4.1 Abgabe Schreibwettbewerb
Wieder eine Kurzgeschichte, die im Rahmen des Schreibwettbewerbs von eisbaerlady entstanden ist.
Die Vorgaben bestanden aus dem Genre Fantasy und den dickgedruckten Worten. Viel Spaß beim Lesen. 😊
»Pass doch auf!«, hörte Elea die Stimme eines Mannes direkt neben sich. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie sie ihn angerempelt hatte.
»‘Tschuldigung«, nuschelte sie eilig, bevor sie schnellen Schrittes um die nächste Ecke bog und der kleinen Gasse folgte. Das in altes Leder gebundene Buch presste sie noch immer fest an ihre Brust. Sie musste es unbedingt Salvatore zeigen. Ihm würden sicher die Augen aus dem Kopf fallen, wenn er es las! Sie hoffte, dass er es lesen konnte, denn sie verstand nicht eins der Symbole, die sich darin befanden. Das allerdings war ein sehr gutes Zeichen.
Immer wieder sah sie sich um und vergewisserte sich, dass ihr niemand folgte. Bald hatte sie ihr Ziel erreicht. Sie musste nur kurz vor Dorfende links abbiegen, dann das letzte Haus in der kleinen Gasse. Sie steuerte direkt auf die Hauswand zu, aber bevor sie den lockeren Backstein herauszog, wand sie sich noch einmal um. Niemand war in der Nähe zu sehen. Also konnte sie es wagen.
Vorsichtig rüttelte sie an dem dicken Stein und zog ihn schließlich so leise wie möglich heraus. Dann griff sie durch die entstandene Lücke und entriegelte die Tür. Vorsichtig lehnte sie sich gegen die Mauer und ein Teil der Hauswand gab nach. Die Tür schwang nach innen auf und offenbarte den kleinen geheimen Raum, den Salvatore und Elea vor ein paar Monden entdeckt hatten.
Schnell legte das kleine Moosmädchen den Stein wieder in die Lücke vor den Riegel, huschte durch die Tür und stemmte sich von innen mit dem Rücken dagegen, um sie zu schließen. Ihr Herz schlug noch immer heftig. Immer wieder hatte sie Sorge, dass jemand sie erwischen könnte. Tief durchatmend ließ sie den Blick durch das spärlich beleuchtete Zimmer schweifen.
Salvatore saß mit verschränkten Armen und überschlagenen Beinen an dem alten Holztisch und grinste ihr breit entgegen. Das Licht der kleinen Öllampe auf dem Tisch ließ seine markanten Gesichtszüge düster wirken.
»Na, wer war dir denn auf den Fersen?«, fragte der Puk frech, was Elea schnauben ließ.
»Niemand! Ich wollte nur nicht, dass jemand unser Versteck findet«, wetterte das Moosmädchen.
Sie konnte es wirklich nicht leiden, wenn er sich über sie lustig machte. Es reichte schon, dass er immer wieder darauf herumritt, dass er etwas größer war als sie. Dabei war es keine Leistung größer zu sein als ein Moosmädchen. Nicht mal für einen Puk.
»Verzeih‘ mir, Wehrteste. Aber zeig doch mal her, was du da in deinen Händen hältst.«
Ach ja! Das Buch. Deswegen war sie so schnell hierhergeeilt. Beinahe hätte sie es aufgrund der Unverschämtheiten von Salvatore vergessen.
»Das musst du dir ansehen! Ich habe es in der Stadt in dem kleinen Laden von Isebrand gefunden. Er wollte es mir erst nicht verkaufen und ich musste sechs Silberstücke dafür hergeben, aber dann hat er endlich zugestimmt« Ihre Worte schienen die Neugier des Puks geweckt zu haben, denn er richtete sich auf dem kleinen Schemel auf.
»Zeig her, was ist das für ein Buch?« Trotz des Zwielichts hatte Salvatore schon entdeckt, was Elea immer noch an ihre Brust drückte.
»Du musst vorsichtig sein, es ist wirklich sehr alt!« Sie legte den schweren Folianten auf den Tisch, als wäre er ein rohes Ei.
»Wann bin ich denn nicht vorsichtig, Lea?«, fragte er, ohne seine Augen von dem Buch abzuwenden.
Bedächtig strich er über den ledernen Einband und als ihm die Prägung darauf auffiel. Sofort weiten sich seine Augen.
»Sag nicht, das ist das Buch von…«
»Endoras. Es ist das Buch von Endoras!«, unterbrach sie Salvatore. Sie konnte ihre Begeisterung kaum zügeln.
»Es ist bestimmt eine Fälschung. Warum sollte das Buch von Endoras in unserem Dorftrödelladen liegen? Und wenn nicht, wäre Isebrand ein dummer alter Mann, es dir so günstig verkauft zu haben« Trotz seiner Zweifel schlug der Puk das Buch in der Mitte auf und begann ein paar der Zeilen zu lesen.
