kapitel 1o; fantasie offenbaren
„Du musst zu uns nach Hause kommen."
Ganz ehrlich, Jimin macht nicht nur drei Kreuze in den Kalender, sondern streicht das ganze verdammte Kalenderblatt durch, wenn Suga irgendwann mal damit beginnt, auf seine Aussagen tatsächlich zu antworten und nicht nur fragend zu gucken.
Es sind noch nicht mal 24 Stunden seit ihrer weltverändernden Umarmung vergangen und doch muss Jimin feststellen, dass eine Umarmung wohl doch nicht ganz so viel Welt verändert, wie er sich das gewünscht hätte. Das Seufzen, dass ihm entweicht, ist ein Zeuge seiner Verzweiflung. Trotzdem versucht sich der Kellner zusammenzunehmen und bei der Sache zu bleiben.
"Es wäre einfacher, wenn du mit mir reden würdest, Yoongi", erklärt Jimin und direkt danach: „Taehyung hat einen Laptop besorgt – mit einem Musikprogramm. Frag' mich bitte nicht nach Einzelheiten, er ist für die Technik zuständig... aber wir wollen einen Beat für give it to me basteln. Für die Aufnahme. Du hast dich doch entschieden, dass wir mit dem Song anfangen sollen."
Suga wirkt nicht überzeugt. „Und das geht nicht hier im Café?", fragt er. "Ich dachte, wir nehmen nur eine Sprachnachricht auf."
„Nun", erwidert Jimin langgezogen und kann den Stolz dabei nicht ganz aus seiner Stimme vertreiben. Könnte vielleicht daran liegen, dass er es nicht einmal versucht: "Taehyung macht nicht gerne halbe Sachen. Also hat er sich ein paar Sachen geliehen und jetzt... können wir es doch richtig aufnehmen."
"Dann soll er den Kram mitbringen?", versucht Yoongi es erneut.
"Taehyung arbeitet nachts."
„Und wenn er frei hat?"
„Dann habe ich in der Regel auch frei und keine Lust, meine freie Zeit auch noch an der Arbeit zu verbringen", antwortet Jimin und hofft, dass sich diese unnötige Diskussion damit erledigt hat. "Also?"
„Also was?", stellt sich Suga eindeutig dümmer als er eigentlich ist und das alles nur, um Jimin noch ein paar mehr kostbare Nervenenden zu rauben. Der bemüht sich um Contenance, aber langsam wird sein Geduldsfaden dünn. Vielleicht auch deswegen, weil er sich nach der gestrigen Nacht etwas mehr von dem heutigen Aufeinandertreffen erhofft hat. Was genau möchte er an dieser Stelle nicht näher definieren. Aber sicherlich nur etwas rein platonisches, wie eine einfache Unterhaltung zum Beispiel. Ja, genau. Das wird's gewesen sein.
„Wann kommst du zu uns nach Hause?", wiederholt Jimin also.
„Wie wär's mit nie?", protestiert der Angesprochene und Jimin ist sich ziemlich sicher, dass Yoongi es nur tut, um ihn zu ärgern. Und es ärgert ihn noch mehr, dass es funktioniert.
„Wie wär's mit: Ich ruf Jungkook an und mache mit ihm ein Treffen aus?", entgegnet Jimin bitchy, weil er nicht versteht, was denn bitteschön so schlimm daran ist, zu ihm und Taehyung nach Hause zu kommen. Ist ja nicht so, als wäre Yoongi nicht schon mal da gewesen (von der Freiwilligkeit dieser Situation mal abgesehen, hat Yoongi ja gesehen, dass sie jetzt nicht so schlimm wohnen) (okay, das Treppenhaus stinkt nach Kotze und manchmal nach Blut, ihr Wasserhahn tropft immer noch und sie blicken durch ihr Fenster direkt auf die gegenüberliegende Hauswand, aber trotzdem. Das ist doch okay) (für Dalseo-gu Verhältnisse zumindest).
"Nicht nötig", schluckt Yoongi trocken und an seinem Blick bemerkt Jimin, dass er gewonnen hat. Geht doch. "Ich hab'... am Donnerstag Zeit. Nachmittag."
„Donnerstag? Das ist erst in drei Tagen. Geht es nicht schon vorher?!"
„Manche Leute haben Verpflichtungen."
„Wir haben auch Verpflichtungen", antwortet Jimin wieder schneller als sein Kopf nachdenken kann. Denn wenn er ehrlich ist, haben er und Taehyung kaum Verpflichtungen. Sie gehen zwar ihrer Arbeit nach, aber abgesehen davon... verplempern sie den Tag mit rumhängen, Sex und Videospielen. Keine dieser Tätigkeiten erfüllt wohl den Anspruch, den Suga vermutlich an das Wort Verpflichtung stellt. Zum Glück fragt er nicht nach und quittiert Jimins Aussage nur mit einem lethargischen Heben seiner Augenbraue.
„Was hast du denn für Verpflichtungen?", erkundigt sich Jimin als Reaktion darauf. "Arbeitest du eigentlich? Oder studierst du auch? Wie Jungkook?" Er beschließt die Situation zu nutzen, um etwas mehr über Yoongi herauszufinden. Auch, wenn sie mittlerweile dazu übergegangen sind, die Nächte im Café an einem gemeinsamen Tisch zu verbringen, hat er trotzdem noch kaum etwas über Suga in Erfahrung bringen können.
„Kein Studium", entgegnet Yoongi mit einer Tonlage, die andere Menschen benutzen, wenn sie etwas bereuen. "Und was ich mache? Ich denke, da müssen wir an diesem Punkt nicht mehr drüber reden..."
„Ich meine nicht die Kkangpae", erklärt Jimin schnell, „abgesehen davon. Und auch abgesehen vom Studium. Hast du noch einen anderen Job?"
