4. Besuch
Irgendwie musste ich eingeschlafen sein, denn als ich die Augen öffnete, war Yuri weg. Verwirrt tastete ich über die Stelle wo er lag. Kalt. Also musste es schon eine Weile her sein, dass er aufgestanden war. Gähnend räkelte ich mich, während meine Knochen leise knackten. Der Stress von der Uni machte mich nicht nur mental kaputt, sondern auch meinen Körper. Alles mögliche an mir war verspannt, aber es gab auch keinen wirklichen Weg, um etwas dagegen zu tun. Murrend erhob ich mich aus dem kleinen Bett. Meine Füße trugen mich mit trägen Schritten aus dem Zimmer. Sobald ich um die Ecke in das Wohnzimmer mit angeknüpftem Esszimmer blickte, trat auch schon der Blondhaarige in mein Sichtfeld. In seiner Hand war eine dampfende Tasse heißer Schokolade. "Ich wollte dich nicht wecken, du sahst so friedlich aus", meinte er ruhig, um kurz darauf einen Schluck zu trinken. "Danke..", meinte ich nur. Er verwirrte mich. Keine Ahnung, ob das jetzt gut oder schlecht war, allerdings wollte ich mehr über ihn wissen. Stumm ließ ich mich auf dem Sofa nieder. "Es ist okay, dass ich dich angefasst habe.. oder?", erkundigte ich mich mit leicht unsicherem Ton. Anstatt zu antworten, kam er zu mir und setzte sich neben mich. Zärtlich lehnte sich sein leichter Körper an den Meinen. "Ja.. es ist okay.. solange nur du mich anfasst.. Ich will lernen.. von dir. Ich will von dir lernen mit den Menschen, um mich herum zurechtzukommen. Ich weiß, dass du noch studiert, aber ich kann mir eben nicht aussuchen in wen ich mich verliebe." Stille legte sich über den Raum. Hatte er gerade zugegeben das er mich liebte? War das bewusst? Oder vielleicht einfach nur aus Versehen.. Möglicherweise definierte er Liebe auch eher freundschaftlich, immerhin kannte er davor nicht wirklich diese Art und Weise von sozialem Kontakt. Allerdings war seine Reaktion auf meine Nähe ziemlich extrem.. was dachte ich da eigentlich? Er litt unter mehreren Störungen, Ängsten und was weiß ich, da ist seine Reaktion kein sonderliches Wunder.
"Inwiefern liebst du mich?" Ich musste es wissen. Wie sollte ich etwas erwidern, wo ich mir nicht mal sicher war, wie es bezogen war. Seine Miene verfinsterte sich. "Denkst du wirklich, ich hab keine Ahnung davon!?", knurrte er. Verdammt jetzt war er wütend.. "Ich liebe dich! Punkt, Ende aus! Jedes Mal wenn du um mich herum bist, spielt alles noch verrückter als sonst!" Perplex sah ich in seine wundervollen Augen. War er jetzt wütend oder nicht? Vielleicht.. verzweifelt? "Yuri...", anders als gedacht, war meine Stimme ganz ruhig und entspannt, "Ich war nur unsicher.. Die Frage war nur eine indirekte Bestätigung für mich.. Die Sache ist... ich liebe dich auch.. daran gibt es keine Zweifel." Stille bedeckte uns. Gerade wollte er etwas sagen, da klingelte es an der Haustür. Welcher verdammte Vollidiot störte uns jetzt bitte!? Ein genervtes Knurren verließ meine Kehle, während ich zur Haustür stapfte.
Als ich diese öffnete, erreichte mich sogleich ein schallendes 'Otabek', dabei wurde wie immer das 'e' besonders langgezogen. "Was willst du, Viktor?", brummte ich ihm schroff entgegen. "Kein 'Hallo'? Kein 'Komm doch rein'?", jammerte er sogleich. "Nein! Heute nicht.." Er setzte diesen typischen mir-egal-Blick auf, nur um mich im nächsten Moment zur Seite zu stoßen. Seine Augen hafteten sich an den Blonden. "W-Wer ist das?!" "Du solltest jetzt gehen, Viktor!" Meine Stimme bebte, während ich mich schützend vor den Blonden stellte. Dieser flüchtete allerdings im selben Moment in die Küche.
