KAPITEL 17
Ich versteifte mich. Die Stimme kannte ich und ich spürte, wie auf einmal mein Selbstbewusstsein, das ich so mühsam aufgebaut hatte, in sich zusammenfiel. Ängstlich richtete ich mich auf und schaute in das Gesicht meines Peinigers. Wie bereits befürchtet war es Kato.
Kato war an meiner alten Schule eine Stufe über mir gewesen. Durch einen integrativen Kurs mit anderen Jahrgängen, war er auf mich aufmerksam geworden. Letztendlich war er derjenige gewesen, der alle mit seinem Schwulenhass ansteckte und die negative Stimmung verbreitete, die mich bis heute verfolgte. Er hatte den Hass gegen mich gesät und als er letztendlich ein Jahr vor mir von der Mittelschule abgegangen war, war dieser Hass tief in den Köpfen meiner Mitschüler und sie mobbten mich weiter.
„WAS HAST DU GESAGT?" Ich zuckte zusammen. Katsukis laute Stimme schnitt durch das Stimmengewirr ringsherum. Er war aufgestanden und hatte sich vor Kato aufgebaut. Kato war zwar deutlich größer, aber Bakugou wirkte mit seinem durchtrainierten Körper und seinen stahlharten roten Augen durchaus beeindruckend.
Doch Kato betrachtete ihn mäßig interessiert. „Was hast du denn mit der Schwuchtel zu tun?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ich bin sein FREUND!", keifte Katsuki. Ich stand nur eingeschüchtert daneben und machte mich so klein wie möglich.
Kato machten einen Schritt zurück und verzog gehässig das Gesicht. „Widerlich. Zum Glück könnt ihr euch nicht fortpflanzen.", sagte er und wollte sich umdrehen. Doch Katsukis Faust hielt ihn davon ab. Katsukis Faust, die mit voller Wucht seinen Kiefer traf.
Kato taumelte zurück und hielt sich das Kinn, bevor er hasserfüllt einen Schritt auf meinen Freund zu machte, ausholte und den unvorbereiteten Katsuki einen Hieb auf die Nase verpasste. Blut strömte über Bakugous Gesicht und Kato holte erneut aus. Da kam endlich Bewegung in mich und ich stellte mich schützend vor ihn. Ich hob meine Arme und blockte seinen Schlag so gut es ging. Weh tat es trotzdem. Gleichzeit spürte ich wie Katsuki mich an der Schulter packte und wegschieben wollte, anscheinend von dem gleichen Beschützerinstinkt gepackt, der auch mich ergriff. Doch ich blieb stehen, schloss die Augen und wartete auf den nächsten Schlag. Aber er kam nicht.
Ich blinzelte. Kato wurde von einem großen blonden Jungen mit schwarzen Knopfaugen festgehalten. Er wehrte sich, doch der Blonde war stärker. „Geht ihr beiden lieber, ich kümmere mich um diesen Hohlkopf.", sagte er zu uns.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich las schnell meine Boxhandschuhe auf, die noch neben dem Laufband lagen und zog Katsuki mit mir. Wiederstrebend ließ er sich von mir aus dem Studio ziehen, nicht bevor er Kato noch einen tödlichen Blick zu werfen konnte.
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Wir gingen schweigend zurück zum Wohnheim. Katsuki hatte seine blutende Nase nur nachlässig abgewischt und das Blut war inzwischen getrocknet. Er hatte die Fäuste noch immer geballt und blickte finster drein. Er schien noch immer mit seiner Wut zu kämpfen, während ich mehr und mehr die Schultern sinken ließ. Ich spürte wie meine Augen immer feuchter wurden. Ich versuchte die Tränen wegzublinzeln und wischte mir schnell über die Augen, bevor es eine Träne wagen konnte meine Wange herabzulaufen.
Durch die Bewegung wurde Katsuki auf mich aufmerksam und ich sah wie seine blanke Wut sich langsam in Besorgnis wandelte und seine Fäuste sich öffneten. Er griff vorsichtig nach meiner Hand. Ich ließ das kurz zu und löste mich dann wieder um mir verzweifelt durch die Haare zu fahren. Mir war in diesen Moment alles zu viel. Es war, als habe mir meine Vergangenheit brutal ins Gesicht geschlagen und ich wusste nicht mehr wo mir der Kopf stand. Ich war meine Unsicherheit nie ganz losgeworden, aber ich hatte in der kurzen Zeit an der U.A. neues Selbstbewusstsein entwickelt und allmählich die Bestätigung dafür erhalten, dass ich in Ordnung war, so wie ich war. Katsuki selbst hat mir dieses Gefühl Tag für Tag vermittelt und allmählich hatte ich angefangen daran zu glauben. Doch all das war in den Sekunden, in denen ich Katos gehässige Stimme das erste Mal seit langem hörte zusammengebrochen. Ich spürte, wie ich vor unterdrücktem Schluchzen anfing zu zittern.
