Eine Hominiphobie

Phil gähnte und blinzelte gegen das Sonnenlicht. Er saß noch immer in derselben Position, in welcher er auf der Fahrt zurück zur Autobotbasis eingeschlafen war. Er sah sich um - sie standen vor dem alten Motel. Skymark schien die gesamte Nacht hier gestanden zu haben. Josto hatte es sich auf der Rücksitzbank bequem gemacht, doch sprang hechelnd nach vorne auf den Beifahrersitz, als er bemerkte, dass sein Herrchen aufgewacht war. "Moin", murmelte Phil verschlafen an Skymark gewandt, der den Gruß höflich erwiderte.
Erschöpft, mit steifen Gelenken und wummerndem Kopf, stieg er dann aus dem Wagen. Es würde vermutlich etwas länger dauern, bis er wieder wohlauf war. Der Hund, um dessen Abholung aus dem Decepticongefängnis sich Skymark allein gekümmert haben musste, folgte ihm. Revolt hatte an seinem gewohnten Platz geparkt, vor dem alten Zaun zum Vorgarten, transformierte sich jedoch, als Phil auf ihn zu schlurfte. "Optimus will dich sprechen", sagte er ohne Umschweife.
"Mir geht's beschissen, danke der Nachfrage", murmelte Phil und atmete tief die frische Herbstluft ein. Hinter ihm transformierte sich Skymark. "Ich werde dich zu ihm bringen", sagte er. "Steig auf!" Einladend hielt Skymark seine riesige Hand offen auf den Boden, und Phil kletterte schwerfällig hinauf. Normalerweise war er sehr sportlich, doch nach der Tortur des Vortags hatte er kaum noch Kraft, viel mehr zu tun als geradeaus zu laufen. Josto trottete in den Garten, um sich dort zu erleichtern, während Phil das Gleichgewicht zu halten versuchte. Er war kein Fan davon, durch die Gegend getragen zu werden, sah jedoch ein, dass ihm in seinem aktuellen Zustand wohl kaum etwas anderes übrigblieb. Also wurde er, mal wieder, in schwindelerregender Höhe von Skymark über das Basisgelände transportiert, gefolgt von Revolt.
Vor einer der Hallen blieben sie stehen. Hive versperrte ihnen mit verengten Augen den Weg, ganz offensichtlich nicht erfreut über ihre Anwesenheit.
"Geh beiseite!", sagte Revolt barsch. Skymark mischte sich vorsorglich beruhigend ein, bevor irgendeine Waffe erscheinen konnte. "Optimus will den Jungen sprechen", erklärte er.
Hive entgegnete nichts und trat nur beiseite, jedoch nicht ohne einen hasserfüllten Blick in Richtung Revolt. Er war scheinbar noch immer nicht von den Absichten des ehemaligen Decepticons überzeugt. Gemeinsam traten sie ohne weitere Konfrontationen in die Halle und Phil atmete erleichtert aus, ohne vorher bemerkt zu haben, dass er die Luft überhaupt angehalten hatte.
In dem weitläufigen Gebäude warteten Optimus, Ratchet und Bumblebee. Mordread stand mit Fesseln, die aus demselben Material wie die Zellen im Decepticongefängnis waren, neben ihnen und blickte angsterfüllt auf Phil. Dieser fühlte sich beinahe ein wenig schuldig - schließlich war dieser jämmerliche Haufen Elend sein Verdienst - doch dann erinnerte er sich an die knienden Autobots mit Waffen an ihren Köpfen, und an die Schmerzen, während der Decepticon in sein Unterbewusstsein zu dringen versuchte. Noch immer pochte sein Kopf, und er hatte bisher keine Möglichkeit gehabt, sich das trockene Blut vom Gesicht zu waschen. Optimus trat auf die Neuankömmlinge zu. "Ich bin erfreut zu hören, dass du anwesend sein kannst, Phil. Ratchet wird sich mit deinem Zustand genauer befassen müssen, um deinen Genesungsprozess zu überwachen. Er hat sich gestern vergewissert, dass du nicht in Lebensgefahr bist. Da du jedoch die erste Person deiner Spezies bist, die Mordreads Prozedere über sich ergehen lassen musste, wissen wir nicht wie deine Zukunft aussieht. Zuerst muss ich jedoch wissen, was genau mit Mordread geschehen ist. Erst dann können wir planen, wie wir auch mit ihm vorgehen werden."
Phil warf Revolt einen Blick zu, der jedoch keine Reaktion zeigte, und nickte dann. So gut wie es ihm in seinem Zustand möglich war, begann er zu erklären, was vorgefallen war.
"Warte, die Primes?", unterbrach Ratchet die Zusammenfassung Phils, als er bei dem Punkt angekommen war, an dem er versucht hatte, weg zu rennen. Dieser zuckte nur mit den Schultern und fuhr fort. "Sie meinten, dass ich ihn aufhalten könne. Und als ich zurück war bemerkte ich, dass die ausgelöschten Gedanken wieder auftauchten. Letztendlich habe ich alle meine Erinnerungen auf ihn losgelassen, und da alles Ausgelöschte zurückkam, nützte es auch nichts, dass er wie ein wahnsinniger um sich schoss. Er war sozusagen in einen ewigen Kampf verwickelt - zumindest, bis ihr mich zurückgeholt habt." Vermutlich ergab nur die Hälfte von dem, was er gesagt hatte, für die Autobots einen Sinn. Er war jedoch zu erschöpft, um wirklich ins Detail zu gehen.
"Also hat er nun eine Art Menschen-Phobie", stellte Ratchet dann jedoch fachkundig fest. "Eine Hominiphobie, wenn man so will", fügte er hinzu. Bumblebee ließ ein Glucksen ertönen, während Optimus einen analysierenden Blick auf Mordread warf.
"Du hast angesichts der Situation klug gehandelt", begann er dann an Phil gewandt. "Doch eine letzte Frage muss ich dir noch stellen: Was haben die Primes dir erzählt?"
Phil seufzte. Er wusste es selbst nicht wirklich. "Dass unsere Schicksale verzweigt sind und ich meines erfüllen soll, oder so ähnlich. Ich habe mir das nicht Wort für Wort gemerkt." Optimus blickte nachdenklich drein. "Ich habe ehrlich gesagt nicht wirklich verstanden, was sie genau von mir wollten", fügte Phil hinzu. "Direkte Anweisungen sind scheinbar nicht so ihr Ding."
"Nein, direkt sind sie wahrlich nicht", murmelte Optimus. "Etwas großes wird geschehen", erklärte er dann mit lauterer Stimme. "Haben sie noch etwas gesagt?" Phil dachte kurz nach.
"Nur noch, dass Sam damals nicht zufällig auserwählt wurde, die Matrix benutzen zu können. Ich soll deshalb an euch 'gebunden' sein, oder so ähnlich."
Optimus' Blick verengte sich bei den Worten. "In dem Fall ist es vermutlich noch größer, als wir uns das bisher vorstellen können", meinte er mit einem Ton, den Phil nicht deuten konnte. Nach einem kurzen Schweigen ergriff der Prime erneut das Wort. "Ratchet, kümmere dich um Phil. Was mit Mordread geschieht, werde ich mit den restlichen Anwesenden beratschlagen." Der Medical Officer nickte und Phil wurde ihm vorsichtig von Skymark überreicht. Phil wollte fragen, was Optimus mit seinen Worten meinte - ob sie in Gefahr waren - doch der Prime schien in eigenen Gedanken versunken zu sein und Phil hatte sowieso keine große Auffassungskapazität mehr. Also seufzte er bloß, als er mit Ratchet die Halle verließ.

