)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top