Kapitel 9

Ethan

Ich nehme mein Handy vom Nachttisch und suche in meinen Kontakten nach der Nummer meines besten Freundes. Er ist der Einzige, dessen Stimme ich gerade aushalten kann. Denn nach dem kleinen Streit zwischen Ashley und mir, kann sie es natürlich nicht lassen noch weiter auf mir herumzuhacken. Deshalb habe ich es mich auch entschieden heute Nacht auf der Couch zu schlafen. Ihre gespielte Freundlichkeit geht mir langsam, nämlich wirklich auf die Nerven. Die Stimmungsschwankungen dieser Frau sind manchmal echt nicht auszuhalten. Denn obwohl sie vielleicht gerade freundlich sein mag, weiß ich genau, dass unser Streit trotzdem noch lange nicht vorbei ist.

Kurz klingelt es, doch dann nimmt Eric ab:"Hey Bro. Was gibt's?" "Können wir uns morgen Nachmittag treffen?", bitte ich ihn. Er ist mein beste Freund und somit der Einzige, dem ich mich wirklich zweifellos anvertraue." Oh Gott, was hast du wieder verbrochen?", hakt er nach. Ich kann sein Grinsen durch die Telefonleitung regelrecht hören. "Kann ich dir das morgen erzählen? Heute habe ich dafür nämlich wirklich keine Kraft mehr", antworte ich ehrlich. "Na gut, aber du hast mich neugierig gemacht", teilt er mir mit: "Ich will alles wissen." "Das wirst du", ich nehme einen Schluck aus meiner Kaffeetasse: "Dann bis morgen." "Bis morgen!", verabschiedet er sich: "Schlaf dich gut aus, Bro."

Daraufhin lege ich auf und lasse mein Smartphone zurück auf den Wohnzimmertisch fallen. Dann schüttele ich mein Kissen und decke mich mit der dünnen Wohnzimmerdecke zu. Im Winter wäre es wahrscheinlich viel zu kalt, doch jetzt gerade, im späten Sommer, reicht es auf jeden Fall. Ich schließe die Augen und versuche in die Welt der Träume zu entfliehen. Meine Gedanken sind aber viel zu sehr auf die beiden Frauen fixiert, die ihre Aufmerksamkeit an diesem Abend auf sich gezogen haben. Allerdings ist mir eine von ihnen in diesem Moment präsenter als die anderen und deshalb fühle ich mich wie ein riesiges Arschloch.

***

"Hey, Ethan", Eric winkt mir von seinem Tisch herüber zu. Ich lächele freudig und mache mich dann auf den Weg zu ihm. Wir haben uns für meine heutige Mittagspause im Starbucks um die Ecke verabredet.

"Hey", ich lasse mich auf den freien Stuhl fallen und stecke mein Handy in die Tasche, da mir Ashleys eintrudelnde Nachrichten langsam auf die Nerven zu gehen beginnen. Warum muss unsere gestrige Diskussion unbedingt fortgeführt werden? Kann sie es nicht wenigstens lassen, wenn sie weiß, dass ich auf der Arbeit bin? Schließlich haben wir später auch noch genug Zeit zum Streiten.

"Wie war dein Tag bisher?", fragt er sofort und nimmt einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Fast kommt es mir so vor, als würde er ahnen, dass irgendwas nicht stimmt. "So lala", ich rolle mit den Augen, um ihm zu bedeuten, dass er lieber nicht so genau fragen soll.

"Na gut", er schaut ein wenig verwirrt drein, nickt dann aber: "Also weshalb wolltest du mich so dringend treffen. Sonst rufst du mich nie mitten in der Nacht an." "Wie du ja weißt, war gestern diese Wohltätigkeitsveranstaltung meiner Eltern, von der ich dir erzählt habe", versuche ich seinen Wissensstand zu checken. "Ja, an deine maßlose Freude über diese Bitte deiner Eltern kann ich mich noch lebhaft erinnern", er grinst sarkastisch.

"Ja, ich mich auch", erwidere ich mit einem Gesichtsausdruck, der immer noch nicht vor Freude sprüht. "War es denn so ein Reinfall wie gedacht?", dieses Mal schaut er ernst. "Na ja, nicht ganz", mein rechter Mundwinkel wander in die Höhe: "Der Anfang und das Ende schon." "Und was ist mit der Mitte?", er schenkt mir einen vielsagenden Blick. "Die Mitte war gar nicht so schlecht", erst wenige Sekunden, nachdem ich das ausgesprochen habe, wird mir klar, wie zweideutig das gerade klang:"Sagen wir einfach, ich habe eine alte Bekannte wieder getroffen."

