In Gefangenschaft
"Bist du in Ordnung?", fragte Skymark aus der Nachbarszelle.
"Ist das ein Scherz?", entgegnete Phil müde. Er fühlte sich so unendlich taub. Nur sein Handgelenk, welches er zuvor gegen das Lenkrad Revolts geschlagen hatte, erinnerte ihn dumpf pochend daran, dass er nicht träumte. Eine Weile war es still, bis er noch etwas Hinzugefügte. "Ich hatte wirklich geglaubt, dass Revolt tief im Inneren jemand gutes ist. Gegen Hive habe ich ihn sogar noch verteidigt."
"Und das war richtig", ergriff Optimus das Wort. Er hatte bisher nur dagestanden und die Situation beobachtet. "Jedes empfindungsfähige Wesen ist in der Lage, sich zu ändern. Es ist niemals falsch, daran zu glauben."
Phil schnaubte bitter. "Glaube hilft uns nicht weiter. Trotzdem sitzen wir hier fest und müssen dabei zusehen, wie alles Leben ausgelöscht wird. Und das nur, weil ich Hive daran gehindert habe einen Verräter umzubringen", erwiderte Phil. Optimus trat, so weit es ging, auf Phil zu und kniete sich hin um so gut wie möglich auf Augenhöhe zu sein. Sein Blick war sehr ernst.
"Und weshalb hast du ihn daran gehindert?", fragte er. Phil kniff seine Lippen zusammen. Er hasste es, belehrt zu werden, und in dieser Situation wollte er das schon gar nicht. Was nützte es, wenn es am Ende egal war. Doch er beschloss, sich darauf einzulassen. Etwas besser konnte er gerade sowieso nicht tun. "Weil ich daran geglaubt habe, dass Revolt die Wahrheit sagt."
Optimus nickte. "Und genau das macht dich zu einem guten Menschen. Das ist es, was dich von einem Decepticon unterscheidet und der Grund, aus welchem die Primes deiner Blutlinie Fähigkeiten geschenkt haben, die in deiner Spezies einzigartig sind. Du konntest nie verhindern, dass seine Loyalität woanders lag, aber dafür seinen Tod. Dein Einsatz hat Revolt möglicherweise das Leben gerettet, und das weiß er. Nun liegt es an ihm zu entscheiden, was das für ihn bedeutet."
Phil schnaubte. Er glaubte nicht an einen plötzlichen Sinneswandel, doch tief in seinem Inneren hoffte er trotzdem, dass Optimus womöglich recht hatte. Mit verkniffenem Gesicht spielte er an seinem Lederband und suchte die Halle nach irgendetwas ab, was ihm hier raushelfen können würde. Plötzlich hörte er Schritte auf sie zu kommen und ein Gesicht, das er erst am Abend zuvor gesehen hatte, tauchte am Eingang der Halle auf als er seinen Kopf hob.
"Firelive", knurrte Skymark, und Phil senkte den Blick wieder auf sein Armband. Er hatte keine Lust auf ein Pläuschchen mit weiteren Verrätern. Angesprochener schlenderte gemütlich auf sie zu. "Was sagt man dazu", sagte der ehemalige Autobot mit kaum zu überhörender Häme in der Stimme. "Wie heißt es auf diesem Planeten so schön? 'Und so zerbröselt der Kuchen'!"
"Keks", verbesserte Phil, nur halb zuhörend. Das hätte er jedoch vermutlich nicht tun sollen. Firelive ging drohend auf ihn zu. "Ich würde an deiner Stelle keine große Klappe riskieren. Du bist der Grund, weshalb dein Planet nun uns gehört, und jeder Mann, jede Frau und jedes Kind ausgelöscht wird."
"Du tätest gut daran, den Jungen in Ruhe zu lassen", ergriff Optimus das Wort und lenkte Firelives Aufmerksamkeit auf sich, bevor Phil etwas entgegnen konnte. "Sonst?", fragte der Überläufer provokant. Optimus stellte sich ihm gegenüber, nur die blauen Stäbe vor sich. "Wir mögen hinter Gittern sein, doch unterschätze die Situation deswegen nicht." Dafür hatte Firelive nur ein Lachen übrig, doch er verließ sie trotzdem wieder, anstatt zu diskutieren. Anscheinend hatte er doch noch ein wenig Respekt vor Optimus.
"Wenn ich hier rauskomme, werde ich ihn umbringen", meinte Skymark aufgebracht.
"Rache bringt nur Verbitterung und Leid, niemals Frieden", entgegnete Optimus. Der Prime warf seinem Zellengenossen einen Blick zu. "Und tief in dir weißt du das auch."
Skymark schien damit nicht zufrieden zu sein, entgegnete allerdings nichts. Eine ganze Weile hockten sie so stumm in ihren Zellen und warteten auf irgendwas Neues. Nach einer halben Stunde jedoch wurde es Phil zu bunt und er begann auf und abzulaufen. Er spürte den Blick Optimus' auf sich ruhen, was ihm fast noch unangenehmer war, als stumm herumzusitzen. "Beruhige dich", sagte Optimus nach einer Weile und brachte damit das Fass zum Überlaufen.
"Wir müssen irgendetwas tun, das darf so nicht enden!", platzte es aus Phil heraus.
"Und was schlägst du vor?", fragte Skymark mit dumpfer Stimme.