„Nichts Ruhmreiches."
"Ich bin Kellner, ich denke nicht, dass du mich mit deinem Job beeindrucken musst." Außerdem ist sich Jimin sicher, dass jeder andere Job ruhmreicher sein wird, als für die Kkangpae als Drogendealer zu arbeiten. Aber den Kommentar verkneift er sich lieber schnell wieder. Er will Yoongi nicht vergraulen. Oder verurteilen. Der andere wird sicher Gründe dafür haben, warum er tut, was er tut... und irgendwann wird Jimin sie erfahren.
"Stimmt wohl", grinst Yoongi schwach und Jimin verbucht sein Lächeln als Erfolg. Warum auch immer. "Ich arbeite in der Industrie. Produktion."
"Und was produziert ihr?"
"Merchandise... Vor allen Dingen Alben, DVDs, BluRays... sowas."
"Hey, das ist doch cool", strahlt Jimin sofort als Antwort. "Dann kannst du bald deine eigenen Alben drucken!"
"Dafür müsste es erstmal ein eigenes Album geben."
"Genau daran arbeiten wir ja! Donnerstag dann also? So gegen 16 Uhr?", versichert sich Jimin noch einmal und beschließt die Befragung für heute abzuschließen. Es ist beinah halb sechs Uhr morgens und in etwa einer Stunde wird Taehyung hier aufschlagen, um ihn abzuholen. Außerdem beginnt bald das Frühstücksgeschäft und dann wird es wieder etwas voller im Serendipity. Jimin sollte daher dringend in die Küche und noch ein paar Vorbereitungen erledigen.
"Donnerstag ist es", bestätigt Yoongi und scheint das Ende der Unterhaltung und der Nacht ebenfalls zu bemerken. Mit einem letzten Blick aus dem Fenster schiebt er sich die Kapuze seines Hoodies über den Kopf und den Stuhl zurück. Seine benutzte Kaffeetasse bringt er diesmal sogar zu Jimin an den Tresen, anstatt sie dreckig auf dem Tisch stehenzulassen.
Progress, denkt Jimin zufrieden. Jede Nacht ein bisschen.
„Brauchst du die Adresse? Soll ich sie dir aufschreiben?", fragt er stattdessen laut.
„Passt schon. Hab' mir den Weg gemerkt."
Auch wenn die Aussage sicher nicht mehr als vollkommen neutral gemeint war, lässt sie Jimins Herz einen kleinen Hüpfer machen. Irgendwie ist es schön zu wissen, dass Yoongi ihre erste Begegnung zumindest so wichtig war, dass er nicht jegliche Erinnerung daran vollkommen aus seinem Gedächtnis getilgt hat.
Yoongi hebt die Hand zu einem schwachen Abschiedsgruß, der von Jimin wesentlich euphorischer erwidert wird. "Bis spätestens Donnerstag", ruft er dem Älteren hinterher. "Das wird der Hammer!!"
Das Glöckchen über der Tür klingelt anstelle einer Erwiderung. Jimin fühlt sich nicht glücklicher und er ist sich ziemlich sicher, dass Yoongi sich auch nicht glücklicher gefühlt hat, aber zumindest nervt ihn das Geräusch heute weniger als an anderen Tag. Bevor er seine Position hinter dem Tresen bezieht und auf die nächsten Gäste wartet, holt Jimin vorher noch ein paar Utensilien aus der Küche, um bereits die neuen Sandwiches für das Frühstück vorzubereiten. Im Gegensatz zu den Back-Karpfen haben sie es nämlich schon auf die offizielle Karte geschafft und tatsächlich hat sich Jin dazu überwunden, die Verantwortung dafür an Jimin abzutreten. Halleluja. Wunder geschehen.
Und irgendwann wird schon auch eins für Jimin und Suga geschehen.
⊱ ────── ⋅❅⋅ ───── ⊰
Taehyung sieht ohne Scheiß ziemlich professionell aus, wie er vor dem Mikrofon sitzt und zusammenhangslose Textpassagen als Test einspricht. Nur so zur Probe. Aber er könnte auch der Star des Ganzen sein. Die Ausstrahlung dafür hätte er.
Jimin beobachtet verzückt, wie dicht seine Lippen dem schwarzen, flachen Schutz vor dem Mikrofon kommen und beinah liebevoll daran entlang streichen. In Jimins amateurhafter Vorstellung haben Mikrofone bislang keinen Schutz gebraucht. Als Taehyung die Sachen ausgepackt hat, hat er den Schutz deswegen erst für das eigentliche Mikrofon gehalten und ist singend damit durch die Wohnung gelaufen. Taehyung hat ihn nur ein bisschen dafür ausgelacht und ihm dann erklärt, dass der Popschutz Störgeräusche vermeidet und filtert. Die erste Probeaufnahme hat Jimin dann ganz schnell eines Besseren belehrt. Jetzt weiß selbst er, wie sinnvoll es ist, dass das Mikrofon geschützt wird.
Seitdem staunt Jimin nur noch (vor allen Dingen darüber, wie verdammt sexy sein Freund aussieht, wenn er mit determiniertem Ausdruck im Gesicht verschiedene Techniksachen macht. Ist das nicht unfair? Eigentlich sollte Taehyung dabei aussehen wie ein Nerd, aber stattdessen strahlt er heiße Musikproduzenten-Vibes aus, die Jimin ganz schwach werden lassen).