"Erzähl mir mehr", er wackelt interessiert mit den Augenbrauen. Kurz überlege ich, ob ich es ihm erzählen soll, gebe dann aber nach: "Du weißt ja, dass ich früher in England gelebt habe, richtig?" Da ich meine Mittagspause auch zum Essen nutzen sollte, winke ich eine Kellnerin herbei. "Ja, und?", wartet er darauf, dass noch etwas von mir kommt. "Damals war ich nicht unbedingt die beste Version von mir selbst", versuche ich es vorsichtig zu formulieren. "Du meinst, da warst ein Arschloch", filtert er die Kernaussage hervor. "Exakt", kurz unterbreche ich die Unterhaltung, um einen Himbeersmoothie zu bestellen. "Und was soll sich daran geändert haben?", scherzt er, als die Angestellte wieder verschwunden ist. Ich werfe ihm nur einen verächtlichen Blick zu, der aber nur teilweise gespielt ist: "Sehr lustig."

"Jedenfalls war da damals dieses Mädchen", ich starre ein wenig bedrückt auf die Tischplatte, seinem Blick ausweichend: "Und obwohl ich vor ich schon einige Mädchen hatte und obwohl ich es erst eigentlich gar nicht auf sie abgesehen hatte, war sie vom ersten Moment an perfekt." "Perfekt?", er sieht mich überrascht an: "Hast du Fieber? Das habe ich dich im Bezug auf eine Frau nämlich noch nie ernsthaft sagen hören. Da muss sie wirklich besonders gewesen sein." "Das ist sie tatsächlich", fast könnte man behaupten, ich würde schwärmen: "Zu perfekt." "Was war denn das Problem?", er sieht mich fragend an.

"Das ist Problem ist, dass sie nicht nur wunderschön, sondern auch intelligent ist und das macht sie gefährlich", ich seufze wehmütig. "Also fällt sie eigentlich gar nicht in dein typisches Beuteschema", versucht er mein Problem nachzuvollziehen. "Wie meinst du das?", meine Stimme wird ernst. "Du stehst nicht auf intelligente Frauen", behauptet er. "Das stimmt doch gar nicht", wende ich ein. "Ashley", ist das Einzige, was er dazu zu sagen hat.

"Hast du meine Freundin gerade wirklich dumm genannt?", ich klinge entrüstet, obwohl ich genau weiß, was er meint. Manchmal passt besagte Frau nämlich perfekt in das Bild des 'naiven, dummen Blondchens'. "Du weißt wie ich das meine", versucht er mich zu beruhigen. Ich nicke leicht.

Eine Kellnerin bringt mir mein Getränk und ich führe den Strohhalm an die Lippen. "Hast du sie denn geliebt?", fragt Eric nach einigen stillen Sekunden, die sich wie Minuten anfühlen, ehrlich. Mir ist augenblicklich klar, dass er unmöglich Ashley meint: "Ich denke schon." "Warum bist du denn nicht bei ihr geblieben?" "Meine Familie ist weggezogen und sie hatte so viele Pläne und Ziele, in die ich einfach nicht reingepasst habe", teile ich ihm mit: "Und jetzt bin ich eben mit Ashley zusammen." "Du wohnst mit ihr zusammen. Und das nicht mal, weil du sie wirklich liebst, sondern weil sie darauf bestanden hat", tadelt er mich. Normalerweise würde ich sowas leugnen, aber mein bester Freund kann jede meiner Lügen enttarnen.

Ich öffne den Mund, um zu widersprechen, schließe den Mund dann aber wieder. Schließlich hat er ja recht. Am Anfang hatte ich wirkliches Interesse, doch zusammengezogen bin ich mit ihr tatsächlich nur, weil sie es unbedingt wollte und weil meine Eltern es für gut halten, wenn ich eine feste Beziehung habe. Ob das allerdings immer noch etwas mit Liebe zu tun hat, kann ich auch nicht mehr genau sagen. Schließlich streiten wir uns in letzter Zeit fast ununterbrochen.

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