Samerico - Tanzende Fischverkäufer
Samuele + Federico
Die Menschen liefen wild durcheinander, fast wie in einem Ameisenhaufen. Dicht gedrängt aneinander vorbei, um an die Stände zu kommen. Ein Mann mittleren Alters, der sich lebhaft mit einer Frau unterhielt, rempelte mich im Vorbeigehen an, woraufhin ein fröhliches „Scusi" den Platz erfüllte. Die Sonne brannte vom Himmel herab, aber Wolken wären mir lieber gewesen. Drückten meine Laune besser aus.
Im Hintergrund konnte man leise einen Straßenmusiker hören, der an dem großen Brunnen sitzend mit seiner Gitarre irgendwelche Popsongs spielte.
Seit wann war ich eigentlich so negativ? Achja, Jay.
Lustlos kramte ich nach der zerknüllten Einkaufsliste, die mir Tante Camilla heute Morgen in die Hand gedrückt hatte. Mit mahnendem Blick hatte sie mir gesagt, dass ich mal wieder das Haus verlassen solle, also stand ich jetzt hier. Mitten in einem Haufen Menschen. „Spigola" war noch in unordentlicher Schrift auf dem Papier zu lesen, den Rest hatte ich schon durchgestrichen.
Seufzend stopfte ich den Zettel zurück in meine Tasche und quetschte mich an den Leuten vorbei, zum nächsten Fischstand, der sich in meiner Nähe befand. In dem kleinen Wagen drehte sich eine kleinere Frau hektisch hin und her, suchte scheinbar etwas. Neben ihr stand ein Typ, vielleicht so alt wie ich, der kunstvoll einen Fisch filetierte. An seinen langen Fingern trug er Ringe, an denen er immer wieder festzuhingen schien. Er legte das Messer zur Seite und bettete das Filet sanft auf das Eis. Dann hob er den Kopf und strich sich eine Strähne seiner dunklen Locken aus dem Gesicht. Seine Augen wanderten umher und sein zufriedener Gesichtsausdruck wandelte sich in ein verschmitztes Grinsen, als er mich sah.
„Möchtest du einfach dastehen und mich anschauen oder tatsächlich auch was kaufen?"
Ich verdrehte kurz die Augen und wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als die kleine, dickliche Frau im Wagen mich unterbrach.
„Samuele! Du hast ja schon wieder deine bescheuerten Ringe an. Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass die hier nichts zu suchen haben?"
Genervt zog er sich die Ringe ab und legte sie in eine Schublade hinter ihm. Als er sich wieder zu mir gedreht hatte, war der ausgelassene Ausdruck aus seinem Gesicht verschwunden und geröteten Wangen gewichen.
„Ich brauche einen Wolfsbarsch."
Er nickte, musterte mich aber mit einem fragenden Blick.
„Wieso bist 'n du so schlecht gelaunt?"
Darauf zuckte ich nur mit den Schultern, drehte mich demonstrativ von ihm weg und sah über den Marktplatz zu dem Musiker. Nicht viele Menschen waren in seiner Nähe, nur ein Pärchen hörte ihm zu. Ich hatte wirklich nicht das Bedürfnis, über meine Probleme zu reden. Interessierte doch sowieso niemanden. Hinter mir hörte ich, wie er leise kicherte und dann die Plastiktüte mit dem Fisch auf dem Glas des Tresens abstellte. Das Geld drückte ich ihm direkt in die Hand und wollte nach der Tüte greifen.
„Schickes Tattoo”, sagte er grinsend, während sein Blick bewundernd auf meinem rechten Unterarm lag. Ein bunter Fleck in Aquarelloptik, schwarze Umrisse einiger Planeten und weiße Sterne. Ich zuckte aber nur mit den Schultern und machte einige Schritte rückwärts. Im Wagen ertönte ein Rumpeln, Samuele sprang aus dem Wagen, zog sich hastig die Schürze über den Kopf, die er achtlos auf den Boden warf. Mit schnellen Schritten bewegte er sich auf den Musiker zu, begrüßte ihn mit einem Handschlag und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dann brachte er sich in Pose und der alte Mann begann, schnelles, italienisches Lied zu spielen, das ich noch aus meiner Kindheit kannte. Samuele sprang herum, bewegte sich und versuchte wohl, zu tanzen. Was ihm mehr oder weniger gelang. Eher weniger. Aber er sah glücklich aus und manchmal lag sein Blick auf mir, wenn er an mir vorbei wirbelte. Das Pärchen, dass dem Mann eben noch beim Spielen zugehört hatte, fing auch an zu Tanzen, andere schauten nur verachtend zu.
Allerdings konnte ich nicht anders, als leicht zu schmunzeln.
Das Lied war zu Ende und wenige der Umstehenden Menschen klatschten, die anderen gingen unbeeindruckt weiter dem nach, was sie davor gemacht haben. Samuele kam auf mich zu, leicht außer Atem aber breit grinsend. Als er vor mir zum Stehen kam, kratzte er sich an dem silbernglänzenden Nasenring, der an seinem linken Nasenflügel befestigt war und streckte dann seine Hand in meine Richtung aus.
„Samuele.”
Ich zögerte kurz, gab ihm aber dann doch die Hand.
„Federico.”
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