Er kann sich nicht richtig konzentrieren, weil ihm sein Gehirn ständig irgendwelche neuen Rollenspiel-Pläne unterbreitet. Das Suga genervt neben dem Paar sitzt und das ganze Treiben misstrauisch beäugt, ist dabei nicht einmal ein Stimmungskiller. Um ehrlich zu sein, macht ihn Sugas skeptischer Gesichtsausdruck nur noch mehr an, weil er sich so mühelos in die Fantasien integrieren lässt. Jimin kann sich leider allzu gut vorstellen, wie er Yoongi dabei hilft ein bisschen lockerer zu werden, während Taehyung mit strenger Stimme Befehle darüber gibt, wie Yoongi mit den neuen Gerätschaften umzugehen hat...
Es ist eine Katastrophe und Jimin versucht mit aller Gewalt jegliche sexuellen Energien zu unterdrücken (aber wie bitte soll er das denn tun, wenn sein Freund SO aussieht und ihr Gast SO?? Hallo? Versetz' dich bitte mal in seine hilflose Lage. Eigentlich ist Jimin hier das Opfer).
Neben Taehyung steht der aufgeklappte Laptop. Ein Programm ist geöffnet - MUSIC MAKER 2022 (klingt vielleicht nicht ganz so fancy, aber zieh dir bitte mal rein: sie haben sogar die Premium-Version! Wenn das nicht mal als allgemeiner Win zählt) – und zeichnet gerade die Testaufnahme auf. Jimin beobachtet fasziniert, wie verschiedene Wellenlängen wohl die Tonhöhen darstellen sollen, die Taehyung fabriziert. Oder was auch immer. Er hat keine Ahnung davon. Aber er muss zugeben, dass es verdammt gut aussieht.
Jimin zumindest ist beeindruckt.
Ganz im Gegensatz zu Suga, der keine Miene verzieht. Er trägt seine übliche Skinnyjeans mit den immer größer werdenden Löchern an den Knien und einen schwarzen, dicken Hoodie dazu, für den es in der Wohnung eigentlich viel zu warm ist. Jimin ist beinah froh über den gut bedeckten Anblick. Es reicht, dass ihn Taehyung mit seinen freigelegten Schlüsselbeinen in dem luftigen T-Shirt attackiert. Da muss er nicht auch noch beidseitig angegriffen werden. Trotzdem bemerkt Jimin mit zufriedenem Blick, dass Suga recht frisch aussieht. Im Tageslicht wirkt er viel gesünder als unter den Linoleum-Strahlern im Café. Der Hoodie und die Jeans sehen frisch gewaschen aus. Genauso wie seine Haare. Jimin ist versucht an ihnen zu riechen, hat aber Angst wie ein geisteskranker Stalker rüberzukommen oder komplett die Beherrschung zu verlieren. Was ist heute nur los mit ihm? Er verhält sich wie ein hormongesteuerter Teenager.
Um nicht ganz so verrückt zu erscheinen, hält sich Jimin tendenziell eher in der Nähe von Taehyung auf. Immer, wenn ihm das seltsame Verlangen überkommt, Haare anzufassen, die nicht seine eigenen sind, streckt er die Hand nach seinem Freund aus.
Bislang funktioniert diese Kompensationsstrategie ganz hervorragend.
„Und? Wie war ich?", erkundigt sich Taehyung mit einem spitzbübischen Grinsen, während er die Kopfhörer abzieht.
„Der Wahnsinn!", antwortet Jimin ehrlich begeistert. Es war zwar nur ein Testlauf, aber der Anblick war mal wieder einer für die Götter.
„Ja? Mach ich mich gut als Musiker?", neckt Taehyung spielerisch weiter.
„Du machst dich gut als Produzent", lobt Jimin ihn.
Suga enthält sich gänzlich aus der Unterhaltung. Seit seiner Ankunft hat er nicht viel gesagt. Ehrlich gesagt war es schon eine Überraschung, dass er überhaupt auf die Minute pünktlich an die Haustür des Paares geklopft hat. Jimin hatte bereits die Nummer von seinem Freund, Jungkook, rausgesucht, um sich zur Not mit ihm zu verbrüdern. Der Zweck heiligt schließlich die Mittel. Und es war heute wichtiger, Suga zur Aufnahme in ihre Wohnung zu zwingen, als der unbegründeten Abneigung gegen seinen Freund weiter unterschwellig Raum zum Gedeihen zu geben.
Nun ja, es war nicht nötig. Suga erschien pünktlich, mit reserviertem Gesichtsausdruck und dem üblichen Schweigen.
„Okay, ich erklär' kurz, wie das Ganze funktioniert", macht Taehyung klar und deutet auf das vorbereitete Equipment.
„Mit dem Mikrofon nehmen wir auf, dass habt ihr euch ja vermutlich schon gedacht. Suga-ssi muss dabei die Kopfhörer tragen. Darüber kannst du dich selbst hören und etwas an deiner Stimmfarbe, Tonhöhe oder dem Klang anpassen, ganz wie du magst. Sei ruhig flexibel und experimentierfreudig. Wir können so viele Durchläufe machen, wie du brauchst. Wir können auch alle davon speichern. Das Mikrofon ist mit dem Laptop verbunden und überträgt die Aufnahme direkt in das Programm."
Experimentierfreudig ist jetzt nicht unbedingt das Wort, dass Jimin gewählt hätte, um Suga bezüglich seiner Aufnahmen zu ermuntern, aber gut. Der unerschütterliche Optimismus seines Freundes war schon immer eine seiner besseren Eigenschaften. Und der schockierte Ausdruck auf dem Gesicht ihres Gastes verleiht dem Ganzen schon beinahe eine humoristische Note.
Taehyung lässt sich davon in seinen Ausführungen nicht beirren.
