3 | von Drogen und Piraten




Top ten to die. Das ist doch mal ein cooler Titel. Hätte ich Glitzerstifte oder Sticker oder so, würde ich das jetzt groß auf ein Plakat schreiben und wunderschön verzieren. Aber sowas habe ich nicht und ich habe auch nicht das Geld dafür. Und meinen Bruder würde ich dafür auch nicht in Gefahr begeben und mich selbst erst recht nicht.

Ich schreibe es also einfach nur mit Kugelschreiber auf das Blatt und unterstreiche es mit einem mehr oder weniger geraden Strich darunter. Hübsch. Dann die Nummerierung. Und jetzt geht es ans Auswerten. Das macht eigentlich wirklich Spaß, ich blende Faleys Gerede über Zeug, das ich nicht im entferntesten verstehe komplett aus und sogar der stickige Physiksaal mit dummen Menschen darin wird Nebensache.

10. Mary Chorde

9. Charlotte Saintes

8. James Srayge

7. Payton Lee

6. Fayette Debroux

5. Garret Sorber

4. Maisy Hoolbay

3. Petra Adams

2. Carter Blum

Soweit komme ich, aber ich habe mich wohl irgendwie verzählt. Ich muss eine neue Nummer zehn bestimmen. Also schiebe ich die Liste beiseite und schaue wieder auf das Buch. In diesem Moment wird das monotone Gerede von unserem Physiklehrer von dem Knallen der Lautsprecher unterbrochen. Ich schrecke auf und mein Herz bleibt kurz stehen. Zumindest fühlt es sich so an.

„Rachel Collins, bitte ins Büro des Direktors!", ertönt die Stimme unserer Sekretärin und die Qualität des Lautsprechers verwandelt ihre Stimme in ein hässliches Krächzen. Ich verdrehe die Augen und schiebe meine Sachen vom Tisch in den alten Rucksack, der mal lavendelfarben war, aber jetzt nur noch grau ist und fast auseinanderfällt. Ich sollte eine Liste mit Dingen machen, die ich brauche. Und dann Jace geben.

Alle Augen sind auf mich gerichtet, als ich mich in einer Bewegung aufrappele und den Stuhl auf dem ich saß fast umwerfe. Ich setzte meinen Killerblick auf und muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Payton gehässig lächelt. Was habe ich jetzt wieder verbrochen?

Die Spannung ist greifbar, als ich aus der Tür trete und sie hinter mir zuschlage. Sicher geht jetzt das Getuschel los und Mr Faley bekommt einen Anfall.

Ich hoffe einfach, dass ich kein Nachsitzen bekomme. Das ist alles. Ich finde es eigentlich sogar ganz amüsant, so durch die leeren Flure zu schlendern und nur das Klappern meiner Sohlen auf dem Boden zu hören. Ich beginne sogar etwas zu hüpfen und lächele, als ich an Reihen von Spinden vorbeilaufe. Es kann mich eh niemand sehen, also kann ich mein Pokerface wegpacken. Es ist ein Grund zu feiern, dass ich kein Physik mehr ertragen muss.

Als ich die Tür zum Sekretariat aufstoße, schaut mich unsere Sekretärin entsetzt an. „Anklopfen?", sagt sie vorwurfsvoll, doch ich ignoriere sie. Sie ist schon um die fünzig und hat ihre grauen Haare zu einem strengen Dutt nach hinten gebunden. Durch ihre ganzen Falten wirkt ihr Gesicht dauerhaft böse und ihr Körperbau erinnert mich an eine Kröte.

„Rachel Collins", seufzt sie und ich meine sie ihre Augen verdrehen zu sehen, „Ihr Bruder war heute auch schon hier!" Oh Fuck, was hat Jace jetzt angestellt?! Ich bin diejenige von uns, die einen schlechten Ruf hat und ständig beim Direktor abhängt. Sogar die Kröte kennt schon meinen Namen!

„Du kannst reingehen!", schnauzt sie mich an und deutet auf die Schlichte Holztür am anderen Ende des kleinen Zimmers. Ich drücke die Tür aus und stand in einem Büro. An den Wänden standen Regale mit irgendwelchen Büchern darin. Ich glaube ein Buch hatte ich mit acht das letzte Mal freiwillig in der Hand. Vor dem Fenster stand ein Schreibtisch, hinter dem ein ungehaltener Direktor O'Marianne. Immer wenn ich diesen Namen höre oder auch nur daran denke, muss ich grinsen. So auch jetzt.

