4 - Abgabe Schreibwettbewerb

Mit dieser wirklich kurzen Kurzgeschichte nehme ich am Schreibwettbewerb von @eisbaerlady teil. Es gab dafür ein paar Vorgaben, unter sollte die Geschichte im Genre Romantik geschrieben werden und es sollten vier Stichworte verwendet werden: Umzug, neue Klasse, Unfall (Verletzt in der neuen Stadt) und Geheimnis. Und hier könnt ihr lesen, was dabei herausgekommen ist. Sicherlich kein Meisterwerk, aber es hat Spaß gemacht, die Geschichte zu schreiben. Schaut unbedingt mal bei @eisbaerlady vorbei.  Vielleicht habt ihr ja Lust, nächsten Monat auch am Wettbewerb teilzunehmen. :)

***

Das also war mein erster Tag in der neuen Klasse, der erste Tag meines Referendariats. Die Kinder haben mich gut aufgenommen, wobei Kinder sind sie mit dreizehn nicht mehr. Jedenfalls nicht, wenn man sie selbst fragt.

Bestimmt werde ich mich dort wohlfühlen, auch wenn es noch komisch ist, jetzt einfach so auf die Kinder losgelassen zu werden. So richtig fähig fühle ich mich noch nicht, wobei mir gesagt wurde, dass ich das den Kindern gegenüber auf keinen Fall zeigen soll. Sie können Angst riechen und schwuppdiwupp bist du ihnen ausgeliefert. Aber ich will nicht gleich den schwarzen Peter an die Wand malen, immerhin lief der Tag wirklich gut. Viele haben sich am Unterricht beteiligt und das sogar freiwillig. Das ist nicht selbstverständlich, also muss ich sie schon irgendwie erreicht haben.

Ich drehe so lange an den Rädchen des Fahrradschlosses, bis die Kombination stimmt und ich es aufziehen kann. Nachdem ich mich aufgerichtete habe, schiebe ich meine Brille zurecht und packe das Schloss in meine Tasche. Ich schwinge sie mir auf den Rücken und ziehe das Rad aus dem Fahrradständer.

Meine neue Wohnung ist zum Glück nur zehn Radminuten von hier entfernt. Sie ist zwar nicht größer als ein Schuhkarton, denn mehr konnte ich mir nicht leisten, aber trotzdem bereue ich es bisher nicht, hierhergezogen zu sein. Nicht weit von meiner Wohnung ist zum Glück auch eine Pizzeria. Den Lieferanten kenne ich schon mit Vornamen, dabei wohne ich noch keinen Monat hier. Tja, spricht nicht gerade für meine Ernährungsweise oder die Ausstattung meiner Küche.

Ich schwinge mich auf mein Rad und fädle mich in den fließenden Verkehr ein. Es ist schon etwas anderes in einer größeren Stadt herumzufahren als in dem kleinen Dorf, in dem ich mein ganzes Leben verbracht habe. Ich muss mich deutlich mehr konzentrieren. Trotzdem fahre ich lieber als zu Fuß zu gehen.

Den Weg zur Schule bin ich schon im Vorfeld ein paar Mal abgefahren. Ich kann es nicht leiden, wenn ich die Strecke nicht kenne und pünktlich sein muss. Noch zwei Querstraßen, dann muss ich rechts abbiegen.

Nach weiteren zwei Minuten kann ich den Wohnblock schon sehen. Ich trete noch einmal richtig in die Pedale als aus dem Hauseingang direkt neben mir ein kleiner Hund gesprungen kommt und ein kleines Mädchen an der Leine hinter sich her zieht.

Sie springen direkt vom Fußweg hinunter auf die Straße, ohne auch nur einen Blick in meine Richtung zu verschwenden. Erschrocken verreiße ich den Lenker und fahre zwischen zwei Bäumen hindurch auf den Bürgersteig. Puh, das ist gerade noch mal gut gegangen. Sie kann doch nicht einfach ohne zu gucken auf die Straße laufen! Ist da denn kein Erwachsener bei ihr? Ich wende mich nur für den Bruchteil einer Sekunde um, als sich mein Herzschlag wieder etwas beruhigt hat, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass genau in dem Moment kommt hinter einem Umzugswagen jemand mit zwei Umzugskartons bepackt hervorkommt.