Er setzt fort: „Seht ihr, das hier ist die Tonspur." Diesmal zeigt er auf den Bildschirm des Laptops. Sie alle haben sich davor zusammengefunden. Suga protestiert zumindest nicht, sondern lässt sich alles ruhig erklären. Taehyungs Augen strahlen euphorisch. Er liebt Technikkram und hat sich deswegen nur allzu gern freiwillig gemeldet, um diesen Part der Musikproduktion zu übernehmen. Jimin sieht sie beide an. Im Wechsel. Der Unterschied zwischen den beiden Männern könnte in diesem Augenblick kaum größer sein.
„Wir können unendlich viele weitere Spuren hinzufügen und später dann alle gleichzeitig abspielen lassen. Dadurch ergibt sich dann der Song. Zuerst stellen wir alle Bestandteile einzeln her und dann mixen wir alles zusammen. Hiermit", Taehyung klickt ein paar Mal wild durch das Programm und Jimin würde ihm nicht mal dann folgen können, wenn er tatsächlich mal auf den Bildschirm schielen würde, „können wir alle Instrumente auswählen, die wir haben möchten. Hier unten ist eine virtuelle Tastatur mit allerhand Reglern, über die wir verschiedene Effekte einbauen können.
Aaaauußerdeeeem", und jetzt präsentiert Taehyung stolz seine größte Errungenschaft, „haben wir auch dieses Keyboard. Es mit dem Kabel hier an den Laptop angeschlossen und kann alles, was wir darauf spielen, sofort an das Programm übertragen. Genau wie das Mikrofon. MEGA, oder?"
„Kann denn jemand hier Keyboard spielen?", mischt sich Suga nun das erste Mal aktiv in das Gespräch ein. Seine Begeisterung ist, gelinde ausgedrückt, eher zurückhaltender Natur.
„Nope", antwortet Taehyung mit einem spitzbübischen Lächeln, „aber wie schwer kann es sein ein paar Tasten zu drücken?"
Jimin nickt bekräftigend, endlich darauf fokussiert auch mal etwas Gehaltvolles zu der Unterhaltung beizutragen und nicht nur lüsternen Gedanken nachzuhängen (aber diese fucking Schlüsselbeine von Taehyung...).
„Wir müssen ja keine Experten werden", sagt er. „Es reicht bestimmt, wenn wir ein paar Töne eingeben können, aber es ist doch echt cool zum Ausprobieren und Experimentieren?!"
Der dritte im Bunde wirkt weiterhin nicht überzeugt. Er sitzt an der äußersten Kante der Couch, die Hände in den Schoß vergraben und mit zusammengepressten Lippen.
„Guck mal", gibt sich Jimin noch mehr Mühe in seiner Überzeugungsarbeit, „vor ein paar Tagen hatten wir nichts. Nicht mal deine Zustimmung. Heute haben wir dich, einen fertigen Songtext, ein Mikrofon und ein Aufnahmeprogramm. Ich finde, das ist für gerade mal eine mickrige Woche schon eine richtig gute Leistung. Warte mal ab, wo wir nächste Woche stehen... oder übernächste Woche. Ein Schritt nach dem anderen und wenn es nur Babyschritte sind."
„Schön gesagt, Chip", pflichtet Taehyung ihm bei. Dann zieht er mit einem ähnlichen Tatendrang, wie sein Freund ihn aufweist, den Laptop auf seinen Schoß.
„Wollen wir vielleicht erstmal mit einer Probeaufnahme beginnen? Willst du dich an den Text und das Mikro gewöhnen? Oder wollen wir erstmal nach dem restlichen Sound gucken? Hast du in deinem Kopf schon eine Idee, wie der Song klingen soll?"
Suga schluckt und das Geräusch ist durch die ganze Wohnung zu hören. Jimin macht sich innerlich bereit, erneut in die Konversation einzusteigen, um seine Vision des Songs zu schildern. Als Suga ihm einen Teil davon im Interlude vorgetragen hat, hat er bereits einen guten ersten Eindruck erhalten. Doch ihr Gast strafft nur nach einigen Sekunden seine Schultern und gibt dann überraschenderweise an: „Okay. Ich zuerst. Vielleicht seht ihr dann endlich ein, dass wir uns den ganzen Zirkus hier sparen können."
„Niemals, Yoongi-yah", widerspricht Jimin zugleich. „Ich hab' dich schon rappen gehört. Glaub' mir, das war lebensverändernd... No way, laufen wir hiermit gegen eine Wand. Vertrau' ein bisschen in dich selbst!"
„Exakt! Fightung, Suga-ssi!" Taehyung ist deutlich anzumerken, dass er sich in den letzten Tagen von Jimins Tatendrang hat anstecken lassen. Und außerdem steht er zu seinem Wort. Er hat seinem Freund seine Unterstützung zugesichert, also gibt er jetzt auch alles.
„Langsam weiß ich, warum ihr beide zueinander gefunden habt...", murmelt der Dritte im Bunde in seinen nicht vorhandenen Bart. Zu leise, als dass ihn sonst jemand verstehen könnte.
„Was?", erkundigt sich Taehyung deswegen.
„Nichts. Lasst es uns einfach hinter uns bringen", sagt Suga in etwa der Tonlage, die andere Menschen anschlagen, wenn sie in ihrer Zelle für den Gang zum Schafott abgeholt werden.
Die erwartungsvolle Stille, die sich daraufhin im Raum ausbreitet, ist beinah gespenstisch. Suga zieht sich die Kopfhörer auf, die Taehyung ihm hinhält. Dann platziert er sich ebenso dicht vor dem schwarzen Mikrofonschutz wie Taehyung es eben vorgemacht hat. Dabei streichen auch seine Lippen hauchzart an der Oberfläche entlang, während er ein paar Mal tief ein und ausatmet. Jimin kann an nichts anderes denken, als dass Suga und Taehyung gerade indirekte Küsse miteinander austauschen. Allein die Vorstellung ist so... heiß. Er schlägt seine Beine übereinander, falls seine Gedanken in noch ausschweifendere Richtungen laufen sollten. Fuck. Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet er es ist, der die Sache heute nicht ernst genug nimmt? Verdammter Kopf. Verfluchte Hormone.
