Die ersten Primes

Phil krümmte sich zitternd auf dem Boden der Halle. Sein Kopf pochte und fühlte sich an, als würde er explodieren, ihm war übel, und obwohl er fror, war er nass vor Schweiß.
Doch dann stand er wieder von einem Moment auf den Anderen in der riesigen Stadt seines Gedächtnisses, die auf eine beeindruckende Größe gewachsen war. Von einer Wüste war nichts mehr zu sehen. Inzwischen musste fast alles, was sich in Phils Kopf befand, entblößt sein. Er spürte, wie er inzwischen auch an diesem Ort immer erschöpfter wurde, auch wenn die Schmerzen aus der Welt außerhalb seines Kopfes noch nicht hier angekommen waren. Er stützte sich gegen ein Auto, neben dem er aufgetaucht war, während Mordread sich eine Weile umsah, als würde er nach etwas suchen. Dann wurden sie erneut in die Realität gerissen. Phil lag noch immer zitternd und kalt schwitzend auf dem Boden. Er konnte in diesem Zustand keinen klaren Gedanken mehr fassen und fragte sich nur noch, wann die Tortur endlich vorbei sein würde. Auch wenn er tief in seinem aufgebrochenen Inneren wusste er, dass er sich wehren musste oder das Leid nie ein Ende nehmen würde, schrie alles in seinem Kopf danach, einfach aufzugeben.
Erneut landete er nach dem Umlegen des Hebels in der Stadt seines Geistes. In einer Szene am Rande der Straße offenbarte sich Phils Angst vor dem Sterben, und sein alter Spanischlehrer saß auf einer Bank, in seinem roten Anzug und mit einem Kaffee in der Hand.
Mordread hielt erneut ein paar Minuten Ausschau, während Phil mit leerem Blick dastand. Er konnte sich nicht dazu bringen, sich dafür zu interessieren was Mordread genau suchte, und auch nicht dafür, ob die Autobots ihn noch retten würden. Der einzige Gedanke, den er noch vernebelt in sich trug, war, dass er so gut wie möglich gegen Mordread ankämpfen musste. Auch, wenn er dazu einfach nicht mehr in der Lage war. Er hoffte, dass es reichte, daran zu denken. Erneut fand er sich auf dem Hallenboden wieder, mit wummerndem Schädel, dem metallenen Geschmack von Blut im Mund und Schmerzen bei jedem Atemzug. Doch am Rande spürte er, dass etwas anders war. Dark Navy stand nicht mehr hinter dem Pult, sondern ging auf Mordread zu. Phil versuchte angestrengt, durch den Nebel in seinem Kopf mitzubekommen was vor sich ging, auch wenn er dafür all seine kaum vorhandene Konzentration brauchte.
"Lord Mordread, außerhalb des Gebäudes gibt es einen Tumult. Die Autobots haben versucht, sich einzuschleichen. Es wäre sicherer, wenn wir die Behandlung unterbrechen!"
Phils Lebensgeist funkte bei den Worten sofort auf, er stöhnte und versuchte sich aufzurappeln. Doch die schmerzenden Glieder brachen unter ihm zusammen, sodass er wieder hart zu Boden fiel. Mordread bemerkte dies und wandte sich mit festem Blick an den Decepticon. "Wir machen weiter. Ich werde bald das Zentrum seines Unterbewusstseins erreicht haben. Drängt die Autobots mit allen Mitteln zurück, und erst falls sie bis hier vordringen sollten, wirst du uns zurückholen."
Dark Navy nickte und begab sich wieder gehorsam an seinen Platz. Erneut fand sich Phil in seiner Bewusstseinsstadt wieder - doch es war nicht wie die Male zuvor.
Alles stand still. Es gab kein Geräusch und keine Bewegung. Nicht einmal ein winziges Lüftchen wehte. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Mordread, dem das ebenfalls auffiel, schien zufrieden mit diesem Zustand zu sein. "Endlich" sagte er zu sich selbst und er ging auf einen Jungen am Straßenrand zu, den Phil als einen Freund aus seiner Kindergartenzeit identifizierte. "Was ist passiert?", fragte er erschöpft, aber alarmiert. Die Stille fühlte sich beunruhigend an. Bedrohlich, als sei etwas Schreckliches geschehen.