»Warum sollte jemand das Buch fälschen?«, fragte sie stirnrunzelnd.
Für Elea gab es keinen Grund das Buch zu fälschen. Eher hätten sie vielleicht versucht, das Buch zu vernichten.
»Ich weiß es nicht. In der Hoffnung, uns in die Irre zu führen. Oder ebenjene, denen das Buch in die Hände fällt.« Salvatore sprach nur leise und konzentrierte sich mehr auf den Inhalt des Buches, als darauf Elea zu antworten.
»Denkst du, sie sind dort drinnen?«, fragte sie andächtig und versuchte über seine Schulter auch das ein oder andere lesen zu können.
»Soweit ich die Sätze entziffern kann, ist es möglich. Endor ist eine wirklich verzwickte Sprache. Außerdem spricht sie verständlicherweise niemand mehr. Aber ich denke, dass es keine Fälschung ist. Sechs Silberstücke, sagtest du? Wenn es das echte Buch ist, ist es bestimmt das Hundertfache wert.« Salvatores Stimme war nur noch ein Flüstern.
»Wenn wir sie dort herauslassen, was meinst du, würde passieren?« Elea besah die Schriftzeichen, aber leider war sie nicht in der Lage, sie zu entziffern. Das hatte ihr der Puk deutlich voraus. Sehr zu ihrem Leidwesen, denn Salvatore war ein schlimmer Besserwisser.
»Im besten Falle leben sie einfach wieder hier. Allerdings kenne ich mich nicht genug mit dunkler Magie aus, um sagen zu können, in welchem Zustand die Bevölkerung von Endoras nun ist.«
Elea musste einsehen, dass das nicht vorhersehbar war. Immerhin war das Volk von Endoras bereits seit Dekaden durch einen dunklen Zauber verschollen. Niemand wusste, ob sie wirklich in dem Buch eingeschlossen worden waren oder ob die Magier sie ausgelöscht hatten.
»Und außerdem sind wir beiden wohl kaum in der Lage, sie da wieder herauszuholen. Oder kannst du seit Neustem Magie wirken, Moosmädchen?«
Elea zog ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Sie konnte die Überheblichkeit des Puks allmählich nicht mehr ertragen. Wenn er nicht bald aufhörte, würde sie das Buch nehmen und wieder von hier verschwinden!
»Ach komm schon Lea, das war doch nur so gesagt. Du musst nicht gleich eingeschnappt sein. Tut mir leid.« Er sah sie entschuldigend aus seinen großen dunklen Augen an, was Elea seufzen ließ. Salvatore wusste sehr genau, wie er sie wieder klein kriegte.
»Schön. Jetzt nimm dich aber zusammen. Immerhin habe ich das Buch gefunden.«
»Und das hast du wirklich gut gemacht! Lass mich nur kurz ein wenig darin stöbern, vielleicht finde ich etwas, dass uns verrät, wie die Endora verschwunden sind und vor allem, ob sie wirklich in dem Buch stecken.« Der Puk beugte sich wieder über den Folianten und zog die Öllampe etwas näher zu sich heran.
Die Minuten verstrichen, während Elea sich Salvatore gegenüber auf den zweiten Schemel setzte und ihm dabei zusah, wie er in dem dicken Buch blätterte. Seine Stirn war in Falten gelegt und er kaute bedächtig auf seiner Unterlippe, während sein Blick schnell über die Zeilen flog.
Nach einer gefühlten Ewigkeit - Elea hatte in der Zwischenzeit ein Stück Brot und Käse geholt, damit sie in ihrem Versteck zu Abend essen konnten – richtete sich Salvatore wieder auf.