Trotz der inneren Schelte stellt Jimin fest, dass er eifersüchtig ist. Auf ein fucking Mikrofon. (Aber ernsthaft jetzt mal, wer sonst kommt in den Genuss erst Taehyung beinah zu küssen und gleich darauf Suga?! Mikrofone sind wirklich beneidenswerte Gegenstände.)
Taehyung hält den Daumen nach oben, als Zeichen dafür, dass er jetzt aufnimmt.
Suga beginnt mit einem kleinen Lachen, dass beinah höhnisch klingt. Wen auch immer er damit auslacht, es jagt eine Gänsehaut über Jimins Rücken. Wieder von der Art, die sich anfühlt wie Fingernägel, die über seine Haut kratzen. Es ist echt unangenehm, versucht er sich zumindest einzureden. Auf gar keinen Fall steigert es die Erregung, die sich langsam in seiner Hose ausbreiten möchte.
Die ersten Silben des Raps kommen wieder stockend.
Gi-give it to me.
Obwohl es als Stottern oder Zögern interpretiert werden könnte, wirkt es bei Suga so gewollt wie der Einsatz von einem Stilmittel. Der Jetzt-Erst-Rapper, obwohl glasklar dazu geboren, leckt sich über die Lippen, um diese zu befeuchten und legt dann richtig los.
In seiner Stimme liegt die gleiche Nuance, wie in dem Lachen zuvor. Höhnisch, ironisch und teilweise auch verzweifelt. Alles gepaart mit dieser tiefen Stimme, die allein schon beim Sprechen Dinge in deinem Innersten erreicht, an deren Existenz du bisher gezweifelt hast.
Der Refrain und die erste Strophe gehen fließend ineinander über. Die Geschwindigkeit, in der Suga die Silben von seinen Lippen fallen lässt, ist schwindelerregend. Es macht irgendwie überhaupt keinen Sinn, dass er sich dabei nicht verheddert oder außer Atem gerät. Zumindest so lange nicht, bis er im zweiten Refrain ankommt. Dann ist es wieder da gi-give it to me, gepaart mit einem tiefen Atemzug, den man sicherlich auch auf der Aufnahme wird hören können. Danach wird er langsamer und die Pausen zwischen den einzelnen Zeilen länger. Als würde Suga mit sich selbst die stumme Frage ausdiskutieren, ob er nun schon aufhören könne. Ob das für einen ersten Versuch ausreichend sei.
Taehyung beendet die Aufnahme erst, als Sugas Lippen von dem Mikrofon abrücken. Er ist so sichtlich geplättet von dem, was ihm gerade angeboten wurde, dass er erstmal gar nichts sagen kann.
Die Stille im Raum wird noch lauter. Selbst Suga macht jetzt den Eindruck, als würde er das Schweigen gerne brechen, nur um der Situation zu entkommen. Jimin würde ihn gerne davon erlösen, aber er ist gerade keine Hilfe. In seinem Kopf überschlagen sich unanständige Szenen und wer zur Hölle hat diesem Mann erlaubt, so unverschämt erotisch auszusehen, während er ein Mikrofon mit seinen Lippen beglückt? Ganz schlecht. Ganz falsche Richtung hier.
„Wow", schafft Taehyung es schließlich als Erster wieder zur Sprache zu kommen. Er lacht und es ist eine Mischung aus Erleichterung und Begeisterung, die in der Tonfolge mitschwingt. „Vielleicht brauchen wir gar keinen zweiten Versuch", bringt er es auf den Punkt. „Ich glaub', wir haben jetzt schon den Jackpot, Suga-ssi. Was zur Hölle ist los mit dir?! DU BIST DER FUCKING RAP-KÖNIG VON DAEGU!"
„Du übertreibst."
„Nein, ich untertreib'. Scheiße man, warum hast du nicht gesagt, dass du SO gut bist?? Das hätte mir einige schlaflose Stunde erspart."
„Ich bin nicht so gut", wiederholt Suga noch einmal eindrücklich. Seine Wangen haben sich leicht rosa verfärbt und er sieht einfach nur hinreißend aus. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass er eins überhaupt nicht kann: mit Komplimenten umgehen. Vielleicht ist es sein Versuch der Situation zu entfliehen, aber für Jimin macht er damit nur alles noch schlimmer. Yoongi greift tatsächlich nach dem Saum von seinem Pullover und zieht ihn sich mit einer einzigen, flüssigen Bewegung über den Kopf. Darunter kommt nur ein weißes, okay ehemals weiß, jetzt eher fleckig-vergilbtes, T-Shirt hervor, was im richtigen Licht betrachtet... Ja... eindeutig. Es ist durchsichtig. Fuck. Fuck. Fuck. Wer hat ihm das erlaubt??? Dieses T-Shirt ist sowas wie der Endboss für Jimins amoklaufenden Gedanken, die sich nun endgültig auf ein Territorium begeben, auf dem sie nichts zu suchen haben. Gut, dass er die Beine eben schon sicherheitshalber überschlagen hat.
„Doch, das bist du, Yoongi-yah", entscheidet Jimin. „Und jetzt lass uns diesen dämlichen Song komponieren."
⊱ ────── ⋅❅⋅ ───── ⊰
Zur Feier des Tages haben sie Essen bestellt. Taehyung hat Suga eindringlich zum Bleiben überredet (oder vielmehr: gezwungen) und keine einzige schlechte Ausrede akzeptiert. Was das angeht, ist er wirklich durchsetzungsstark.
