48. Kapitel: Das erste Opfer
Am Freitag hatte Tom sich aufgrund von "starken Kopfschmerzen" von Wahrsagen entschuldigen lassen und saß nun stattdessen mit einem Buch über magische Reptilien in der Bibliothek. Er hatte eine Vermutung über das Monster der Kammer des Schreckens, die er gern bestätigen wollte. Und tatsächlich. Bereits auf Seite neunzehn des in Krokodilleder gebundenen Buches wurde er fündig.
Basilisk. [/ˈbæz.ə.lɪsk/]
Ein Reptil von außergewöhnlicher Größe. Sein Körper ist von schuppenartigen Platten bedeckt, die in verschiedenen Grüntönen schimmern. Das auffälligste Merkmal, was ihn von anderen Riesenschlangen unterscheidet ist seine Krone aus gefiederten Stacheln, der er auch den Beinahmen "König der Schlangen" verdankt.
Gefahren im Umgang: Er zählt aufgrund seiner hoch giftigen Fangzähne und den todbringenden, goldenen Augen zu den gefährlichsten magischen Wesen weltweit. Sobald das Gift in den Blutkreislauf eindringt, lähmt es den Organismus der Beute langsam, bis letztendlich die Atmung ausbleibt. Ein gebrochener Blick durch einen Spiegel, hat genug Macht um die Opfer zu versteinern. Wer dem König der Schlangen in die Augen blick, stirbt direkt.
Lebensraum: Basilisken bevorzugen dunkle, feuchte Orte wie Höhlen, Katakomben und unterirdische Seen. Andere Tiere meiden den Basilisken. Fliehende Spinnen sind ein Hinweis für seine Anwesenheit.
Tom war sich sehr sicher, dass es sich bei dem, was da in der Kammer lauerte um eben jenes Geschöpf handelte. Das beantwortete auch die Frage, warum das Tier in seiner Anwesenheit die Augen geschlossen hielt. Die Schlange wollte vermeiden, ihm zu schaden. Als letzte Bestätigung schlug der Schüler "Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" auf. Die Zeichnung die Newt Scamander angefertigt hatte stimmte mit der Riesenschlange, die er gestern in der Kammer kennengelernt hatte überein. Nun, wo er die gewünschten Informationen hatte, stellte er die beiden Bücher wieder sorgfältig an ihren angestammten Platz zurück. Beinahe liebevoll strich er über den in Krokodilhaut gebundenen Einband von "Magische Reptilien" und drehte sich zum Gehen um. Die hellblauen Augen von Ava Starling starrten ihm entgegen. Sie stand nur wenige Meter entfernt, hielt verkrampft ein einziges Buch in der Hand.
Ihr Blick, in diesem Moment ähnlich tödlich anmuteten wie der des Basilisk. Versteinert hielt Tom in seiner Bewegung inne.
"Ich hab extra blau gemacht, um dir aus dem Weg zu gehen", murmelte sie frustriert.
Der Vertrauensschüler wollte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen und griff nach ihrer Hand. Aber die Sucherin hatte schnelle Reflexe und wich mehrere Schritte zurück. Einen Moment später war sie aus der Bibliothek geeilt und in einem der verwinkelten Gänge verschwunden. Beim Mittagessen konnte er sie auch nicht entdecken.
Dafür sammelte sich eine Traube von Viertklässlerinnen am Tisch der Slytherins und warfen immer wieder verstohlene Blicke auf den Vertrauensschüler. Tom ignorierte die erbärmlichen Versuche der Mädchen und war dankbar, als Charles Lestrange und Theodore Crabbe auf ihn zukamen, sich an den Schülerinnen vorbei quetschten und neben dem Freund platz nahmen.
"Du solltest dir schnell wieder ne Freundin suchen, sonst eskaliert das hier noch", bemerkte Charles, zeitgleich war Theodore damit beschäftigt, seinen Teller mit Pastete zu füllen. Tom nickte ohne richtig zugehört zu haben: "Ich muss gleich mit euch beiden was besprechen, aber nicht hier."
Beide Jungen nickten und warfen sich einen Blick zu. Es war erstaunlich, dass Tom Riddle derweil mehr als ein Wort mit ihnen wechselte. Dann verfielen sie in ein hungriges Schweigen. Alle drei begannen das Mittagessen in größter Geschwindigkeit zu vertilgen. Wenige Minuten später waren die Teller komplett leergeputzt - seit sie alle in den Ferien je fast einen Kopf größer geworden waren, schrien ihre Körper nur so nach Nahrung. Mit Ausnahme vielleicht von Theodore Crabbe, der seit dem ersten Schuljahr stetig immer etwas mehr in die Breite als Höhe wuchs. Charles griff sich noch ein Stück Brot und folgte dann den beiden Freunden hinaus aus der Halle, die Stufen zu den Ländereien entlang. Kurz vor der Hütte des Wildhüters Ogg hielt Tom inne und deutete auf einen alten, eingezäunten Holzschuppen.