Wir kamen am Wohnheim an und Katsuki öffnete mir die Tür, bevor er selbst hineinging. Ich steuerte direkt die Treppe zu den Schlafräumen an, als wir den Gemeinschaftraum betraten.
„Oh Gott, was ist denn mit euch passiert?", hörte ich Kaminaris Stimme. Aber ich wollte jetzt nicht reden und schaute nicht einmal hoch, als ich anfing die Treppen hochzusteigen. Vielleicht war das nicht besonders nett Kami gegenüber, aber ich war in diesem Moment viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um mir darüber Gedanken zu machen. Ich bemerkte, dass Bakugou im Gemeinschaftsraum stehen geblieben war und hörte seine leise Stimme, die mit den anderen redete. In diesem Moment war ich ihm unfassbar dankbar, dass er ausnahmsweise die soziale Rolle in unserer Beziehung übernahm. Das fiel ihm sicherlich nicht leicht.
Ich ging geradewegs in mein Zimmer, legte mich aufs Bett und jetzt wo ich mit mir allein war, fing ich doch an zu heulen. Dann klopfte es an der Zimmertür. Ich stand wiederstrebend auf und ließ Katsuki hinein, der schnell die Tür hinter sich schloss und mich in eine feste Umarmung zog. Ich krallte mich in sein T-Shirt. Die Tränen liefen unaufhaltsam in den Stoff und ich schluchzte, nicht mehr wissend wo mir der Kopf stand.
Lange standen wir so da. Katsuki fuhr mit der einen Hand meinen Rücken auf und ab, während er mich mit der anderen weiterhin fest an sich drückte. Er flüsterte beruhigende Worte in mein Ohr und platzierte sanfte Küsse auf meiner Schläfe. Nach und nach fing ich an mich zu entspannen. Ein Weilchen nach dem die letzten Tränen versiegt waren, hielt ich ihn noch fest, dann löste ich mich langsam.
„Entschuldigung.", sagte ich. Ich konnte ihm kaum in die Augen sehen. Ich war schuld daran, dass wir in diese Situation gekommen waren und jetzt musste er auch noch meine Heulerei ertragen.
Katsuki runzelte verärgert die Stirn. „Entschuldige dich nicht auch noch für dieses Arschloch." Seine Stimme war leise aber energisch, weswegen ich kurz zusammenzuckte. Er hob mein Kinn, sodass ich ihm in die Augen schauen musste.
„Eijirou.", sagte er sanft und drückte mir einen kurzen sanften Kuss auf die Lippen. „Du bist da beste was mir je passiert ist. Ich bitte dich: Hör auf an dir selbst zu zweifeln. Ja, es gibt Arschlöcher da draußen und manchmal begegnet man einem. Entweder man ignoriert sie oder ist gezwungen denjenigen seine Meinung zu sagen. Aber wie kommt es das jemand, der so stark ist wie du, sich für den dritten Weg entscheidet und sich von ihnen als Sandsack missbrauchen lässt?" Seine Stimme wurde immer leiser und die letzte Frage war beinahe ein Flüstern. Er schaute mir tief in die Augen und ich sah darin seine Besorgnis und seine Zuneigung.
„Ich ...", fing ich leise an. „Ich war nie sonderlich gut darin Leuten meine Meinung zu sagen und wie du ja selbst schon bei Boxen bemerkt hattest: ich bin auch nicht der Typ, der zuschlägt ... aber um ehrlich zu sein, weiß ich auch nicht genau wie es dazu kam. Ihr ganzer Hass hat mich einfach in die Knie gezwungen."
Katsukis Augen wurden feucht, als ich das sagte. Er schluckte schwer. „Dennoch hast du dich diesem Kerl entgegengestellt."
„Ich konnte nicht mitansehen, wie er dich schlägt."
„Ich hätte das ausgehalten."
Ich musste leicht lachen. „Ich weiß. Aber es war meine Schuld, dass er dich geschlagen hat."
„Nein. Ich hab ihm eine verpasst. Er hat zurückgeschlagen. Du bist an gar nichts Schuld.", sagte er bestimmt und lächelte mich an.
Nun musste auch ich lächeln. Ich beugte mich zu ihm rüber und gab ihm einen kurzen Kuss. Doch er ließ nicht zu, dass ich mich so schnell von ihm löste und vertiefte den Kuss. Ich grinste und löste mich dennoch von ihm.
„Kat?"
„Ja?"
„Du hast immer noch Blut im Gesicht."
Ich schmunzelte, als er sich mit der Hand an die Nase fuhr und das verkrustete Blut an seinen Fingern betrachtete.
„Ich schätze, ich sollte mich mal waschen."
„Solltest du."
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