(P.o.V. Yuri Plisetsky)
Wer war dieser Kerl? Wer war er?! Stand er in Relation zu Otabek? Warum war er überhaupt hier drinnen?! Meine Gedanken überschlugen sich immer weiter. Aus lauter Panik griff ich nach einem der Messer, welche normalerweise sicher in dem Block aufbewahrt waren. Schützend hielt ich es vor mir. Ich war mir nicht mehr richtig bewusst was hier passierte, aber mein Körper war in der Defensive, während mein Kopf in den Stand-By-Modus fuhr. "Komm nicht näher! F-Fass mich nicht an! Lügner! Du verdammter Lügner!", brüllte ich, als Otabek einen Schritt näher kam. "Ruf die Polizei! Oder den Krankenwagen! Otabek!", versuchte der Silberhaarige den Jüngeren zu befehligen. "Keine Polizei! Nein! Nein!", drang es aus meiner Kehle. Bitte nicht. Meine Atmung beschleunigte sich immer mehr. Ich spürte wie das Adrenalin durch meinen Körper strömte. Angst durchzuckte mich. "Ota-" "Halt einfach mal die Fresse!", keifte er so laut, dass es vermutlich sogar in mein Unterbewusstsein drang. "Yuri..", aufmerksam verfolgte meine Pupillen ihn, versuchten jede seiner Bewegungen zu durchschauen, "ganz ruhig. Atme ein.. und aus. Lass das Messer fallen.. Komm zu mir. Bitte." Mein Kopf arbeitete. Sollte ich ihm vertrauen? Er war doch auch n- "Yuri..", erweckte er eindringlich meine Aufmerksamkeit. Langsam legten sich die Schalter in meinem Kopf wieder um.
Meine Anspannung löste sich zwar nicht, aber dennoch rutschte das Messer aus meiner Hand. Das scheppernde Geräusch des Aufpralls hallte noch eine halbe Ewigkeit in meinem Kopf nach. Wie in Trance lief ich die ersten Schritte in seine Richtung. Dann machte es 'Klick' in meinem Kopf. Tränen rannten über mein Gesicht, während ich ihn verunsichert umarmte. Dieses Gefühl der Geborgenheit war neu für mich, aber ich begann jetzt schon sie zu mögen. Weinend klammerte ich mich an den Größeren. Kurz waren Schritte zu hören, dann knallte die Tür. "Es tut mir leid", wimmerte ich immer wieder. Beruhigend streichelte er meinen Kopf. Gerade hatte ich zu wenig Emotionen und im nächsten Moment wieder zu viele. Schuld daran war er. Vermutlich ist es normal, dass die geliebte Person einem so den Kopf verdrehen kann, aber es fühlte sich seltsam an. "Yuri", wisperte er, "Ich lieb dich." Tief saugte ich seinen Geruch in meine Lunge. Eine leichte Note von Schweiß hatte sich darunter gemischt. Meine Finger wanderten über den schwarzen Stoff, bis hoch zu seinem Hals. Dort verschränkte ich meine beiden Hände ineinander. Vorsichtig löste ich mein verweintes Gesicht von seinem Körper. Das Licht spiegelte sich in seinen braunen Augen, wodurch der grünliche Kern zum Vorschein kam. "Ich liebe dich auch..", murmelte ich. Mein Gewicht verlagerte sich auf die Ballen, nur um misch schließlich auf die Zehenspitzen zu stellen. Behutsam legte ich meine Lippen auf die Seinen. Sie waren etwas verbissen, wodurch ich den zarten Geschmack von Eisen ausmachen konnte. Vermutlich zerbiss er sich diese durch den Stress und Druck, welchen ihm die Universität machte. Vorsichtig lösten wir uns voneinander. Seine großen Hände hatten ihren Weg zu meiner Taille gefunden.
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