"Ich brauch für ein neues Projekt ein paar tote Hühner. Heute Abend bis spätestens Mitternacht bei den Kerkern, dort wo die Halloweenparty war", Tom hielt kurz inne, um zu prüfen, ob Theodore und Charles verstanden hatten. Als sie nickten, sprach er weiter: "Fünf sollten fürs erste reichen. Und lasst euch nicht erwischen."
Theodore spähte zum beleuchteten Fenster von Oggs Hütte herüber: "Vielleicht sollte einer den Wildhüter ablenken, damit er nicht mitbekommt, dass der andere seine Hühner ermorden." Sie hatten verstanden und Tom selbst konnte sich guten Gewissens wieder in das warme Schloss zurückziehen. Die Mittagspause war fast vorbei und es wartete noch eine Doppelstunde Verteidigung gegen die dunklen Künste und eine Einzelstunde Geschichte der Zauberei auf ihn. Zumindest bei Albus Dumbledore sollte der Vertrauensschüler pünktlich sein.
***
"Nun. Bitte schlagen Sie ihr Exemplar von Geschichte der Zauberei auf Seite Vierhundertsiebenunddreißig auf. Nachdem wir vor den Ferien über die Koboldaufstände gesprochen haben, möchten wir nun mit Kriegen und Unstimmigkeiten innerhalb der Zauberergemeinschaft fortfahren... Mr. Crabbe, lesen Sie bitte den ersten Abschnitt für uns vor", dröhnte Professor Bins dumpfe Stimme zu ihnen hindurch. Der Geist schwebte durch einen Bücherstapel und seufzte. Allerdings war Theodore Crabbe nicht anwesend. Er und Charles waren just in diesem Moment damit beschäftigt die Hühner des Wildhüters umzubringen und die toten Tiere in einen tiefer gelegten Bereich der Kerker zu verstecken.
Lucy Rosier rollte mit den Augen, während sie eine dunkelblonde Strähne um ihre Schreibfeder wickelte: "Professor Bins, Theodore ist nicht da."
"Nun... Ach... Dann liest bitte... Sie äh... Miss... wie war ihr Name doch gleich?"
"Rosier. Lucy Rosier", die Hexe schnaubte verächtlich. Nach immerhin viereinhalb Jahren konnte der Lehrer die Namen seiner Schüler immer noch nicht richtig zuordnen. Tom, der das gesamte Buch auswendig kannte, ließ unter seinem Tisch eine Zigarette zwischen den Fingern tanzen. Ob der schläfrige Lehrer wohl bemerken würde, wenn er sie anzündete und rauchte? Lucys Stimme hallte durch den Raum. Ihre Schilderungen von einem Aufstand der reinblütigen Familien im Jahr 1712 war zum einschlafen. Warum lernten sie nicht bei dem Thema etwas über Salazar Slytherin, der das gleiche Ziel viel konsequenter und ursprünglicher hier vor Ort verfolgt hatte? Das Erbe, das Tom nun in den nächsten Tagen antreten würde. Bei dem Gedanken an die Kammer grübelte der Vertrauensschüler, ob Theodore und Charles dem Basilisk genug Hühner fürs erste brachten. Die Schlange verzehrte sich schon lange genug nach Nahrung. Er konnte sich nur schwer vorstellen, wie ausgehungert das Tier sein musste. Ein leises Lachen kroch an die Ohren des Slyhterinschülers heran und holte ihn aus der Trance zurück. Die Zigarette glitt zwischen den Fingern auf den Steinboden.
Bevor er mit einem wortlosen "Accio" den kleinen Begleiter zwischen den Fingern greifen konnte, hörte er den wichtigtuerische Samuel Harper, einen Hufflepuffschüler mit flachen Gesichtszügen, hervorgehobenen Brillengläsern und graublondem Haar, zu seinem Sitznachbarn flüstern: "Ist es nicht lächerlich, wie die Sucherin der Ravenclaws jetzt auf Hard-to-get macht, wo es mit diesem Riddle-Typ nicht klappt. Ich mein mal ehrlich, als wär die sich zu schade auf ein Date zu gehen. Denkt die etwa, die hätte noch ne Chance bei ihrer alten Flamme?"
Tom schaute prüfend zu Ava herüber, die einige Reihen entfernt saß und den Kopf auf dem Tisch abgelegt hatte. Er fragte sich, ob sie die Unterhaltung der beiden Schüler hören konnte. Der andere Junge zuckte nur mit den Schultern: "Wolltest du etwa mit ihr auf ein Date und sie hat dir einen Korb gegeben?"
"Blödsinn. Die ist ja beschädigte Wahre, wenn die mit Riddle zusammen war. Olive Hornby hat erzählt, dass Lucas Lockhart von Simon Creevey erfahren hat, dass Mathilda Prewett mit...", flüsterte der Hufflepuff wichtigtuerisch.
Der andere Junge wirkte nicht besonders beeindruckt von dessen Schilderungen und lächelte fast dankbar, als Tom Samuel unterbrach: "Was ist dein Problem, Harper?" Er schnipste die inzwischen verknickte Zigarette gegen den Kopf des Hufflepuffs.
Samuel starrte ihn verdattert an.
Der Slytherin zischte verächtlich: "Was hast du von Olive Hornby gehört? Erzähl doch mal."