Fürs Bremsen ist es zu spät und links reihen sich die Bäume neben dem Fußweg aneinander und rechts von mir befinden sich die Fassaden der Mehrfamilienhäuser. Vor dem Hauseingang steht ganz viel Krempel, der wohl aus dem Umzugswagen stammt. Es gibt also nur einen Ausweg. Ich hoffe nur, dass es nicht allzu schmerzhaft wird.

»Vorsicht«, brülle ich, gehe voll in die Eisen und ziehe nach rechts auf den Haufen Zeug zu. Ich schmettere an dem Mann mit den Kisten ganz knapp vorbei. Hoffentlich treffe ich die an den Haufen mit Zeugs angelehnte Matratze.

Durch das starke Bremsen schliddert mein Hinterreifen herum und ich pralle seitlich gegen die Matratze, das Fahrrad rutscht unter mir weg und ich falle ungebremst hart auf den Boden.

»Au, verdammter Mist«, schimpfe ich vor mich hin, als ich wieder halbwegs klar sehen kann und rapple mich vorsichtig vom Boden hoch. »Au, au, au, au.«
Vermutlich liegt meine verschwommene Sicht auch daran, dass meine Brille auf meiner Nase verrutscht ist.

»Geht es Ihnen gut? Sind sie verletzt? Das war ein ziemlich krasses Manöver.«
Noch bevor ich überhaupt aufblicken kann, spüre ich eine Hand auf der Schulter und eine an meinem Arm. Sie sind groß und warm und stützen mich.
»Können Sie aufstehen?«, fragt die tiefe Stimme und ich nicke, weil meine Stimme mir offensichtlich bei dem Sturz abhandengekommen ist.

Ich glaube, dass es geht. Meine Beine tun nicht weh, dafür aber mein Handgelenk und meine Schulter. Verdammter Mist. Das kann ja auch nur mir passieren und dass ausgerechnet nach meinem ersten Arbeitstag.

»Okay, kommen Sie. Ich helfe Ihnen.«
Ich lasse mich von den beiden Hände auf meine Füße ziehen, aber sie lassen mich nicht sofort los als ich mein Gleichgewicht wieder gefunden habe. Offenbar will sich der Mann, zu dem die Hände gehören noch versichern, dass ich nicht gleich wieder lang hinschlage.

»Ich lasse Sie jetzt los, okay?«, fragt er und bestätigt damit meine Annahme.
»Ja, danke«, erwidere ich und erschrecke angesichts der Tatsache, dass meine Stimme zittert.
»Sie bluten am Ellbogen. Haben Sie sich sonst irgendwo verletzt?« Dieser hartnäckige Typ lässt mich auch nicht einen klaren Gedanken fassen. Ich muss erstmal realisieren, was gerade eigentlich passiert ist, damit ich sagen kann, wo ich mich verletzt habe.

»Ich glaube, nur die rechte Schulter und das Handgelenk. Der Rest tut nicht weh«, erkläre ich und richte dann das erste Mal meinen Blick durch meine verrutschte Brille auf den Mann, der mir gegenüber steht.
Und oh man, sieht der gut aus. Warum musste mir das ausgerechnet vor seiner Nase passieren!
»Okay, können Sie alle Gelenke bewegen?« Der Mann streckt gerade seine Hand nach meinem Arm aus, als ich zurück zucke.