"Ich weiß es nicht", antwortete Phil wütend. Wütend auf sich selbst, wütend auf die Decepticons, wütend auf seinen Ururgroßvater, und wütend auf die Primes, die diesen damals auserwählt hatten. Frustriert trat er gegen die Zellentür, die laut in ihrem Schloss schepperte und Josto zusammenfahren ließ. Plötzlich hielt Phil inne. Er hatte er eine Idee. Schnell durchwühlte er seine Hosentaschen, aber zu seiner Enttäuschung fand er nichts. "Was ist los?", fragte Skymark auf die plötzliche Hektik von Phil hin.
"Ich bin ein Dieb", erklärte dieser aufgeregt. "Dieses Schloss zu knacken sollte kein Problem für mich darstellen, es ist uralt. Wenn ich nur das richtige Werkzeug hätte." Nachdenklich sah er um sich. "Sucht eure Zelle nach festen, spitzen und möglichst kleinen Gegenständen ab!", sagte Phil dann und tat dasselbe in seinem eigenen Gefängnis. Hastig wischte er den Staub auf dem Zellenboden beiseite und tastete jede Ritze ab, den Schmerz, der dabei in seinem Handgelenk aufflammte, ignorierend. Doch niemand fand etwas. Enttäuscht setzte Phil sich wieder auf den Boden. "Fuck", murmelte er und fuhr sich frustriert durch das Haar.
"Es war eine gute Idee", versuchte Skymark ihn aufzumuntern. Es wirkte nicht. Doch als er an seinen Ärmeln zupfte, fiel Phil etwas ein, was er in der Aufregung vergessen hatte. Die Nadel, mit der er Revolt bei seinem Einbruch beim Premierminister geknackt hatte, war noch immer in seinem Pullover - dem Pullover, den er in der Hektik zuvor gegriffen hatte. Schnell durchwühlte er die Vordertasche und hielt sie nur wenige Augenblicke später triumphierend in die Luft. Die Autobots schauten etwas verwirrt, doch Phil machte sich sofort an die Arbeit. Als zweiten Spannungspunkt benutzte er die Nadel, die Jostos Halsband durch eines der Löcher zusammenhielt. Zu seinem Glück war der Mechanismus sehr einfach, sodass Phil nur wenige Minuten brauchte, um die Tür aufschwingen zu lassen. Während Skymark begeistert auflachte und Optimus ihn eingehend im Auge behielt, rannte Phil durch die große Halle in Richtung des Steuerpultes. Als er direkt davorstand, bekam er allerdings das nächste Problem. Es war auf die Größe eines Transformers ausgelegt und viel zu hoch, um es als Mensch erreichen zu können. Phil fluchte. Nirgends gab es eine Möglichkeit, hinaufzuklettern. Immer wieder lief er um das Pult herum, auf der Suche nach einer Lösung. Weshalb mussten Transformer auch so unnötig groß sein? Dann schlug Josto auf einmal mit einem leisen Wuff Alarm und Phil fuhr erschrocken herum. Vier Decepticons betraten den Raum und gingen in die Richtung der Zellen von Skymark, Optimus und seiner eigenen. Hektisch suchte er nach einem Versteck und stellte sich kurzerhand unter das Pult, wo er im Schatten verborgen war. Optimus hatte ihn bis zuletzt beobachtet und bedeutete ihm unauffällig, bedeckt zu bleiben. Ein Decepticon ging auf das Pult zu, um die Zelle der Gefangenen zu öffnen. Phil hielt angespannt die Luft an und hütete sich, eine Bewegung zu machen. Er blieb in seiner Ecke unbemerkt und die Decepticons stellten sich nach dem Ziehen eines Hebels an die jeweiligen Eingänge der Zellen für Phil und Optimus mit Skymark.
"Ihr kommt mit uns", befahl einer der Decepticons. "Denkt nicht daran zu flüchten, für jeden Versuch stirbt ein Autobot. Die Waffen sind schon auf sie gerichtet. Und du-" Der sprechende Decepticon stockte. Er hatte sich zu Phils Zelle gewandt und nun bemerkt, dass dieser fehlte. Nur noch Josto saß brav hinter den Gittern und wartete gehorsam auf den Pfiff, der es ihm erlauben würde, zu seinem Herrchen zu rennen. Wütend ging der Decepticon auf Skymark los. "Wo ist der Mensch?", fauchte er aggressiv. Skymark gab sich unbeeindruckt.
"Ich habe nicht einmal bemerkt, dass er fehlt. Wenn sich so ein kleines Wesen davonschleicht, bekommt man das nicht so schnell mit." Gerade wollte der Decepticon etwas erwidern, da wurde er von einem seiner Kollegen ungeduldig unterbrochen.
"Den Menschen finden wir noch, zur Not hat er Eltern. Lass uns diese Beiden hier erstmal zu Lord Mordread bringen, es soll jeden Moment losgehen."
Der erste Decepticon gab widerwillig nach, und mit den Autobots in ihrer Mitte verließen sie die Halle. Erleichterung überkam Phil, während er aus dem Schatten hervortrat. Doch schnell verwandelte sich die Erleichterung in Sorge. Die Autobots waren die einzigen, die die Macht hatten, sich zwischen die Decepticons und den Rest des Planeten zu stellen. Ohne sie wären Phils Eltern in Gefahr. Und wenn sie gefunden würden, wäre es das Ende.
Phil fluchte, als er beschloss der Gruppe zu folgen und somit seine frisch eroberte Freiheit aufs Spiel zu setzten.
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