Sie haben zusätzlich mehrere Flaschen Soju geordert und Jimin ist froh darüber, dass zumindest er und Taehyung heute nicht mehr arbeiten müssen. Als wäre es ein weiterer Wink des Schicksals, der ihnen befiehlt, noch mehr Zeit mit Suga zu verbringen. Und ehrlich? Für private Gespräche war bislang kaum Zeit. Sie haben bis eben an dem Song herumgebastelt. Mittlerweile ist es so spät, dass sie ohnehin hoffnungslos zu spät zu ihrer Schicht erschienen wären.
„AUF UNSER ANGEHENDES IDOL", prostet Taehyung überschwänglich und hält sein Glas in die Mitte des Tisches.
„Und auf seine hervorragenden Produzenten", ergänzt Jimin mit einem sanften Lächeln, während er mit ihm anstößt.
Beide lassen ihren Blick erwartungsvoll zu Suga schweifen, der sein eigenes Glas bislang kaum angerührt hat.
„Ich kann nicht so viel trinken", passt Suga gerade für die nächste Runde. „Ich muss gleich noch einen Auftrag erledigen." Trotzdem hält er sich mit beiden Händen an dem Glas fest. Den Weg zurück in seinen Pullover hat er bis jetzt noch nicht gefunden. Er trägt weiterhin nur das vergilbte Shirt. Seine freigelegte Haut ist alabasterfarben und das trapezförmige Tattoo an seinem Handgelenk bildet nur einen allzu deutlichen Kontrast. Von Zeit zu Zeit streichen Yoongis Fingerspitzen gedankenverloren darüber. So, als könnte er es wegwischen. So, als wäre es nicht mit Tinte unter seiner Haut für die Ewigkeit angebracht wurden.
Yoongis Erklärung führt zu einem kleinen Schmollen von Taehyung, der es schlussendlich aber trotzdem akzeptieren muss. Er kennt die Regeln der Kkangpae. Schulterzuckend trinkt er seinen eigenen Shot auf Ex. Danach erkundigt er sich etwas zu leichtherzig für die Thematik bei ihrem Gast: „Für die Jo-Pok Pa?"
Taehyung ist eindeutig beschwipst von ihrem heutigen Erfolg und dem zahlreichen Schnaps, die er sich bereits als Belohnung gegönnt hat. Jimin kann den Rausch nachempfinden, auch wenn er selbst noch nicht ganz so tief ins Glas geschaut hat wie sein Freund. Sein Inneres rauscht nämlich auch, angepeitscht durch die anregende Mischung aus Ethanol, Taehyung und Yoongi in seiner Nähe.
„Das geht dich nichts an", präsentiert ihr Gast kurz angebunden seine Standard-Antwort. Jimin seufzt tief aus dem Herzen heraus. Taehyung zuckt nur mit den Schultern.
„Schon okay. Ich weiß ohnehin, dass die Antwort ja lautet, Min Yoongi."
Ein misstrauischer Blick ist die Reaktion. Suga lässt sogar die Stäbchen sinken, mit denen er gerade das nächste Stück Fleisch aufgelesen hatte. Die eben noch fast entspannte Körperhaltung hat sich augenblicklich verflüchtigt. Jetzt spricht aus seiner Gestik nur noch Argwohn.
„Und warum bist du dir da so sicher, Kim Taehyung?"
Liegt da gerade unterschwellige Aggressivität in der Luft? Jimin lässt seinen Blick interessiert von Person A zu Person B schweifen und versucht zu entziffern, welche Vibes da zwischen ihnen herrschen. Eigentlich ist er davon ausgegangen, dass Yoongi und sein Freund sich ganz gut miteinander verstehen. Durch Jimin und durch die Musik miteinander verbunden und so. Bislang lief der ganze Tag ja auch sehr erfolgreich. Aber vielleicht hat er sich geirrt und die Sex-Vibes in seinem eigenen Kopf haben ihn zu sehr vom Wesentlichen abgelenkt?
„Du bist ein Drogendealer. Viel Kombinationsgeschick ist da ja nicht nötig, wenn du mitten in der Nacht noch zu einem Auftrag losmusst", setzt Taehyung an die Situation aufzuklären. Auch Jimin schenkt ihm jetzt einen neugierigen Blick, verwundert darüber, dass Taehyung die Thematik so offen anspricht, die sie bisher so geschickt umschifft haben. „Außerdem hab' ich meinen Bruder nach dir gefragt. RM? Ich geh' davon aus, dass dir der Name was sagt."
„Mhm."
Die angespannte Körperhaltung von Yoongi verschwindet nicht. Jimin würde eher vermuten, dass sie sich noch verschlimmert. Wie ein Tier auf der Flucht.
Dann: „Warum hast du ihn nach mir gefragt?"
„Recherchearbeit", erklärt Taehyung schulterzuckend, sich scheinbar der angespannten Stimmung im Raum nicht bewusst. Er schnappt sich mit seinen Stäbchen das nächste Stück Hühnchen und kaut zufrieden lächelnd mit offenem Mund, reagiert erst wieder, als er Sugas nervös-zuckende Augenbraue bemerkt.
„Jetzt guck' nicht so. Du weißt selbst, dass man in unserer Gegend vorsichtig sein muss. Und dein erster Eindruck hat jetzt nicht unbedingt vermuten lassen, dass du keinen Ärger bedeutest..."
„Und was hat er dir über mich erzählt?"
„Nichts Schlimmes. Chill mal. Dass du kein verkehrter Typ bist. Dass du ein paar kleinere Aufträge für die Kkangpae erledigst und im Serendipity ein paar harmlose Drogen vertickst."
„Das wars?"
„Quasi."
„Was heißt quasi?"