»Ähm, ja. Ich glaube schon. Danke.« Ich lasse doch nicht irgendeinen Fremden meinen Arm abtasten nachher ist doch etwas gebrochen und er macht es noch schlimmer.
»Keine Sorge. Ich bin Arzt. Also na ja - seit kurzem Assistenzarzt.« Gutaussehend und gebildet, ich glaube ich bin gerade in meinen Traummann geradelt. Und vermutlich habe ich mir gehörig den Kopf gestoßen! Sowas denke ich doch sonst nicht so einfach über Fremde!
Apropos geradelt, ich hoffe, dass seine Sachen nicht kaputtgegangen sind, als ich mit Karacho hineingerast bin. Ich richte meine Brille und schaue mich um.

»Sind das Ihre Sachen? Mein Gott, es tut mir wahnsinnig leid! Ich hoffe, ich habe nichts kaputt gemacht.« Und da fange ich auch schon an zu plappern wie immer, wenn ich nervös bin. »Eben musste ich schon einem kleinen Mädchen und ihrem Hund ausweichen, die einfach auf die Straße gesprungen sind und dann waren da überall Bäume und die Häuser und plötzlich sind Sie mit ihren Kartons in der Bahn gewesen und da wusste ich nicht wohin. Ich konnte nicht mehr bremsen. Und dann -«
»Haben Sie gedacht, es wäre eine gute Idee in meine Matratze zu fahren?«, fragt er lachend.

»Es tut mir wirklich leid. Falls ich etwas beschädigt habe, ersetze ich es natürlich!« Ich greife nach meiner Tasche, aber als ich den Gurt umfasse und sie anheben will, zische ich auf. Meine Hand tut doch doller weh als gedacht.

»Machen Sie sich darüber erstmal keinen Kopf. Wenn es okay ist, würde ich mir gern erstmal Ihren Arm ansehen. Kommen Sie erstmal mit rein, ja?«
Der Mann sieht mich so unschuldig an, dass ich für einen Moment beinahe wirklich mitgegangen wäre, dabei kenne ich diesen Typen doch gar nicht. Woher soll ich also wissen, ob er wirklich Arzt ist?

Ihm scheint mein Zögern nicht zu entgehen, denn jetzt hebt er entschuldigend die Hände.
»Tut mir leid, das sollte nicht forsch wirken. Ich bin Hannes. Vielleicht hilft es, wenn wir schon mal unsere Namen kennen?« Sein Lächeln ist vorsichtig, aber ehrlich. Und es macht ihn nicht weniger attraktiv.

»Nela.« Ich erwidere sein Lächeln. »Ja, das hilft wirklich.« »Na, das ist doch schon mal etwas. Darf ich mir dann vielleicht hier draußen dein Handgelenk ansehen?« Er wirkt wirklich besorgt und irgendwie will ich ihm vertrauen. Warum sollte er auch so tun, als wäre er Arzt, wenn er es nicht ist?

Meinen Arm halte ich vor meinem Bauch. Das Handgelenke ist inzwischen sogar schon etwas angeschwollen. Vielleicht sollte ich ihn doch mal draufschauen lassen. Bestimmt kann er mir wenigstens sagen, ob es gebrochen ist oder nicht.
»Äh, okay. Oder vielleicht sollten wir dafür doch besser rein gehen. Du hast vermutlich recht.« Verdammt, jetzt habe ich doch tatsächlich zugestimmt, mit in seine Wohnung zu gehen.

Hannes nickt und reicht mir seine Hand. »Soll ich dich stützen, oder tut wirklich nur der Arm weh?«
»Nein, alles gut. Es ist wirklich nur der Arm.«
Erst jetzt komme ich dazu, ihn mir näher anzusehen. Die dunklen Augen des Mannes strahlen mir entgegen und seine geschwungenen Lippen sind zu einem Grinsen verzogen. Die Ärmel seines Hemdes sind hochgeschoben und offenbaren tätowierte Unterarme. Er ist zweifelsfrei attraktiv und genau mein Typ.

Ich folge Hannes in das Haus und die vier Treppenabsätze hinauf bis in den ersten Stock. Mein Fahrrad und seine Sachen lassen wir kurz vor der Tür stehen. Wir sind schließlich nicht lange weg. Hoffe ich zumindest.

