Schwarz, Blatt und Grau

Kalte Luft streicht um mich. Ich nehme einen tiefen Atemzug. Danach breite ich meine Flügel aus und stürze mich in die Wolken. Ich lasse den Boden immer näher kommen. Schliesslich bremse ich haarscharf ab und gleite in der Luft. Viele Leute finden Adler seien die schönsten Vögel auf dieser Welt. Das weiss ich natürlich nicht, denn ich bin kein Mensch. Ich bin ein Adler. Ich betrachte meine weissen Flügelspitzen und kreische laut vor Freude. Endlich habe ich einen Gefährten gefunden. Und endlich habe ich meine Eier gelegt. Ich lande auf einem Felsblock. Hier war es warm und schön. Nur selten fand man eine Maus. Aber wenn man eine fand, dann war sie richtig fett. Unter mir öffnet sich eine weite Schlucht indem ein Fluss rauscht. Ich sehe in die Sonne und verweile so einen Moment. Danach öffne ich wieder die Augen und stürze mich wieder in die Luft. Ich sause zum Fluss und streife dann sanft die reissenden Strömungen. Plötzlich halte ich inne. Ich sehe ein Streifenhörnchen. Ich kreise über ihm und stürze mich nach unten. Ich packe das Hörnchen und reisse es in die Luft. Es zappelt noch in meinen Fängen, doch bald erschlafft es. Zufrieden fliege ich zurück zu meinem Nest. Dort wartet Schwarz auf mich. Schwarz ist mein Gefährte. In seinem Gefieder sind schwarze Federn und das macht ihn so einzigartig. Sein Kopf schiesst zu mir herum und er mustert mich interessiert.,, Gelb! Die Jungen schlüpfen!" krächzt er. Fast hätte ich das Streifenhörnchen fallen gelassen. Ich lande neben ihm und lege die Beute ab. Da knackt es. Ein Ei bricht auf und ein winziger Schnabel sieht heraus. Das andere Ei wackelt ein bisschen und bricht dann auch auf. Danach zersprangen beide Eier und zwei winzige Küken schreien:,, Hunger!" Ich gebe ein Gurgeln von mir und reisse das Hörnchen in Stücke. Gemeinsam verbringen wir den ersten Abend der Küken.

,, Wann darf ich fliegen?" Grau zupft an meinem Gefieder und sieht mich an.,, Bald, meine Kleine." Blatt sitzt neben mir. Seine Augen streifen die Schlucht und plötzlich ruft er:,, Schwarz kommt zurück!" Schwarz kehrt wirklich mit drei Mäusen zurück. Er landet im Nest und Grau springt aufgeregt um ihren Vater.,, Wann darf ich fliegen?" Schwarz seufzt amüsiert und meint dann:,, He! Noch nicht so schnell! Noch will ich die Ruhe während dem Jagen geniessen!" Ich zupfe meinen Gefährten an einer Feder.,, Nur taube Mäuse werden sie nicht hören." Grau sieht sie entrüstet an.,, Das stimmt nicht! Ich kann euch jetzt eine Maus fangen!" Schwarz zieht sie sanft zurück und sagt:,, Wir haben genügend Mäuse." Grau packt sich eine Maus und stürzt sich auf sie. Blatt stellt sich neben sie und nimmt auch gierige Bisse. Schwarz legt die Beute vor mich und dankbar beisse ich in die Maus. Als wir sie gegessen haben legen wir uns hin. Blatt und Grau kuschelten sich in mein Gefieder und schliefen ein. Langsam schlafe ich auch ein.

Ein Kreischen weckt mich. Ich wache auf und schlage meine Augen auf. Blatt steht kurz vor der Schlucht. Es regnet und ein heftiger Wind weht.,, Helft mir! Ich falle gleich aus dem Nest!" Schwarz sieht mich an und springt danach zu Blatt. Ein heftiger Windzug packt Blatt und reisst sie in die Schlucht. Ihr Schrei hallt durch den Regen. Schwarz stürzt hinter ihr her. Im letzten Moment kann er sie packen, doch der Wind reisst ihn in den Fluss.,, Nein!" schreie ich und will Schwarz retten. Eine leise Stimme hält mich auf.,, Es bringt nichts." Ich will protestieren, doch da merke ich, dass es nichts bringt. Grau sieht traurig in den Fluss und krächzt:,, Lass mich nicht alleine." Ich nicke mit dem Kopf. Wir drücken uns eng an die Wand und  versuchen nicht in die Fluten zu stürzen.

,, Ich will Schwarz und Blatt suchen." meint Grau stur.,, Ich will dich nicht verlieren!" schreie ich und seufze. Grau sieht mich mit klugen Augen an und meint:,, Du wirst mich nicht verlieren." Schon springt sie über den Rand des Nestes. Ich schreie auf und folge ihr. Erstaunt sehe ich, wie sie sich in der Luft dreht. Ich fliege zum Fluss und suche das Ufer ab. Grau reiht sich neben mich und sucht mit aufmerksamen Augen den Fluss ab. Plötzlich erstarre ich. Ich sehe ein Gefieder. Ich lande vorsichtig auf einem Felsvorsprung und sehe hinunter zu Schwarz. Sein Schnabel ist geöffnet und ein Blutfaden hing heraus. Seine Augen starrten in den Himmel. In seinen Krallen lag Blatt. Er war nur noch Federn und Haut.,, Sie sind tot." haucht Grau neben mir.,, Lebt Wohl." hauche ich und fliege davon. Grau folgt mir und fragt:,, Was soll ich jetzt tun?" Ich sehe sie an und meine kraftlos:,, Geh weg von mir. Ich bringe dir nur das Verderben." Grau schreit empört auf und meint:,, Du kannst mich jetzt nicht im Stich lassen!" Ich krächze:,, Gut, dann bringe ich dir das Jagen bei." Grau sieht mich interessiert an.,, Fang diese Maus dort drüben." meine ich und zeige auf eine Maus. Grau fliegt kreisend über die Maus und stürzt sich dann auf sie. Geschickt tötet sie die Maus, doch als sie starten will greift sie ein Kojote an.,, Nein!" Grau kreischt und schlägt um sich und entkommt den scharfen Zähnen. Sie fliegt nach oben. Ich fliege zu ihr.,, Grau, du..." Ich verstumme als ich das Blut sehe, dass von ihr tropft. Ich helfe ihr und lande dann im Nest. Grau bricht zusammen.,, Nein." kreische ich. Grau holt gurgelnd nach Luft und sagt leise:,, Du kannst nichts dafür. Niemand konnte den Kojoten sehen." Ich schreie und sage:,, Wieso nicht mich?" Grau sieht mich mit traurigen Blicken an und erschlafft dann.,, Nein!" schreie ich.,, Nein!" schreie ich wieder und trete zum Rand des Nestes. Hier stand Blatt.,, Nein!" schreie ich wieder und stürze vom Nest.,, Nein!" schreie ich zum letzten Mal und schlage am Boden auf. Die Welt verschwimmt vor meinen Augen.,, Nein... Ich wollte doch nur gesunde Küken und einen treuen Gefährten... Nein..." Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich mich umgebracht hatte. Bald würde ich Schwarz, Blatt und Grau wieder sehen. Alles wurde schwarz.

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