„Jetzt willst du es aber plötzlich ganz genau wissen", beschwert sich Taehyung gespielt. „Du kannst echt chillen. Mein Bruder will dir nichts Böses und wir wollen dir auch nichts Böses."
„Was hast du ihn noch gefragt?", besteht Suga auf seine Antwort und Jimin kann dem Schlagabtausch mal wieder nur sprachlos folgen. Es ist überraschend, wie hartnäckig ihr Gast sein kann, wo er doch selbst geradezu allergisch auf alle Art von Fragerei reagiert.
„Warum du das machst", gibt Taehyung schließlich zu, mit einem Hauch rosa auf den Wangen. Aus ihm spricht der Drang sich rechtfertigen zu müssen, als er weiterredet: „Weil..., wenn du doch kein verkehrter Typ bist und... dir ganz offensichtlich noch ein anderer Weg offensteht... warum mischst du dann bei den Kkangpae mit? Ich hab's nicht verstanden."
Die Offenbarung lässt Yoongi zusammensinken. Sein Unwillen ist ihm deutlich anzusehen und die passiv-aggressive Haltung, die sowohl Flucht als auch Angriff bedeuten könnte, neigt sich immer mehr in Richtung Flucht. Aus seiner Stimme spricht eindeutig Misstrauen und sowas wie eine tiefe Traurigkeit, als er nachfragt: „Und was hat RM dir darauf geantwortet?"
„Nichts genaues", beeilt sich Taehyung zu antworten. „Nur, dass es wohl was mit deinem Bruder zu tun hat. Und du Schulden hast."
„Du hast einen Bruder?", crasht Jimin in das Gespräch, der von der persönlichen Information über Suga wesentlich angetaner ist als von den langweiligen Geschäften der Kkangpae. Wenn Suga dort nur aufgrund seiner Schulden mitmischt, dann können sie das Problem ja hoffentlich bald anderweitig aus der Welt schaffen. Indem sie mit seiner Musik ordentlich Geld scheffeln. Kein Grund, sich damit jetzt noch weiter zu beschäftigen.
„Du hast die kleine Bazille doch kennengelernt?", entgegnet Suga ausdruckslos und sieht zu Jimin.
„Hä? Wann?"
„Öfter? Im Café? Im Interlude?"
Jimin hat Suga bislang immer nur mit einer Person gesehen, nämlich mit...
„JUNGKOOK?" Der Unglaube in Jimins Stimme reicht ungefähr von hier bis Seoul. Und selbst wenn das vielleicht etwas übertrieben ist, für ihren gesamten Wohnblock hat es zumindest gereicht.
„Warum schreist du denn so?", erkundigt sich Taehyung lachend.
„Jungkook ist dein Bruder?!", kann Jimin es immer noch nicht fassen.
„Was hast du denn gedacht, wer er ist?", antwortet Suga mit hochgezogener Augenbraue und mit ungewohnt großer Gesprächsbereitschaft. Scheinbar ist er einfach nur froh darüber, dass sie nicht mehr über seine Rolle innerhalb der Jo-Pok Pa sprechen. Ziemlich mieser Ablenkungsversuch, aber Jimin ist zu geschockt, um diesem Detail mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
„Dein Freund?"
„Bist du blind oder so?", erkundigt sich Yoongi, das erste Mal an diesem Abend mit sowas wie Amüsement in der Stimme, gepaart mit einer Spur Ekel. Eine interessante Mischung. „Jungkook hat sich voll an dich rangemacht. Ein toller Freund wäre das..."
„Jungkook hat mich doch nicht angemacht", verteidigt sich Jimin augenblicklich, obwohl er es eigentlich gar nicht richtig beurteilen kann. Dazu war er an dem Abend im Interlude dann vielleicht doch etwas zu betrunken gewesen.
„Doch", antworten ihm zwei Stimmen gleichzeitig. Taehyungs und Sugas Blick trifft sich in der Mitte des Tisches und sie teilen ein Grinsen miteinander. Sein Freund präsentiert sein charakteristisches kastenförmiges Lächeln, was bisher noch jedes Granny-Herz zum Schmelzen gebracht hat. Scheinbar ist seine Macht sogar noch größer als gedacht. Denn auch wenn es minimal ist, kann Jimin ganz genau beobachten, wie sich auch die Mundwinkel von Grandpa-Suga ein kleines Stück anheben.
„Ich hab's sogar von hinter der Theke sehen können, Chip", erklärt sein Freund. „Jungkook hat sich die ganze Zeit übertrieben weit zu dir rüber gelehnt und dich mit diesen überdimensionierten Rehaugen beinahe zu Tode gestarrt. Und dann seid ihr zusammen auf die Tanzfläche gegangen und er hat sich für dich ausgezogen. Viel eindeutiger konnte er nicht werden."
Wieder beginnt Jimin zu sprechen, bevor er den Gedanken zu Ende geführt hat: "Er hat sich doch nicht für mich ausgezogen, das war nur..." Dann erinnert er sich an den zu engen Körperkontakt auf der Tanzfläche, die lasziven Bewegungen und muss schließlich mit gesenktem Kopf zugeben: "Okay. Also... ganz eventuell... unter Umständen... war es vielleicht doch für mich..."
"Sag ich doch", kichert Taehyung amüsiert und schenkt nochmal zwei Shots nach. Yoongi lässt er diesmal direkt außen vor und wartet auch nicht auf Jimin, bevor er sich beide kurz hintereinander selbst gönnt.
„Und warum warst du dann nicht eifersüchtig, wenn ich doch so offensichtlich angebaggert wurde?", wendet Jimin beleidigt und mit aufgeplusterten Wangen ein. "Und hast heldenhaft eingegriffen, um mich zu retten?"
