[05]
(^falls ihr noch nicht in der richtigen Stimmung für dieses Kapitel seid)
Jisung PoV
Der Tag mit Minho war, auch wenn ich es nicht besonders gerne zu gab, wirklich schön, doch die ernüchternte Einsamkeit am Abend verlieh dem ganzen einen traurigen Beigeschmack. Ich lag in meinem Bett und wartete eigentlich nur darauf, dass meine Mutter in mein Zimmer kam, um mir eine gute Nacht zu wünschen.
Ich hasste es, dass sie immer noch jeden Abend in mein Zimmer kam. Ich hasste es, dass sie mich immer noch jeden Abend anfasste und ich hasste es, dass sie nie bemerkte, wie sehr sie mich damit weiter kaputt machte.
Sie kam in mein Zimmer und sprach mir Worte zu, von denen ich nicht glaubte, dass tatsächlich Liebe dahinter steckte.
"Schlaf schön, Jisung."
Ihre Hand lag auf der Außenseite meines Oberschenkels. Ich fühlte mich wie eine Puppe aus Porzellan, die langsam durch das Gewicht auf ihren Bein zerbrach, doch egal wie langsam sich die Risse auch durch ihr Bein zogen, eines Tages würde sie komplett zerbrechen. Vielleicht würde dann jemand sehen, wie kaputt sie schon lange gewesen war und dass all die kleinen unperfekten Stellen an ihr mehr waren als nur Schönheitsfehler, die man ignorieren konnte. Vielleicht würden sie es bereuen.
Sie redete weiter, erzählte mir Dinge, die mich nicht interessierten, wie beispielsweise was sie morgen bei ihrer Arbeit machen würde, während sich die Risse immer tiefer in mein Fleisch zogen und zu kleinen Schluchten worden. Wie sehr wünschte ich mir, dass ich sie einfach weg treten könnte, doch so kostete es mich einfach nur ein unglaubliches Maß an Selbstkontrolle, um genau das nicht zu tun.
Ein wenig Erleichterung breitete sich in mir aus, als sie mich endlich los ließ und mit einem "Gute Nach, Jisung." aus meinem Zimmer verschwand. Sie sah nicht zurück, gab dem langsam vor sich hinbröckelnden Scherbenhaufen, der ich war, keine Aufmerksamkeit. Das tat sie nie.
Meine Emotionen stürzten nun alle gleichzeitig auf mich ein. Sehnsucht nach jemandem, der es sah und sich um mich sorgte, Einsamkeit, die mich jeden Abend in ihren Klauen gefangen hielt und nicht gehen lassen wollte, und die Frage danach, warum ich nicht sein konnte wie alle anderen, ließen mich die Schmerzen in meinem Bein für einen Moment vergessen. Und in diesem kurzen Augenblick, in dem ich mich nur nach Sicherheit, Geborgenheit und Liebe sehnte, schoss Minho's Lachen durch meinen Kopf. Ich ließ meine Hand langsam zu meinem Oberschenkel wandern, kratze die Stellen wund, die sie berührt hatte und dachte dabei an den Tag mit Minho zurück.
Er hatte mir die Dinge gegeben, nach denen ich mich jahrelang gesehnt hatte. Auch wenn er mir nicht die Liebe gab, die ich mir immer erträumt hatte, gab er mir ein kleines Stück Sicherheit. Er gab mir Kraft.
Ich nahm meine Hand von meinem Oberschenkel und ließ sie zu meiner eigenen wandern, die ich genauso berührte wie Minho's zuvor. Sie fühlte sich so anders an als seine. Seine Hände waren viel weicher als meine. Sie waren weniger kaputt, da er sie nicht so sehr zergekratzt hatte wie ich. Kurz kam in mir der Wunsch auf, sie zu halten, doch der Gedanke daran, war immer noch durch die negativen Gefühle geprägt, die die Berührungen anderer Leute mit sich brachten. Trotzdem sah ich es als Ziel an. Ich wollte bis Ende des Jahres einmal Minho's Hand gehalten haben. Es war Oktober, also hatte ich dafür noch ganze zwei Monate Zeit. Das sollte ich schaffen. Schließlich hatte ich es auch schon geschafft, seine Hände zu berühren. Oder hatte ich zu hohe Erwartungen an mich selbst?
Ich seufzte leise und kuschelte mich dann in meine Decke. Wieder einmal konnte ich den Gedanken daran nicht verdrängen, wie es wohl wäre, wenn es eine Person wäre, die sich um mich schlang und nicht die alten, leicht verblichenen Baumwollfasern meiner Bettdecke. Doch wer konnte schon sagen, ob es jemals so weit kommen würde?
In Nächten wie diesen schien die Dunkelheit, die mich sonst in ihren Armen hielt und beschützte, auf mich hinabzustürzen wie tausende Messer.
Ich versuchte immer weiter unter meine Decke zu kriechen, als könnte sie mich beschützen, kniff meine Augen zusammen und rollte mich zusammen wie ein Igel, doch natürlich half es nicht. Ich war nicht mehr drei Jahre alt und konnte mir einreden, dass mich nichts Schlechtes treffen konnte, sobald ich mich unter einer Decke verkrochen hatte. Dennoch machte ich es, weil ich keine andere Möglichkeit hatte, um auch nur einen Hauch von Sicherheit zu gewinnen. Ich fühlte mich verloren und hilflos, obwohl ich genauestens wusste, dass mir nichts passieren konnte und ich nirgendwo sicherer war als hier. Es war ein grausames Gefühl, nirgends wirklich sicher zu sein vor den eigenen Gefühlen und Gedanken. Es tat weh, niemanden zu haben, der einem bei stand und einen davor schützte.
Andere Menschen hatten Angst vor einem Monster unter ihrem Bett, während mein Monster in meinem Kopf wütete und mir kein Entkommen ließ. Nichts konnte mich vor ihm schützen.
Eine vereinzelte Träne fand ihren Weg meine Wange hinunter. Früher waren es mehr gewesen, doch nach einer Weile war ich einfach tauber für den Schmerz geworden. Ich hatte mich schon fast vollständig an ihn gewohnt, da er mich schon lange begleitete, allerdings war Schmerz wohl etwas, was einen nie loslassen würde, egal wie sehr man sich auch an ihn gewöhnte. Dieser Schmerz verschwand nie komplett. Er hielt mich wach und verfolgte mich tagsüber. Er krallte sich an mir fest und zwang mich, meine Augen offen zu lassen, bis ich nach einigen Stunden der Qualen in einen leichten Schlaf fiel, der mir jedoch kaum neue Energie gab, sodass ich den nächsten Tag nur mit Mühe überstehen konnte und noch empfindlicher war.
In dem Wissen, dass genau dies heute Nacht wieder passieren würde, lag ich wach und quälte mich durch die dunklen, einsamen Stunden, die an mir nagten, bis meine Augen zu fielen, da mein Körper einfach nicht mehr konnte.
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