Die Tür zu seiner Wohnung steht offen und überall in dem kleinen Flur stapeln sich braune Umzugskartons.
Er bietet mir einen Platz auf einem Klappstuhl in seiner Küche an, die schon so gut wie fertig aussieht. Damit wäre er schon weiter als ich. Immerhin besitze ich nur zwei Elektrokochplatten und einen Tapeziertisch in meiner Küche.

»Ah, hier ist sie ja!«, ruft Hannes aus dem Nachbarraum und kommt mit einem kleinen Tiegel in der Hand zurück in die Küche.
»Was ist das?«, frage ich, als er zu mir kommt und sich neben mich setzt.
»Eine Schmerzsalbe, rein pflanzlich. Aber glaub mir, sie bewirkt wahre Wunder. Das sollte gegen die Prellung helfen.« Er öffnet den Tiegel und streckt seine Hand aus, damit ich meine hineinlegen kann.

»Okay, und woraus besteht sie?«, frage ich, bevor ich mein Handgelenk in seine weichen, wärmen Hände gebe.
»Arnika und einigen kühlenden Kräuter. Das vollständige Rezept ist aber ein Familiengeheimnis. Das wird nicht verraten.«
Ich sehe Hannes dabei zu, wie er die Salbe mit dem Finger aus dem Tiegel holt und sie dann ganz sanft auf meinem Handgelenk verteilt. Seine Finger streichen über meine Haut und ich bin mir nicht sicher, ob die Gänsehaut nur von den kühlenden Kräutern kommt.

»Danke.« Meine Stimme klingt leiser und zittriger als ich beabsichtigt habe, aber Hannes lässt sich davon nicht beirren. Er verreibt die Salbe, bis sie vollständig eingezogen ist. Dann lässt er meine Hand los, verschließt den Tiegel und gibt ihn mir.
»Kein Problem. Und die Salbe solltest du mitnehmen. Damit kannst du deine Schulter noch einreiben. Ich denke mal, dass soll ich jetzt nicht unbedingt machen?«

Tatsächlich bringt mich diese Äußerung zum Lachen. Vermutlich wäre es eine schlechte Idee, mein Kleid auszuziehen, nachdem wir uns gerade erst fünf Minuten kennen, um meine Schulter von ihm eincremen zu lassen.
»Äh, nein. Vielen Dank. Das sollte ich selbst hinbekommen.«

»Okay, sehr gut. Soll ich dich noch nachhause bringen? Ich kann dein Fahrrad schieben, dann musst du dein Handgelenk nicht so belasten.« Hannes steht bereits auf, um mich zur Tür zu begleiten.
»Nein, schon gut. Du hast schon genug für mich getan, nachdem ich dich schließlich fast umgefahren habe.« Ich lächle schüchtern und stehe ebenfalls auf.

»Okay Nela, aber eine Sache wäre da noch. Nachdem du nun schon so rasant auf meiner Matratze gelandet bist, schuldest du mir wenigstens ein Essen. Findest du nicht?« Hannes zwinkert mir zu und grinst breit. Wow, wie gut kann jemand aussehen?
Ich nicke eilig. »Auf jeden Fall! Immerhin hast du mich auch gleich noch verarztet.«

»Da hast du recht. Also schuldest du mir doppelt etwas«, erwidert er verschmitzt. »Wie wäre es, wenn wir erstmal unsere Handynummern austauschen? Dann kannst du mir auch gleich Bescheid geben, wenn die Salbe aufgebraucht ist und du mehr brauchst.«

Wieder nicke ich und hole ungeschickt mein Handy aus meiner Tasche.
Wir tauschen also unsere Nummern aus und ich lasse mich von Hannes nach unten zu meinem Fahrrad begleiten. Dann gehe ich verletzt aber mit einem angenehmen Kribbeln im Bauch nachhause und freue mich auf das Wochenende und damit auf das nächste Treffen mit Hannes.

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