57. Kapitel: Sherlock und Watson
(zurück zu Toms Pov)
Der Tag, an dem das Quidditchspiel der Ravenclaws und Gryffindors abgesagt worden war, weil man die Jägerin Hannah Thomson im ersten Stock versteinert aufgefunden hatte, war der Beginn eines unfassbar tristen und langweiligen Schuljahresendes. Die Schüler erkannten das Schloss, das sie so sehr liebte, kaum wieder. Vom aufblühenden Sommer erreichten nur wenige Sonnenstrahlen die Korridore der Schule. Stattdessen wanderten Auroren in dunklen Umhängen wie Schatten durchs Schloss und sorgten dafür, dass niemand unbefugt unterwegs war.
Ein Gutes hatte der Vorfall aber. Seit Hannah Thomson versteinert im Krankenflügel lag, hatte Ava Starling entschlossen, eine Allianz mit Tom Riddle einzugehen, um den Erben, wie nun alle Schüler den geheimnisvollen Täter nannten, zu schnappen. Sie ergriff jede Möglichkeit an Informationen und Hinweisen zu kommen und Tom spielte das Detektivspiel gerne mit. Bedacht legte er immer wieder falsche Fährten um den Verdacht möglichst weit von sich selbst zu lenken. Die Drohbotschaft, die Tom eifersüchtig und mit verletztem Stolz eigentlich wegen Benjamin Bagman an die Wand im ersten Stock geschmiert hatte, erschwerte ihm das nur leider. Jetzt, wo Tom wusste, dass da zwischen Benjamin und Ava sowieso nichts gewesen war, ärgerte er sich über diesen strategischen unklugen Schachzug, den er aus reiner Eitelkeit getätigt hatte.
Ein Schnipsen riss Tom aus seinen Gedanken und brachte den Erben Slytherins zurück in das Klassenzimmer von Professor Bins, dem Gespenst, das Geschichte der Zauberei unterrichtete.
"Professor?", es war Ava, die versuchte den schnarchenden Lehrer aufzuwecken. Das Gespenst öffnete genervt die Augen, hatte wohl kurz vergessen, wo es sich just befand: "Äh, Miss...?"
"Professor Bins, was ist die Kammer des Schreckens?", Ava fragte ganz direkt und unverblümt. Der Geist zuckte zusammen: "Wie?"
"Die Kammer des Schreckens", wiederholte die Ravenclawschülerin selbstbewusst. Alle Köpfe drehten sich zu ihr. Erstaunt über den Mut und die Direktheit der Frage.
"Die Kammer des Schreckens, die geöffnet wurde", pflichtete Matthilda der Freundin bei. Und Olive Hornby ergänzte neugierig: "... der Erbe hat sie doch geöffnet. Professor!" Das Gespenst starrte sie alle verwirrt an: "Ähm ich weiß nicht wovon sie da reden. Welcher Erbe?"
"Die Innschrift an der Wand, die bei Hannah Thomsons versteinertem Körper hinterlassen wurde, Professor Bins", schaltete sich jetzt Oliver ein und zitierte: "Die Kammer des Schreckens wurde geöffnet. Feinde des Erben nehmt euch in acht. Ihr seid die nächsten, Schlammblüter." Plötzlich war die ganze Klasse putzmunter. Neugierig starrten sie alle den Lehrer an.
Das Gespenst nickte und richtete sich von dem Stuhl auf, an dem es schwebte: "Nun ja... Ich... eh.. vermute, dass es sich bei dieser Innschrift um einen albernen Scherz handelt." Enttäuschung.
"Hat ihnen Dippet verboten, mit uns darüber zu sprechen?", rief Lucy Rosier: "Oder diese Hexe, die fürs Ministerium arbeitet?"
Bins räusperte sich: "Die Kammer des Schreckens gibt es nicht. Jedenfalls gibt es dafür keine Belege. Ein albernes Märchen. Ein Gerücht. Nichts weiter."
"Und woher stammt das Gerücht? Es muss ja irgendeinen Ursprung haben", fragte Ava kritisch nach. Alle anderen pflichteten ihr murmelnd bei.
Bins hatte keine andere Wahl. Sie würden nicht locker lassen, also schwebte er durch das Pult hindurch um sie alle besser sehen zu könne. Er seufzte: "Die Kammer des Schreckens, ist nicht mehr als ein Raum der angeblich von einem der vier Schulgründer, Salazar Slytherin, erbaut wurde. Ein Raum den niemand jemals zu Gesicht bekommen hat. Er existiert also nicht."
Charles meldete sich unbeeindruckt: "Und was ist das für ein Raum? Eine Folterkammer?"
