Lichtertanz

Stille senkte sich über den dichten, sommerlich warmen Wald. Selbst das Zirpen der Grillen, die besonders in der Abendszeit aktiv waren verstummte. Das Zwitschern der Vögel verklang mit dem Rauschen des Windes. Dunkelheit senkte sich wie ein seidener Vorhang auf die alten Bäume herab. 

Die brütende Hitze, die die letzten Monate auf dem Land gelegen hatte, und die Bäume und das Gras in verbrannte, braune Wracks verwandelt hatte, war seit einer Woche verschwunden. Durch den Segen der Naturgeister hatte sich der Wald an dieser Stelle schon erholt. 

Doch die Stille hielt nicht lange an. Ein lautes Donnern ertönte. Ein zweites. Ein drittes. Trommelschläge. Der liebliche Klang einer Flöte gesellte sich zu dem immer schneller werdenden Rhythmus. Zwischen den Baumstämmen tauchten kleine bunte Lichter auf, die langsam größer wurden. Sie tanzten durch das schwarze Dickicht der Nacht, Schimmer der Freude und Ausgelassenheit. 

Das erste der Lichter hatte eine von hohem Waldgras bedeckte Lichtung erreicht. Es flimmerte kurz, ein letztes Zögern, bevor es sich zu der Gestalt einer jungen Frau manifestierte. Leicht schräg gestellte Mandelaugen, umrahmt von goldenen Haaren, eingefasst in silbergrüne Haut, und ein großes Edelsteinbehängtes Hirschgeweih, zierten ihrem schlanken Körper. Sie lachte, als sie sich im Kreis drehte, ihre weiten Gewänder flatterten durch die Luft. 

Der Klang ihrer zarten Stimme gesellte sich zur Musik der Flöten und Trommeln. Auffordernd winkte sie ihren Freunden zu. 'Kommt!' sagte ihre Geste. 'tanzt mit mir!'. Ein alter Mann mit langem Bart, humpelte vorwärts. Seine grüne Haut war verblasst, seine Augen strahlten jedoch um so heller. Lachend ergriff er die Hand der Frau. 'Tochter.' sangen seine Bewegungen. 'Ich bin so stolz.' Unausgesprochene Liebe erfüllte die Luft, greifbar gewordene Gefühle. 

Er wandte sich der Menge zu. 'Tanzt! Wir haben gesiegt. Erlaubt euch die Freude, nach Zeiten der Not.' Nach und nach wagten sich die anderen Lichter auf die Wiese. Kaum traten sie ins Mondlicht, wurden ihre Gesichter weich und ihre Augen begannen zu glänzen. 

Die Lichter nahmen die verschiedensten Erscheinungsformen an. Majestätische Waldtiere mit Edelsteinen im Fell, elfenhafte Humanoide Gestalten und zarte Kinder bewegten sich auf der Lichtung im Takt der Musik. Die Töne schienen die Luft zu verändern und mit magischen Schwingungen aufzuladen. Die Spitzen der hohen Gräser begannen silbern zu leuchten. Leicht wirbelten die Füße der Lichter über den Boden und hinterließen schimmernde Schlieren in der Luft. 

Die junge Frau tanzte in der Mitte der Versammlung und hielt die Hand ihres Vaters. Pure Freude leuchtete aus ihren Augen. Sie zeigten Hoffnung auf einen Neuanfang, nach einer langen Zeit des Leidens. An manchen Stellen ihres Körpers konnte man seltsam verfärbte Flecken erkennen. Sie sahen aus wie Verbrennungen. Die Edelsteine in ihrem Geweih glitzerten im Mondschein. Plötzlich hielt sie inne und wandte das Gesicht zum Himmel. 

Langsam hörten auch die anderen Lichter auf zu tanzen. Erwartungsvolle Blicke streiften die dunklen Wolken, die sich vor den Mond geschoben hatten. Die junge Frau atmete tief ein. Der Schlag der Trommeln wurde durch Donnergrollen ersetzt. Erste feine Regentropfen fielen aus den grauen Wolken. Kaum berührten sie die Gesichter der Lichter wurden sie in die schimmernde Haut gesogen. 

Die Frau hob ihre Hand. Auf den schlanken Fingern hatte sich eine besonders große Stelle grau gefärbt. Langsam überdeckte das silberne Leuchten ihrer glühenden Haut die Verfärbung. Wieder blickte sie in den Nachthimmel. Tränen vermischten sich mit dem Regen. Lächelnd drehte sie sich zu ihren Brüdern und Schwestern um. Sie hatten hart ums Überleben gekämpft. Der Regen war ein gutes Omen. Ein Zeichen für sie alle. 


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