"Die letzte Mauer ist gefallen. Deine Gedanken sind mir ausgeliefert, in diesem Zustand kann ich dir Erinnerungen nehmen und geben", erklärte Mordread und schien fast schon erleichtert. Phil stockte der Atem. Der Decepticon streckte die Hand nach dem Kindergartenkumpel aus, und der Junge verschwand. Einfach so, als hätte er nie existiert. Mordread schien zufrieden zu sein. "Spätestens wenn du aufwachst, wirst du keine Erinnerungen mehr an ihn haben", sagte er, als wäre dies ein beruhigender Gedanke. Phil jedoch bebte vor Angst. Mordread hatte die komplette Kontrolle über ihn, und er konnte nichts tun. Er konnte nur dastehen und beobachten, wie Mordread eine Person nach der anderen aus seinem Leben löschte. Alte Freunde, Klassenkameraden, den Gärtner seiner Eltern, und alle anderen.
Als Mordread sich Lucas zuwandte, der reglos mit seinem Handy in der Hand und einem schiefen Grinsen dastand, begann er, so gut es mit seinen schwachen Beinen möglich war, zu rennen. Er konnte nicht daneben stehen und zusehen, wie alles ausgelöscht wurde, was er je kannte. Und erst recht nicht sein bester Freund. Doch er kam nur bis zum nächsten größeren Wohnhaus, dann veränderte sich erneut alles um ihn herum. Allerdings wachte er nicht auf einem harten Hallenboden auf. Er war umgeben von nichts als Licht, unendlich hell, und all seine Schmerzen und die Leere in seinem Kopf waren verschwunden.
War er tot? Hatte Mordread ihn in seinem leeren Geist eingesperrt?
Aufmerksam sah er sich, als seine Augen sich an das gleißende Licht gewöhnt hatten, um. Wieder war er in einer Art Wüste, doch dieser Sand war anders - pudrig  und fast schneeweiß, mit dunklem Gestein, welches in gigantischen säulenartigen Formationen aus dem Boden ragte.
In der Ferne erblickte er einige Transformer, die sich ihm mit großen Schritten näherten. Phil kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Diese Transformer sahen anders aus als die, denen er bisher begegnet war. Sie waren riesig, viel größer als Revolt oder Optimus. Die Beiden würden diesen Transformern vermutlich höchstens zu den Hüften reichen. Phils Blick wanderte auf die metallenen Hände der Fremden. Keine Waffen. Das wertete er erst einmal als gutes Zeichen. In seinem Inneren explodierten jedoch Fragen. Mit geweiteten Augen beobachtete er, wie die Fremden auf ihn zu kamen. "Wer seid ihr?", fand als erste Reaktion den Weg über seine Lippen, als die riesigen Transformer einige Meter entfernt vor ihm schließlich hielten.
"Wir sind die ersten Primes. Wir haben dich und deine Vorfahren nun schon eine lange Zeit beobachtet", entgegnete einer der Transformer mit mächtiger Stimme. Phil hatte gedacht, noch mächtiger als Optimus ginge es nicht, doch hier stand er nun. Er schluckte, während ein anderer der Transformer das Wort ergriff. "Das Schicksal der Erde und von Cybertron sind seit Anbeginn der Zeit miteinander verwoben. Keiner wird dem anderen je entfliehen können - und das eine würde ohne das andere nicht existieren. Es ist also wichtig, dass du deine Bestimmung erfüllst."
"Welche Bestimmung?", fragte Phil und runzelte die Stirn. Wenn er ehrlich war, hatte er genug von Bestimmungen und Schicksalen, selbst wenn es die ersten Primes persönlich waren, die sie ihm übermittelten.
"Es hat seinen Grund, weshalb in dir das Wissen der Matrix schlummert. Das ist eine sehr spezielle Macht, die dich an uns alle bindet. Sam, und somit auch du, wurden nicht zufällig ausgewählt."
In Phil brannten nun noch mehr Fragen. "Was wollt ihr von mir?" Die Primes blickten auf ihn hinab, mit einer Ruhe die sich langsam auf Phil zu übertragen begann.