"Angeblich ein Raum, in dem Slytherin ein Monster versteckt hielt. Denn wie sie alle vielleicht wissen, war der Gründer des Hauses Slytherin kein Freund von muggelstämmigen Hexen und Zauberern. Laut ihm, sollten nur reinblütige Kinder die Kunst der Magie erlernen. Slytherin geriet darüber in einen Streit mit den anderen Hausgründern und letztendlich verließ er die Schule. Das Monster in der versteckten Kammer sollte wohl die muggelstämmigen Kinder umbringen." Bins räusperte sich: "Aber das ist nur eine alberne Geschichte... und jetzt bitte ich sie, dass wir weiter an ihren ZAG Themen arbeiten."
Ein lautes Raunen erfüllte den Raum, als der Lehrer das Lehrbuch aufschlug und mit dösiger Stimme Kapitel fünf vorlas. Niemand hörte ihm mehr zu. Alle fachsimpelten über die geheime Kammer.
"Also ist es doch ein Slytherinschüler! Der Erbe... von Slytherin!", flüsterte Ava aufgeregt in Toms Ohr: "Oder die Erbin von Slytherin!" Tom zuckte mit den Schultern: "Kann sein."
"Kannst du nicht Walburgas Kommode oder den Koffer nach irgendeinem Versteinerungstrank durchsuchen?", flüsterte sie.
"Wie soll ich denn unbemerkt in den Schlafsaal der Mädchen kommen?", zischte Tom zurück. Er hatte entschieden, das Spiel mitzuspielen, bis sich eine bessere Gelegenheit auftat. Und solange hielt er seinen Trumpf, Rubeus Hagrid und die Riesenspinne, in der Hinterhand.
"Lass dir halt was einfallen. So schwer ist das doch auch nicht...", das blonde Mädchen zuckte mit den Schultern: "Knutscht doch einfach noch mal rum, dann wird sie dich schon in den Schlafsaal schmuggeln." Immer wieder oder viel mehr immer noch stieß sie ihn von sich.
Tom rollte mit den Augen: "Knutsch du doch mit Walburga..."
Seine bissige Bemerkung hatte Ava ein Grinsen entlockt, fügte aber schnell ernst hinzu: "Ich finde wir sollten jedenfalls unbedingt auf die Suche nach dieser geheimen Kammer gehen, Riddle."
"Aber wie? Überall im Schloss halten Auroren Wache?"
***
Eine Woche später, am 12. Juni 1943, ergab sich eine Gelegenheit. Bis dahin war es Ava und Tom nicht erlaubt gewesen, die Gemeinschaftsräume - außer für den Unterricht und die Malzeiten - zu verlassen. Aber zum Glück lud der Zaubertranklehrer seinen Slugclub ein letztes Mal für dieses Schuljahr zu einer kleinen Dinnerparty ein. Slughorn hatte den Schulleiter und das Ministerium lange bequatschen müssen, bis diese ihm das außerunterrichtliche Treffen genehmigten.
Tom verließ an diesem Samstag pünktlich um 18 Uhr mit Walburga Black, Todd Lestrange und Lucy Rosier die Kerker. Sie trafen sich am Eingang der Großen Halle mit dem Rest des Slugclubs, während die restliche Schülerschaft missmutig an ihnen vorbei zu den Haustischen trottete. Aufgrund der neuen, strengen Sicherheitsregeln hatten sie alle den freien Tag trotz der sommerlichen Temperaturen in ihren Gemeinschaftsräumen verbringen müssen.
Ein paar Schüler aus anderen Häusern, unter ihnen Frank Flint, Rita Abbot, Mathilda Prewett, Ava Starling und zu Toms Überraschung Myrte Warren, gesellten sich zu den vier Slytherins.
"Was macht die maulende Myrte denn hier?", zischte Walburga und rief dem Mädchen amüsiert zu: "He, Myrte... Können wir dir helfen? Zum Losertisch geht's da entlang." Lucy kicherte leise über den schlechten Witz. Myrte schwieg, aber Tränen sammelten sich in den bereits geröteten Augen.
"Der Tagesprophet hat heute morgen einen ganz schön reißerischen Artikel über die jüngsten Vorkommnisse in Hogwarts veröffentlicht. Sie werfen der Schulleitung wohl vor, die Schlammblüter extra zu versteinern, um die Zauberergemeinschaft zu reinigen... oder so... Sluggy musste wohl irgendeine Schlammblüterin einladen, um seinen guten Ruf in der Öffentlichkeit zu wahren", flüsterte Todd Lestrange, sodass es nur seine Freunde hörten.
Walburga schnaubte verächtlich und rümpfte die Nase: "Dann wird das ja ein ganz spaßiger Abend. Holt schonmal eure Taschentücher raus, für den Fall, dass Myrte wieder losheult." Mehr konnte sie nicht sagen, denn Professor Slughorn, gekleidet in einer bernsteinfarbenen Samtrobe, eilte strahlend auf die Gruppe zu.