»Das Buch ist unheimlich fesselnd, Lea! Ich glaube wirklich, dass du das Original gefunden hast! Unglaublich. Hier steht alles über den Krieg zwischen den dunklen Magiern von Malor und den Lichtmagiern von Endoras. Selbst der Kampf zwischen dem König Malors und der Hohepriesterin Endoras‘ ist genau beschrieben. Hast du gewusst, dass Luna die Schwester des Königs war? Sie hatte Malor und der dunklen Magie den Rücken gekehrt und floh mit dem Ritter Morgenstern nach Endoras, wo sie schließlich die Hohepriesterin wurde.«
Der Puk erzählte ihr all das so hastig, dass das Moosmädchen Mühe hatte, ihm zu folgen. »Willst du damit sagen, dass Lunas eigener Bruder die Endora mit dem Fluch hat verschwinden lassen?«
Salvatore nickte heftig. »So muss es gewesen sein! Der Kampf ging lange und zunächst sah es so aus, als ob Luna gewinnen könnte, aber König Solis nutzte unlautere Mittel. Seine Soldaten nahmen Luna den Stab und obwohl sie auch ohne ihn ihre Magie wirken konnte, war sie nun ungleich schwächer als Solis. Dieser nutzte die sich ihm bietende Möglichkeit und ließ seine Schwester erstarren. Sie musste dabei zusehen, wie er ihr Volk, ihre neue Heimat zerstörte und schließlich verbannte. An dieser Stelle bricht die Geschichte ab. Niemand kann sagen, wohin das Volk verschwunden ist, Lea.«
Während Salvatore sich ein Stück des Brotes abbrach und herzhaft hineinbiss, untersuchte Elea den Einband des Buches genauer. Sie war schon vorhin stutzig geworden, denn die hintere Klappe war deutlich dicker, als die vordere. Vorsichtig strich sie darüber und spürte eine leichte Erhebung im inneren des Einbandes.
Sie sah noch genauer hin und stellte fest, dass ich das Papier davon zu lösen schien. Sanft ließ sie ihren Finger darüber gleiten und stockte, als sich das Papier von dem Leder löste.
Sie umschloss die lose Ecke mit Zeigefinger und Daumen und zog es in einer kurzen fließenden Bewegung ab.
»Was tust du denn da?«, schrie Salvatore auf. »Du machst es doch kaputt.«
Aber Elea ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Stattdessen hob sie die Hand, zum Zeichen, dass er still sein sollte.
Vorsichtig zog sie das Papier herunter und da offenbarte sich ihr, was sie in dem Buchdeckel gefühlt hatte.
»Ein silberner Anhänger«, flüsterte sie ehrfürchtig.
»In Form einer Mondsichel.« Salvatore schaute über ihre Schulter.
Er trat einen Schritt näher und berührte versehentlich mit seinem Ellbogen ihren unteren Rücken. Elea fuhr zusammen und ihr Finger glitt über die Spitze der Mondsichel. Sie spürte einen kurzen Schmerz und zog scharf die Luft ein.
»Mist«, fluchte sie leise und besah ihren Finger, der bereits anfing zu bluten.
»Du hast dich geschnitten«, stellte Salvatore unnötigerweise fest, denn sie konnte es selbst sehen.
»Ja, die Sichel ist ziemlich scharf.« Elea steckte sich den Finger in den Mund und hoffte, dass er bald aufhörte zu bluten.
Sie hatte eigentlich keine Schwierigkeiten mit Blut, aber es rauschte immer in ihren Ohren, wenn sie sich schnitt.
»Zeig mal her, Lea«, verlangte Salvatore und hielt ihr seine Hand hin.
Vorsichtig legte sie ihre Hand hinein und ließ ihn die Wunde ansehen.
»Das ist ziemlich tief. Ich sollte lieber etwas zum Verbinden holen und ein paar Heilkräuter. Die sollten die Blutung stoppen.«
Elea nickte, zog ihre Hand zurück und hielt sich am Tisch fest, denn das Rauschen in ihren Ohren wurde lauter.
»Du bist ganz blass, Elea. Halt bitte noch kurz durch, ich beeile mich.«
Das Moosmädchen nickte und kniff die Augen zusammen, denn der Raum begann bereits sich zu drehen.
Elea hörte das Klappen der geheimen Tür, bevor sich rückwärts taumelte und mit dem Rücken gegen die Wand stieß.
Mit einem lauten Fiepen in ihren Ohren rutschte sie mit dem Rücken an der Wand herunter. Und noch bevor Salvatore mit der Paste aus Heilkräutern in den geheimen Raum zurückgekehrt war, verlor Elea vollständig das Bewusstsein.
Aber die Schwärze, die sie einhüllte, hielt nicht lange an. Denn nur einen Wimpernschlag später verschwamm das Schwarz zu einem grauen dicken Nebel.
Eleas Augenlider flatterten und als sie ihre Augen wieder aufschlug, saß sie auf einem weichen Waldboden. Der geheime Raum war verschwunden und unter ihr spürte sie ein weiches Kissen aus Laub und Gräsern. Sie lehnte an einem dicken Baum und sah auf eine kleine Lichtung, auf der eine Frau stand. Sie hatte ihr Gesicht in Richtung Himmel gereckt und hielt die Augen geschlossen.
Ein silbernes Gewand hüllte sie ein und ihre silbrig weißen Haare waren aufwendig an ihrem Hinterkopf zusammengesteckt.
Elea war sofort von ihrer gesamten Präsenz eingenommen und ohne weiter darüber nachzudenken, richtete sie sich auf.
»Wo bin ich hier?«, fragte sie laut heraus und zog damit die Aufmerksamkeit der Frau auf sich.
