[04]

Jisung PoV

Es war ein anstrengender Schultag für mich gewesen. Minho hatte mich echt fertig gemacht, da er mich einfach nicht in Ruhe gelassen hatte und dann auch noch dieser dämliche Deal, den wir abgeschlossen hatten.

Jetzt lag ich erschöpft in meinem Bett, hörte Musik und dachte nach. Ich dachte an nichts Bestimmtes. Einfach alle möglichen Fragen, die mir gerade in den Sinn kamen:

Wenn du bist was du isst, ist dein Seelenverwanter dann die Person, die einfach ihr Leben lang genau das Gleiche gegessen hat wie du?

Wie kam jemand auf die Idee Papier aus Bäumen zu machen?

Die wirklich wichtigen Fragen halt.

Der Ton meines Handys riss mich aus meinen Gedanken und ich sah, dass Minho anrief. Musste er mich jetzt auch noch Zuhause nerven? Naja, eigentlich hatte ich mir das ja selbst eingebrockt. Mit einem Seufzen nahm ich den Anruf an.

"Minho, was gibt's?", fragte ich recht monoton.

"Sei in 15 Minuten fertig. Wir gehen shoppen.", antwortete er und ich konnte seinen frohen Gesichtsausdruck quasi vor mir sehen.

"Dein Ernst? Können wir nicht was anderes machen?"

Ich setzte mich auf und gähnte.

"Keine Widerrede. Du gehst mit mir shoppen, ob du willst oder nicht. Also jetzt mach dich fertig oder geh so, wie du gerade aussiehst. Und schick mir deine Adresse. Ich hol dich ab."

"Jaja, ist gut. Ich mach ja schon."

"'Jaja' heißt 'Leck mich'.", erwiderte Minho. Er sollte mal nicht so besserwisserisch sein, wenn er mich im Unterricht alle paar Minuten irgendwas fragte, weil er etwas nicht wusste.

"Leck mich, Minho.", meinte ich und legte einfach auf. Kurz darauf kam eine Nachricht von ihm, dass wir auch einfach spazieren gehen könnten, wenn mir das lieber war, womit ich schon eher einverstanden war. Ich schickte ihm meine Adresse und wartete, bis er klingelte. Er hatte gesagt, dass ich so gehen konnte, wie ich gerade war, also würde ich mir nicht die Mühe machen, mich irgendwie hübsch zu machen. Über meine leicht zerwuschelten Haare würde ich einfach eine Cap ziehen und dann würde es ihn nicht nerven.

"Du hast auch echt die freundlichste Art, dich zu verabschieden, oder?", fragte Minho mit einem Grinsen, als ich ihm die Tür öffnete.

"Für dich doch immer, Darling.", antwortete ich sarkastisch. "Warum willst du überhaupt spazieren gehen? Wir könnten genauso gut hier bleiben und es uns in meinem Zimmer bequem machen. Außerdem versteh ich nicht, wie mir das helfen soll."

"Es ist einfacher mit jemandem zu reden, wenn man draußen ist. Und ich gehe mit dir spazieren, damit du mich besser kennenlernst und lernst mir zu vertrauen. Du wirst mich nicht anfassen wollen, wenn du mir nicht vertraust.", erklärte er und es ergab irgendwie Sinn, was er da sagte. Ich zog mir meine Schuhe an und ging zu ihm raus.

"Was willst du mit dem Rucksack?", fragte ich irritiert und wir gingen los. Wohin wusste ich nicht. Minho gab die Richtung an.

"Siehst du, wenn wir da sind. Ich verstecke schon keine Leiche drin. Keine Sorge.", antwortete er, "Das wäre dann auch eine ziemlich kleine Leiche. Höchstens ein Kind oder Changbin..."

"Wer ist Changbin?"

"Einer meiner Freunde. Er geht in unsere Parallelklasse."

"Ich hab dich noch nie mit ihm gesehen."

"Du gehst ja auch immer soweit weg wie möglich. Warum verbringst du nicht mal die Pause mit uns zusammen, wenn du dich dazu bereit fühlst? Falls ich es nicht schaffe, dir zu helfen, schafft es vielleicht einer von ihnen."

"Ich... Uhm..."

"Du bist lieber für dich alleine, richtig?"

Ich nickte.

"Das ist doch voll okay. Ich kann verstehen, dass du nach zwei Stunden auch mal eine Pause von mir brauchst.", scherzte er und lächelte. "Wenn dir mal danach ist, kannst du einfach vorbei kommen, ja? Mach einfach das wonach dir ist. Das gilt für alles. Wenn du mich anfassen willst, fässt du mich an. Wenn du mich wieder loslassen willst, lässt du mich los. Zwing dich zu nichts und mach einfach das, wobei du dich wohl fühlst."

"Verstanden."

Wir bogen ins Feld ein, an einem See vorbei und so langsam fragte ich mich wirklich, was Minho vorhatte und wo er hin wollte. Hier war schließlich nichts.

"Wir wollen hier lang, Jisung.", meinte er, als ich weiter den Hauptweg folgen wollte, der weiter ins Feld führte, doch Minho wollte offenbar einen Weg nehmen, der nicht mal den Titel eines Trampelpfads verdient hatte.

"Du willst mich echt irgendwo mitten im Feld umbringen und dann verschwinden lassen, oder?", fragte ich und ging mit ihm gemeinsam den Weg entlang, der bergauf führte.