"Hach! Schön, dass Sie alle hier sind!", rief der Lehrer: "Endlich mal eine gute Gelegenheit das Schloss zu verlassen, nach all dem Driss. Wenn Sie mich fragen, alles unnötig mit den Auroren. Aber lassen Sie uns nicht länger Löcher in die Luft starren. In den drei Besen wartet ein richtig gutes Essen auf uns."
Die Gruppe setzte sich in Bewegung. Zwei Auroren, die ein paar Meter weiter gewartet hatten, folgten ihnen. Slughorn lächelte die beiden Männer gezwungen an: "Äh danke, dass Sie uns begleiten."
Dann schnappte er sich seinen Lieblingsschüler: "Ach, Tom! Schön, dass Sie die Einladung angenommen haben, mein Lieber. Wollte Sie noch fragen, ob Sie vielleicht ne Idee haben. Ich hab da nämlich viel probiert, um die armen Schüler zu entsteinern... Aber alle Tränke, um Flüche zu brechen schlagen einfach nicht an. Sie sind doch so begabt, Tom, vielleicht haben sie eine weniger verstaubte Idee als der alte Slughorn. Irgendwas innovatives."
Der Lehrer lächelte müde. Natürlich hatte Tom eine Idee. Schließlich waren die Opfer nicht durch einen Fluch versteinert worden. Bemüht nachdenklich entgegnete er: "Professor, haben sie denn schon einen Bezuar versucht? Das ist doch so ein Allheilmittel gegen Gifte... Also falls die Opfer nicht verflucht, sondern vergiftet wurden."
Slughorn strahlte: "Ach, sie sind so ein Genie! Das werd ich morgen gleich mal ausprobieren." Dann ergänzte er lachend: "Natürlich nach einem ausgiebigen Frühstück." Tom erwiderte das Lachen höflich mit dem Wissen, dass ein Bezuar natürlich nicht helfen würde. Die Opfer waren schließlich nicht vergiftet.
"Professor, denken sie denn, dass die Auroren irgendwann wieder aus dem Schloss verschwinden?", mischte sich Rita Abbot in die Unterhaltung ein. Slughorn nickte heftig: "Ja, allerdings meine Liebe! Ich denke, das macht das Ministerium nur um äh... naja damit wir uns sicherer fühlen. Ich glaub die reagieren ein bisschen über, wenn sie mich fragen. Wenn in Hogwarts was schief läuft, heißt es nachher noch das Ministerium würd sich nicht kümmern. Wär nicht gut für den Zaubereiminister, nicht?"
Tom verstand: "Also wird es in Hogwarts bald wieder... normal sein?" Der Lehrer nickte: "Allerdings, davon bin ich überzeugt, Tom. Und unter uns... Ich hab ja nichts gegen Schlamm... äh... Zauberer mit Muggelherkunft... Aber seit den politischen Unruhen ist das einfach ein heikles Thema so Angriffe auf Muggelstämmige, glaub deshalb das ganze Tra-Ra."
Kurz darauf waren sie im Zaubererdorf angekommen. Milde, warme Abendsonne tränkte die Drei Besen in goldenes Licht. Schnell löste sich die Anspannung der letzten Wochen. Das Abendessen verging wie im Flug und Avas Plan, die Kammer des Schreckens heute Nacht gemeinsam mit Tom Riddle zu suchen, rückte immer näher. Als der Hunger gestillt und die Gespräche lauter wurden, lehnte sich Ava zu Tom vor und flüsterte: "Nutzen wir die Chance und versuchen uns auf dem Rückweg von der Gruppe zu lösen?"
Tom nickte. Es war ein Spiel. Er würde schon dafür sorgen, dass sie keine Kammer des Schreckens finden würden. Aber etwas Zeit allein mit Ava war ihm natürlich nur recht. Vielleicht würde sie ihm nach heute Nacht endlich wieder vertrauen.
"Ich schleich gern Nachts mit dir durch die Schule, Starling", grinste er zufrieden. Ihre Wangen liefen rosarot an, was den Vertrauensschüler schmeichelte. Fast hatte er sie wieder für sich. "Ich hole mir eine Bubbelrumpf-Schorle. Willst du auch noch was trinken?", murmelte sie verlegen. Tom schüttelte den Kopf und beobachtete, wie das blonde Mädchen, aufstand und zur Theke ging. Die Locken wippten im Takt ihrer Schritte.
"Was macht ihr heute Nacht?", schnarrte Myrtle Warren neugierig und ihre glubschigen Augen quollen hinter den viel zu dicken Brillengläsern hervor.
"Nichts, was dich etwas angeht", zischte Tom.
"Rumschleichen in der Schule, he?", maulte Myrte: "Das dürft ihr nicht! Das ist verboten!"
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