„Worauf hätte ich eifersüchtig sein sollen?", strahlt Taehyung. "Darauf, dass man dir deine Ablehnung zehn Meter gegen den Wind ansehen konnte? Es war zu lustig. Jeder hats mitbekommen... Nur Jungkook irgendwie nicht, der wahrscheinlich zu beschäftigt damit war, dich unter allen Umständen zu beeindrucken."
„Ich kanns nicht glauben...", nuschelt Jimin und greift nun seinerseits nach der Soju-Flasche, um sich nachzufüllen. „Auf den Schock muss ich erstmal was trinken."
Taehyung grinst vergnügt weiter und schiebt ihm sein eigenes Glas ebenfalls entgegen. „Bin dabei."
„Ich auch", erklärt Suga trocken und stellt sein Glas als Drittes dazu.
„Du auch?", erkundigt sich Jimin überflüssigerweise, aber was soll er machen? Seine Gedanken sind gerade schon anderweitig überfordert. Er kann nicht jeden Prozess gleichzeitig koordinieren und verarbeiten.
„Du bist nicht die einzige Person, die gerade geschockt ist..."
„Mh?"
„Wie kannst du dieses Rotzbalg nur für meinen Freund halten?"
„Naja...", antwortet Jimin verzögernd, nur damit er nicht mit einer ehrlichen Antwort um die Ecke kommen muss. Dass er vor lauter Eifersucht nicht mehr ganz rational gedacht hat, ist sicher nichts, dass auch nur irgendeiner hier am Tisch hören möchte.
„So ganz ähnlich seht ihr euch ja nicht...?", versucht er es vorsichtig.
„Ich versteh' schon. Der schöne Schwan kann unmöglich der Bruder des hässlichen Entleins sein."
"Ich würde Jungkook jetzt nicht unbedingt als hässliche Ente bezeichnen", wendet Jimin postwendend ein, plötzlich enthusiastisch darin, Jungkook zu verteidigen. Niemand muss erfahren, dass er dem Jüngeren gedanklich schon ganz andere Spitznamen verpasst hat.
"Ich meinte auch eigentlich, dass er der Schwan ist...?!"
„Und du die hässliche Ente?", fragt Jimin perplex.
"Ja...?!", antwortet Yoongi als wäre es die natürlichste Sache der Welt.
Jimins erste Reaktion auf diese absurde Anspielung ist ein beinah hysterisches Lachen. "Hahahahahahahahahahaha, DEIN ERNST?! Hast du dich mal angesehen?!"", platzt es etwas zu energisch aus ihm heraus. Uuups? Gibt's jetzt noch irgendeinen Weg das unauffällig zu tarnen? Vermutlich nicht.
Zum Glück pflichtet ihm Taehyung augenblicklich bei: „Du siehst wirklich gut aus, Suga-ssi."' Und dann ergänzt er, um der Situation ein bisschen von der Ernsthaftigkeit zu nehmen und sie aufzulockern: „Ich hab's auch nicht direkt gesehen, weil dein Gesicht bei unserem ersten Treffen voller Blut war und ich ehrlich dachte, ich bin mitten in we are all dead gelandet und du bist ein Zombie und du frisst mich gleich. Aber abgesehen davon... also ohne das Blut... bist du echt ansehnlich."
„Oehm...Danke?", entgegnet Yoongi zögerlich. "Ich glaub... neben Jungkook hat mich noch nie jemand als den gutaussehenden Bruder bezeichnet..."
"Die Leute müssen blind gewesen sein", sagt Jimin, dessen Zunge vom Alkohol eindeutig etwas zu sehr gelockert wurde. Zum Glück ist er an diesem Punkt schon zu beschwipst, um sich deswegen noch Sorgen zu machen. Stattdessen hat ihre Gläser wieder aufgefüllt und reicht jedem nun ein volles Exemplar davon.
"Verarscht ihr mich?"
"Natürlich nicht!", platzt Taehyung ebenso enthusiastisch wie sein Freund hervor. "Du bist gutaussehend, Min Yoongi! Und ein verdammter Rap-Gott! Du kannst es glauben! Denn - we got taste! ALSO TRINKEN WIR AUF DIE GUTAUSSEHENDEN MIN-BRÜDER! MIN YOONGI UND MIN JUNGKOOK!"
"MIN YOONGI UND MIN JUNGKOOK", wiederholt Jimin und hebt sein Glas. Min Jungkook. Was für ein wunderbarer Name.
Yoongi verzieht seinen Mund zu einer geraden Linie, als könnte er das Gehörte immer noch nicht glauben, aber stößt trotzdem mit ihnen an. Jimin nutzt die Chance, dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen und zwinkert ihm tatsächlich über sein Glas hinweg zu, als sich ihre Blicke begegnen. Herzlichen Glückwunsch, Park, schallt ihn direkt seine innere Stimme, du bist echt die Krönung der Unauffälligkeit. Komm her, ich verleih' dir 'nen Orden dafür. Kannst du mir vielleicht mal verraten, was das soll?
Ich weiß es nicht, antwortet Jimin gedanklich, ich hab' keine Ahnung, was ich hier tue.
Anscheinend flirtest du mit einem anderen Mann, während dein eigener Freund - direkt - neben - dir - sitzt!!!, schimpft die innere Stimme weiter. Aber Jimin stürzt den Soju in einem Zug hinunter und schwemmt seine Gedanken (inklusive nerviger Meckerstimme) gleich mit weg. Heute Abend wollen sie feiern. Sie haben mehr als genug Gründe zum Feiern.
Und Jimin wird jetzt auch nicht darüber nachdenken, warum er damit mehr die Tatsache meint, dass Yoongi nur einen Bruder und keinen Freund hat und nicht den Umstand, dass sie heute seinen ersten Song produziert haben.
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