"Dann hätte ich ziemlich schlecht geplant. Schließlich hättest du meinen Plan dann schon durchschaut.", lachte er.

Ich mochte sein Lachen. Es klang schön und melodisch. Wenn er lachte, schien sein ganzes Gesicht vor Freude mit zu strahlen und das gefiel mir. Sein Lachen passte einfach perfekt zu ihm.

"Du bist wirklich hübsch, wenn du lachst.", meinte ich zu ihm, was ihn nur noch hübscher lächeln ließ.

"Danke. Wir sind übrigens da."

Wir waren an einem der höchsten Punkte angekommen und vor uns befand sich nun ein bewaldeter Abhang, von dem aus man den See sehen konnte, an dem wir zuvor vorbei gelaufen war. Es war bewölkt, aber trotzdem gefiel mir die Aussicht unglaublich gut.

(A/N: Ja, das ist bei mir in der Nähe. Ich bin da irgendwie zufällig drauf gestoßen, als meine Mutter mich rausgeschickt hat, während der Home Schooling Zeit. Ich vermisse das Home Schooling.)

"Woah... Wie hast du das hier gefunden? Ich wusste nicht, dass es so etwas hier bei uns gibt."

"Ich hab es gefunden, als ich irgendwann mal spazieren gegangen bin. Ich wollte wissen, wohin dieser Pfad führt und offenbar war es die Sache wert. Hunger?"

"Du hast Essen mit? Heirate mich, Minho."

"Alles zu seiner Zeit."

Er hatte wieder sein hübsches Lächeln im Gesicht und ich war ein wenig stolz darauf ihn zum Lächeln gebracht zu haben.

Ich sah ihm dabei zu, wie er eine Decke aus seinem Rucksack zog und sie ausbreitete. Jede der Bewegung, die er mit seinen Händen machte, beobachtete ich genauestens. Seine Hände sahen nicht aus, wie etwas, das mich verletzen könnte. Auch nicht als er Snacks aus der Tasche zog und auf die Decke legte. Dann setzte er sich hin und ich setzte mich zu ihm. Noch immer starrte ich auf seine Hände. Ich könnte sie berühren. Ich wollte sie berühren. Vielleicht war es dieser Ort, der mich in seinen Bann zog und mutiger werden ließ. Vielleicht war es aber auch der schöne Junge vor mir.

"Minho, leg deine Hand mit der Handfläche nach oben auf deinen Oberschenkel.", forderte ich ihn auf und er machte es. "Ich will, dass du mit mir redest, wenn ich das jetzt mache. So kannst du mich ein bisschen ablenken, wenn ich dich anfasse."

"Okay, mach ich."

Zögerlich bewegte ich meine Hand zu seiner. Dann legte ich meine Fingerkuppen auf seine Handfläche und fuhr vorsichtig die Linien in seiner Hand nach.

"Das ist irgendwie süß...", lächelte er und beobachtete meine Bewegungen so aufmerksam, wie ich zuvor seine beobachtet hatte.

"Frag mich irgendwas. Ich will das noch ein bisschen machen, bevor es anfängt weh zu tun."

"Was willst du erreichen, Jisung?"

"Wie meinst du das? Später im Leben? Generell?"

"Nein, ich meine, was erhoffst du dir davon, dass ich dir helfe?"

"Ich will... Argh, das klingt so kitschig."

"Du kannst es mir trotzdem sagen."

Ich nahm meine Hand zurück. Eigentlich hatte ich noch länger weiter machen wollen, aber ich hatte das Gefühl, dass meine Finger jeden Moment anfangen könnten zu kribbeln und ich wollte mir das nicht kaputt machen. Das eben war ein guter Anfang gewesen und ich war ziemlich stolz darauf, dass ich es geschafft hatte.

"Bitte lach mich nicht aus, okay?"

"Mach ich nicht, keine Sorge."

"Ich will lieben können, so wie es jeder andere kann. Ich will wissen, wie es ist, jemanden zu küssen oder die Hand von jemandem zu halten, den man liebt. Einfach eine Beziehung zu haben. Es muss ja nicht mal Sex sein. Ich will einfach nur wissen, wie sich Liebe anfühlt. Nicht nur im Herzen sondern auch auf der Haut. Ich hab mich oft gefragt, wie es wäre, wenn man morgens wohl behütet in den Armen seines Freundes aufwacht und das Gesicht einer geliebten Person sieht und nicht nur eine Wand oder ein leeres Zimmer. Ich will all diese Dinge nicht auslassen müssen, nur wegen diesem bescheuerten Gefühl. Ich will nicht einsam enden, nur weil ich es nicht besser auf die Reihe bekomme."

"Du bist nicht mehr einsam, Ji. Du hast jetzt mich und ich werde dir helfen, damit du glücklich wirst. Auch wenn du mich nicht liebst, bin ich für dich da.", meinte er und irgendwie erweckten seine Wort in mir den Wunsch, wieder seine Hand zu nehmen. Vorsichtig bewegte ich also wieder meine Fingerspitzen über seine Hand, wobei ich ein wenig mutiger würde als zuvor.

"Okay, ich hab deine Frage beantwortet. Jetzt musst du meine beantworten. Warum willst du mir helfen?"

"Das werde ich dir eines Tages sagen, aber dafür ist es noch zu früh. Bis dahin muss du dich damit zufrieden geben, dass ich dein persönlicher Engel bin."

______________________

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top