„Ich denke nicht, dass es da etwas zu grinsen gibt, Miss Collins!", sagte der Direktor mit seiner tiefen Stimme und deutete auf den freien Stuhl ihm gegenüber. Ich setzte mich und bekomme das Grinsen nicht aus meinem Gesicht.

„Was wird mir vorgeworfen?", frage ich und muss an diese eine Szene aus dem zweiten Teil von Fluch der Karibik denken. Da, wo Elisabeth und Will verhaftet werden, weil sie Jack Sparrow geholfen haben. Gott, ich liebe diese Filme.

„Miss Collins?", reißt mich ein noch ungehaltener Direktor aus den Gedanken. Wenn wir schon mal bei Fluch der Karibik sind, O'Marianne sieht aus wie Cotton. Ihr wisst schon, der Stumme mit dem Papagei. Nur dass der Direktor eine Zunge hat.

Er schiebt ein kleines Plastiktütchen mit weißen Tabletten darin zu mir herüber und schaut mich verärgert an. „Sie wissen, dass ich sie dafür suspendieren kann und werde!", erklärt er mit finsterer Miene und ich starre auf das Tütchen. Solche bringt Jace manchmal mit und er und Drake nehmen dann ihre Medizin, wie sie es nennen.

„Hä?", sage ich äußerst intelligent, denn ich habe keinen blassen Schimmer, was diese Pillen mit mir zu tun haben. Ich nehme keine Drogen und wenn, dann würde ich sie doch nie in die Schule mitnehmen. Wer ist denn so dämlich? Diese Situation erinnert mich an einen Vorfall letztes Jahr.

James Srayge tat mir damals irgendwelches Zeug in den Spind, warum auch immer. Auf jeden Fall wurde ich dann suspendiert und Jace hat mich ausgelacht, weil ausgerechnet mir das passiert. Seitdem denkt jeder hier ich sei ein Junkie. Toll.

„Die gehören mir nicht!", stoße ich empört hervor und schaue mir die zwei Tabletten genauer an. Dann wird mir etwas klar. Bevor mich Cotton daran hindern kann, öffne ich das Tütchen und stecke mir die eine Tablette in den Mund.

Zorneserfüllt springt er auf und brüllt: „Ich dulde keinen Drogenkonsum an dieser Schule!" Ich grinse nur selig und frage: „Wollen sie auch ein Traubenzucker?" Mein Grinsen wird noch breiter, als Cotton komplett verwirrt aus seinem Stuhl zurücksinkt. „Bitte was?", fragt er. Ich schiebe das Tütchen mit der letzten Tablette zurück zu ihm und lutsche auf dem Traubenzucker herum. Es schmeckt süß und eigentlich wirklich lecker.

„Das ist Traubenzucker", stelle ich etwas ernster fest und verdrehe dann die Augen, „Ich weiß nicht welcher Idiot das in meinen Spind getan hat oder wo auch immer sie das gefunden haben aber es ist Traubenzucker."

Ich stehe auf und schwinge mir meinen Rucksack über eine Schulter. „Wieso war Jace heute morgen hier?", frage ich schließlich, denn das interessiert mich wirklich. „Jace?", kommt die Rückfrage. „Jacob Collins,", hole ich weiter aus, „Mein werter Bruder."

Cotton macht eine wegwerfende Handbewegung. „Es ging nicht um Jacob, sondern um einen anderen Jungen. Er hatte sich mit einem anderen Schüler geprügelt und Jacob hat versucht, die beiden zu beruhigen." Aha, mein Bruder ist also doch ein guter Mensch. Und irgendwie kann ich mir ziemlich gut vorstellen, dass der "andere Junge" Drake war.

„Kann ich jetzt gehen?", frage ich nicht im freundlichsten Ton und ich bekomme eine sogar ziemlich nette Antwort: „Natürlich, Miss Collins. Ich bedauere diese Verwechslung." Jetzt schleimt er rum. Ich verabscheue Schleimer.

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