[06]

Jisung PoV

Gerade noch rechtzeitig erreichte ich das Klassenzimmer, in dem ich diesen Morgen Unterricht hatte. Ich war komplett übermüdet von der vergangenen Nacht, in der ich kaum geschlafen hatte. Als hätte es nicht gereicht, dass ich erst nach vier Stunden eingeschlafen war, hatte ich auch noch zwei Stunden zu früh Aufwachen müssen und konnte nicht wieder einschlafen, wodurch mir ziemlich viel an Schlaf fehlte. Das blieb wohl auch Minho nicht lange verborgen.

"Wow... Du siehst echt scheiße aus, Jisung. Wie wenig hast du denn bitte geschlafen?", begrüßte er mich äußerst freundlich.

"Danke, du siehst auch nicht gerade perfekt aus.", erwiderte ich, "Es waren bestimmt so zwei bis drei Stunden, die ich geschlafen hab."

"Ich sehe nicht perfekt aus? Ich dachte ich hab ein perfektes Gesicht und bin auch generell ziemlich hübsch.", meinte Minho und ich wurde leicht rot.

Ohne wirklich darüber nachzudenken, was ich tat, schlug ich ihm leicht mit der Hand auf die Schulter, weshalb Minho mich überrascht ansah. Meine Hand kribbelte leicht auf die gleiche unangenehme Weise, wie sie es sonst auch tat.

"Jisung, leg deine Hand auf den Tisch. Handfläche nach unten.", wies Minho mich an, da er wusste, was ich als nächstes machen wollte. Ich versuchte es, doch die Kälte des Tisches schaffte es nicht gegen das Kribbeln in meiner Hand anzukommen. Hilfesuchend sah ich zu Minho.

"Und jetzt denk an gestern. Denk daran, wie du meine Hand berühren wolltest und wie es sich angefühlt hat, als du es getan hast. Es hat sich schön angefühlt, oder? Du mochtest es."

Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich daran dachte, wie sich Minho's Hand unter meinen Fingern angefühlt hatte. Er hatte recht. Es hatte sich wirklich schön angefühlt.

"Und beides ist mein Körper. Beide Stellen, die du berührt hast, sind miteinander verbunden. Es ist im Prinzip genau das Gleiche wie gestern."

Das Gefühl in meiner Hand verschwand nicht komplett, aber dennoch verschwand es soweit, dass ich mich mit dem Unterricht ablenken konnte, den der Lehrer gerade beginnen wollte.

Minho war die ganze Stunde darauf bedacht, mich nicht zu berühren, was zwar ziemlich anstrengend sein musste, besonders da ich beim Schreiben ein Stück zu ihn rüber musste, um nicht mit meinem Ellenbogen andauernd gegen die Wand rechts neben mir zu stoßen. Allerdings wollte ich mich nicht beschweren, da ich nicht wusste, ob ich ansonsten neben jemanden gesetzt wurde, der weniger Rücksicht auf mich nahm als Minho, und das würde ich nicht aushalten.

Dennoch ging ich in der Pause nicht zu ihm und seinen Freunden, so wie er es mir angeboten hatte, sondern setzte mich alleine auf eine der Bänke. Mir war nicht danach, mich in die hinterste Ecke zu verziehen, deshalb blieb ich lieber auf einer einzelnen Bank, von der aus ich Minho und seine Freunde sehen konnte.

Sie unterhielten sich freudig und sie so zu sehen brachte in mir wieder die Gefühle des gestrigen Abends hervor. Die Einsamkeit kam zu mir zurück und krallte sich an mich wie ein Raubtier, das mich als nächstes verschlingen wollte.

Einer von Minho's Freunden, ich glaube, dass er Chan hieß, aber sicher war ich mir nicht, sagte etwas zu Minho, woraufhin dieser interessiert in meine Richtung sah und mich zu ihm winkte, doch ich sah ihn nur unsicher an. Einer der anderen Jungen namens Hyunjin, den ich aus einem meiner Kurse flüchtig kannte, schubste den ebenfalls unsicheren Minho einen Schritt in meine Richtung, als würde er ihm sagen wollen, dass er zu mir gehen und mich zu ihnen bringen sollte.

Genau das hatte Minho dann auch vor. Er kam zu mir und sah mich mit einem schüchternen Lächeln an.

"Hey, Jisung. Du hast nicht zufällig Lust zu uns zu kommen, oder?"

"Nein, ich will ein bisschen alleine sein. Ich bin ungern in größeren Gruppen. Selbst wenn es nur sieben Leute sind.", antwortete ich mit einem traurigen Lächeln.

"Verstehe. Lässt du mich alleine bei dir bleiben oder soll ich auch gehen?"

"Aber deine Freunde-"

"Die kommen auch ohne mich aus, versprochen. Mach dir keine Sorgen um die."

"Wenn du meinst... Aber ich will dich nicht von ihnen fern halten. Du sollst sie nicht wegen jemandem wie mir vernachlässigen."

"Jemanden wie dir? Jisung, es gibt niemanden wie dich."

"Jaja, ich bin verrückt und krank im Kopf. Ich weiß.", sagte ich und sah ein wenig bedrückt zu Boden.

"So meinte ich das gar nicht, du kleiner Riesenidiot. Ich meinte damit, dass du jemand besonderes bist.", erwiderte er und setzte sich neben mich.

" 'Besonders' ist das Wort, das meine Mutter benutzt, wenn sie jemanden beschreiben will, der nicht mehr alle Latten am Zaun hat...", grummelte ich und ließ ihn damit kurz lachen.

"Darf ich?", fragte er und zeigte auf meine Hände. Ich nickte unsicher. Einerseits wollte ich wieder Minho's Hand halten, doch andererseits hatte ich Angst, dass ich es nicht aushalten konnte. "Du kannst sie jederzeit wieder weg nehmen. Ich bin dir nicht böse, weil ich weiß, dass es dir schwer fällt. Das weißt du hoffentlich?"

"Ja, weiß ich."

Er nahm vorsichtig meine Hand, so sanft als könnte sie jeden Moment zerbrechen, und zeichnete kleine Muster auf meine Hand, so wie ich es gestern getan hatte. Es fühlte sich gut an. Kein Kribbeln, kein Schmerz. Nur Minho, der nun langsam mit seinen Finger über meine fuhr.

"Warum hat mir niemand gesagt, dass sich einfache Berührungen so schön anfühlen können?", sprach ich meinen Gedanken leise aus, was Minho leicht lächeln ließ.

"Du hättest es mir nicht geglaubt."

"Ich will, dass du mir mehr zeigst, Minho."

"Was sagst du dazu, wenn du am Wochenende vorbei kommst und ich dir alles zeige, was du fühlen willst."

"Kannst du mir zeigen, wie es ist, wenn man gemeinsam mit jemandem einschläft und gemeinsam wieder aufsteht? Einfach einmal einschlafen und aufstehen, ohne einsam zu sein. Ich will wissen, wie es sich anfühlt.", fragte ich, woraufhin er meine Hand wieder los ließ, um sich komplett auf meine Worte konzentrieren zu können.

"Natürlich, Ji."

"Und bitte denk dir einen anderen Spitznamen aus."

"Jisungie~"

"Nicht viel besser."

"Baby~"

"Nein. Falls wir jemals zusammen kommen sollten, was nie passieren wird, dann von mir aus gerne, aber jetzt... Einfach nein.", meinte ich, was bei Minho einen leicht verletzten Ausdruck in seinen Augen hinterließ.

"Ist ja gut. Dann bleibe ich halt bei Ji oder Sungie. Oder bei beidem zusammen. Mein Jisungie~"

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