Die tief grauen Augen der Frau weiteten sich und dann erschien ein strahlendes Lächeln auf ihren vollen Lippen.
»Du bist in Endoras! Zumindest in dem Teil von Endoras, den ich in den Anhänger bringen konnte, bevor Solis den Rest von unserem Reich zerstörte.« Die Frau reichte Elea ihre Hände und zog sie auf die Füße. »Du hast den Anhänger gefunden, so muss es gewesen sein!«
Elea nickte, leicht irritiert von der Überschwänglichkeit der Frau. Die Worte sickerten nur langsam in ihren Kopf, bis ihr Blick sich direkt auf das Gesicht der Frau heftete.
»Ihr seid Luna. Die Hohepriesterin von Endoras!« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und sie hätte es nicht geglaubt, wenn sie nicht die Hände der Hohepriesterin in ihren eigenen gehalten hätte.
»So ist es! Und wer bist du, wenn ich fragen darf?« Lunas Stimme war samtig und glockenzart. Die gesamte Zeit über lächelte sie und Elea musste ein paar Mal ihren Kopf schütteln, um wirklich sicher zu sein, dass sie nicht träumte.
»Mein Name ist Elea. Ich bin ein einfaches Moosmädchen aus Sandros.«
»So einfach kannst du nicht sein, meine Liebe. Immerhin hast du das Buch und den Anhänger gefunden! Sag mir, wie hast du vor, Endoras zu retten?« Lunas Augen strahlten und Elea schluckte schwer.
Das alles musste ein riesiges Missverständnis sein. Sie konnte Endoras auf keinen Fall retten! Sie interessierte sich doch einfach nur für das Verschwinden der weißen Magier.
»Ich weiß nicht, also ich… Ich bin doch nur ein Moosmädchen«, stotterte sie und musste dabei zusehen, wie sich die schönen Gesichtszüge Lunas veränderten.
»Du wusstest gar nicht, dass du mit dem Blutzauber des Anhängers nach Endoras kommen kannst, habe ich recht?«, fragte die Hohepriesterin seufzend und ließ Eleas Hände los.
Diese schüttelte ihren Kopf und senkte betreten den Blick. »Tut mir leid, ich wollte einfach mehr über Euch und Euer Volk erfahren und war überglücklich, dass Buch gefunden zu haben.«
»Nein, nein. Schon in Ordnung. Wir machen einfach das Beste draus. Du wirst nicht mehr lange hier sein. Der Blutzauber wirkt nur begrenzt. Deshalb sollten wir uns beeilen.«
Luna zog das kleine Moosmädchen hinter sich her, setzte sich dann auf einen der umgefallen Bäume und bot Elea den Platz neben sich an.
Kurz nachdem sie saß, begann Luna auf sie einzureden. »Also schön. Du musst genau zuhören, Elea. Vielleicht schaffen wir es so, hier endlich herauszukommen.«
Elea spitzte die Ohren und versuchte sich jedes Wort genau einzuprägen. Die Hohepriesterin erklärte ihr in allen Einzelheiten, wie sie einen Zauber vorbereiten konnte, der es schaffen sollte, die Endora aus dem Anhänger zu befreien. Der Blutzauber würde vermutlich nicht noch einmal wirken, deshalb musste sie wirklich genau zuhören und sich alles merken!
Immer wieder nickte Elea verstehend, bis das Rauschen in ihren Ohren wieder einsetzte. Erschrocken riss sie ihre Augen auf.
»Mir wird schwindelig!«, unterbrach sie Lunas Erzählung.
Die Hohepriesterin hielt sie wieder an den Händen. »Es ist in Ordnung, Elea. Ich habe dir alles gesagt, was du wissen musst. Bewahre unser Geheimnis um den Anhänger und den Blutzauber. Dann wird alles gut werden! Du wirst es schaffen!«
Die Worte von Luna erreichten das Moosmädchen nur noch wie durch einen dichten Nebel, denn kurz darauf sackte Elea in sich zusammen und die Schwärze umfing sie erneut.
»Elea! Elea, wach auf. Bitte, kleines Moosmädchen. Bei den Göttern, komm zu dir!«
Salvatores Bariton hallte in ihren Ohren nach und als sie die Augen öffnete, sah sie in das sehr erleichterte Gesicht des Puks.
Ihr Finger war von einem dicken Verband umschlungen und Salvatores Hand lag an ihrer Wange. Aber Elea konnte nicht anders als zu grinsen.
»Was guckst du denn so? Du warst gerade noch ohnmächtig und jetzt grinst du so unverschämt hier herum!« Salvatore hatte die Augenbrauen zusammengezogen und sah sie alles andere als begeistert an.
»Das glaubst du mir nie!«, rief sie aus.
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