***

In der Versorgungshalle des Medical Officers angelangt, wurde er auf einen überdimensionalen Behandlungstisch gesetzt. Der Autobot wühlte in einer Kiste herum und begann, Phil auszufragen.
"Wie lange hat es von Mordreads erstem Eingriff bis zu der Befreiung gedauert?"
"Weiß ich nicht, hatte keine Stoppuhr dabei", antwortete Phil knapp. Seine Schmerzen gewannen die Oberhand und Erschöpfung setzte ein.
"Wie oft hat er auf dein Bewusstsein zugegriffen?"
"Dreißig Mal vielleicht... ich habe keine Ahnung."
Ratchet hielt inne. "Bist du sicher?"
Phil zuckte mit den Schultern und rieb sich die Schläfen. "Ja, vermutlich. Ich habe nach zehn aufgehört zu zählen."
Ratchet nickte langsam und zog aus der durchsuchten Kiste eine ähnliche Haube wie die von der Decepticonapparatur heraus. Phil schluckte. Ratchet schien das zu bemerken und machte eine beruhigende Geste. "Keine Sorge, dieser Helm wurde für die Analyse von menschlichen Gehirnströmungen hergestellt und mir überlassen, als die Menschen uns verließen. Setz ihn auf, der ist vollkommen harmlos."
Zwar war Phil noch immer nicht wirklich überzeugt, doch er tat wie ihm geheißen. Es war immerhin recht unwahrscheinlich, dass die Autobots ihn nun ebenfalls auf einmal foltern wollten. Ratchet stellte sich vor einen großen Bildschirm und wertete Bilder sowie Daten aus, die der Helm an den Schirm sendete. Phil beobachtete ihn dabei, betrachtete Fotos seines Gehirns die ihm nichts sagten und Grafiken, die er nicht deuten konnte. Nach einer gewissen Zeit versank er jedoch in Tagträumereien. Er war zu erschöpft, um sich länger auf eine Sache zu konzentrieren.
"Ich denke, ich habe gute Nachrichten", riss Ratchet ihn schließlich aus seinen Gedanken. "Deine Anomalien belaufen sich auf geringeres Ausmaß, als ich erwartet hatte."
"Und was bedeutet das jetzt genau?", fragte Phil ein wenig beunruhigt. 'Geringeres Ausmaß' implizierte, dass es dennoch ein Ausmaß gab.
"Du wirst vermutlich keine bleibenden Schäden davontragen, wenn du die nächste Zeit Stress vermeidest und im Bett bleibst. In einer Woche kann ich dir genauer sagen, wie lange dein Genesungsprozess in etwa dauern wird, bis dahin verlässt du das Haus nicht."
Phil seufzte und rieb sich über das Gesicht. Zwar war er nicht wirklich zufrieden mit dem Ergebnis, aber nickte trotzdem folgsam. In den nächsten Wochen würde er also viel Zeit zum Nachdenken haben.

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