"Du wirst zurückkehren und kämpfen. Deine Fähigkeiten als Mensch sind gegen uns viel größer, als du zu glauben vermagst." Phils Augenbrauen zogen sich bei den Worten zusammen, doch bevor er fragen konnte, was zur Hölle das bedeuten sollte, befand er sich wieder in seiner Stadt aus Gedanken und Erinnerungen, und stolperte über seine eigenen Beine. Er schien in derselben laufenden Position angekommen zu sein, wie vor seiner fraglichen Begegnung mit den 'Primes'. Mordread schien von seiner Abwesenheit nichts bemerkt zu haben und vollendete die Beseitigung Lucas'. Eine Sekunde blieb Phil mit klopfendem Herzen stehen, bevor er beschloss weiter zu laufen. In dem Haus seiner ehemaligen Nachbarn fand er Zuflucht. An seinem Gesundheitszustand schien sich nichts geändert zu haben - sobald er wieder hier war, fühlte er sich schwach, leer und müde. Trotzdem versuchte er, seine Gedanken auf die derzeitige Situation zu fokussieren und herauszufinden, was eigentlich gerade geschehen war und warum. Immer wieder drohte er in einen Schlaf zu verfallen, doch er wusste instinktiv, dass es sein Ende sein würde, wenn er das tat. Er atmete tief durch und kniff sich in den Arm um konzentriert zu bleiben. Die Primes schienen fest daran zu glauben, dass er die Situation wieder unter Kontrolle bringen konnte. Eine Anleitung dafür, wie er das anstellen sollte, hatten sie allerdings nicht dagelassen. Kurz kniff Phil seine Augen zusammen, um seine Gedanken zu sortieren. Dann öffnete er sie wieder und fuhr erschrocken zusammen. Direkt vor ihm in dem Haus standen Lucas und der Junge aus dem Kindergarten, ebenso wie ein paar andere Personen, die zuvor noch vor seinen Augen ausgelöscht wurden. Scheinbar waren sie über ihren Ortswechsel genauso verwirrt wie Phil, doch nach kurzem Zögern verließen sie das Haus ohne ein Wort. Sofort war Phil hellwach. Als alle gegangen waren, tauchte seine Mutter an ihrer Stelle auf, ebenso überrascht wie ihre Vorgänger. Phil begann, auf Hochtouren nachzudenken. Offensichtlich erschienen alle Erinnerungen, die Mordread auslöschte, wieder an diesem Ort. Zwar war er erleichtert, dass dem so war, doch er konnte nicht begreifen, aus welchem Grund das Geschah. Seine Mutter verließ den Raum und einer seiner Freunde aus der Grundschule tauchte auf.
Eine Idee formte sich in Phils Kopf. Sie war seiner Meinung nach so simpel wie genial. Er befand sich in seinem eigenen Bewusstsein: Das hieß, er sollte in der Lage sein, genau dies auch zu kontrollieren. Er hatte es schon in Filmen gesehen: Wenn er sich vorstellte, dass eine Katze direkt vor ihm auftauchen würde und einen Bongo tanzte, sollte genau dies theoretisch auch geschehen. Noch war es schließlich sein Bewusstsein - Mordread hatte es noch nicht geschafft, die Kontrolle zu übernehmen.
Vorsichtig erhob sich Phil von seinem Platz und schlich sich aus dem Haus zurück auf die Straße, wo Mordread einen Menschen nach dem anderen verschwinden ließ. Phil blieb hinter einer hässlichen Statue stehen und kniff seine Augen zusammen, mit aller Kraft auf den Decepticon konzentriert. Er stellte sich vor, dass dieser nun beschloss, ein Autobot zu werden und ihn gehen zu lassen. Er sollte einfach innerhalten, sie zurück in die Realität kehren lassen, und dann all seine Befehle zurückziehen. Doch als auch nach mehreren Minuten des Fokussierens war Mordread noch immer dabei, ein Objekt nach dem anderen verschwinden zu lassen, welches dann unbemerkt von dem Decepticon wenig später in dem Haus von Phils Nachbarn auftauchte, gab er auf. Erschöpft rieb er sich die Schläfen. So einfach würde das also nicht sein. Mit einem Seufzen sammelte er sich neu. Es dauerte nicht lange, bis er einen neuen Plan hatte. Zwar war er komplett verrückt und auch nicht wirklich erfolgsversprechend, doch verzweifelte Situationen verlangten verzweifelte Methoden. Er drehte sich so, dass er Mordread genauestens im Blick hatte, starrte auf dessen Rücken, und begann.

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