Wichtigtuerisch setzte sich Samuel grade hin, um größer zu wirken. Seine Augen fixierten die von Tom Riddle. Für einen kurzen Moment war er dumm genug sich auf den Streit mit dem Vertrauensschüler einzulassen: "Naja, es macht wohl die Runde, dass du der kleinen ganz schön das Herz gebrochen hast, als du sie mit Walburga Black betrogen hast. Aber kein Thema, Bro. Ich Versteh schon... Wird sicher irgendwann langweilig mit 'ner besserwisserischen Miss Ravenclaw."
Die dunklen Augen des blassen Jungen glitten über die gelbe Robe von Samuel Harper. Ob der Idiot wohl ein Schlammblut war? Tom war noch auf der Suche nach einem ersten Opfer für seinen Basilisk. Ein erster Test, um herauszufinden, was sein neues Haustier so alles konnte.
Walburga, die ihren Namen gehört hatte, drehte sich belustigt um: "Worum geht's?" Lucy, las tapfer bereits die dritte Seite des eng bedruckten Kapitels vor und kam bei dem Getuschel um sie herum ins Straucheln. Während sie den gleichen Satz drei mal las - keiner bemerkte es - glitt ihre Aufmerksamkeit irritiert zu Tom und Samuel. Sie wollte auch mitbekommen, was da vorging, statt das langweilige Lehrwerk zum besten zu geben.
Die schwarzhaarige Blackerbin grinste währenddessen Samuel Harper boßhaft an: "Habe ich da etwa meinen Namen gehört? Ach Sam, wie ist das eigentlich, wenn einen keiner will. Deine Muggeleltern sind froh dich übers gesamte Schuljahr losgeworden zu sein? Du musstest die Weihnachtsferien hier verbringen, weil sie Angst vor deiner Zauberei haben?"
Walburga war natürlich bestens informiert über den Blutstatus der Mitschüler.
Bingo.
***
Professor Bins hatte von den Streitereien in seinem Klassenzimmer nichts mitbekommen. Zwischen Lucys Lesepausen hatte man ihn nur manchmal schnarchen gehört. Pünktlich zum klingeln verschwand Ava Starling als erste in den Korridor, dicht gefolgt von Mathilda Prewett. Tom hätte sie gern abgefangen, aber er ließ sich bewusst dabei Zeit, seine Bücher in der Schultasche neu zu sortieren. Dabei stellte er sich so ungünstig in den Gang zwischen den Tischen, dass Samuel Harper ihn anrempeln musste. Tom nutzte die Gelegenheit und trennte unauffällig mit seinem Zauberstab ein kleines Stück Stoff aus Samuels Hufflepuffuniform ab, das er zwischen seinem schwarzen Notizbuch und Eine Geschichte von Hogwarts in die Tasche gleiten ließ.
Zufrieden steckte sich Tom eine Zigarette zwischen die wohlgeformten Lippen und folgte Walburga und Lucy in den Kerker. Der Gemeinschaftsraum war heute in ein besonders spärliches Licht getränkt und das Fenster, was den Blick auf den schwarzen See frei gab schimmerte Smaragdgrün. Draußen herrschte Unwetter und das Wasser und dessen Bewohner bewegten sich hektischer als sonst.
Während Tom sich auf das dunkle Ledersofa fallen ließ, glitt ein Grindeloh an der Scheibe vorbei, der vergeblich versuchte sich am Glas festzusaugen. Lucy beobachtete das magische Wesen angeekelt. Der Vertrauensschüler kramte sein Notizbuch heraus und begann auf die leeren Seiten zu kritzeln. In den letzten Wochen hatte er das kleine Buch sehr vernachlässigt und nun hatte er einige Informationen nachzuhalten. Zeitgleich bearbeiteten seine Freunde vorbildlich die Hausaufgaben für den nächsten Schultag. Bevor die Slytherins zum Abendessen aufbrachen hatten Walburga und Lucy ihre Essays endlich erledigt, beziehungsweise arbeitsteilig voneinander abgeschrieben, und Charles und Theodore waren zu ihnen gestoßen. Ihre Umhänge waren durchnässt, die Haare zerzaust und Eiszapfen hatten sich an der Nasenspitze von Charles gebildet. Beide nickten Tom geheimnisvoll zu, während sie den wärmenden Kamin sehnsüchtig ansteuerten. Der Vertrauensschüler verzog keine Miene, aber ließ den Zauberstab leicht zucken.
Einen Moment später waren die Umhänge der beiden trocken.
Um Achtzehnuhr blätterte Tom ein letztes mal prüfend durch die weißen Seiten des Notizbuchs und kritzelte einen Namen hinein.
Die blaue Tinte verschwand nicht so schnell wie üblich und "Samuel Harper" prangte in blauen Buchstaben vorwurfsvoll auf dem Papier, als sich ein zweiter Name hervorhob. Toms Handschrift. Der im September notierte Schriftzug schob sich neben "Samuel Harper" hervor.
"Myrte Warren, Ravenclaw (Schlammblut)"
Dann verblasste die Tinte auch schon wieder und zog sich in das Buch zurück, dass der Junge schnell zuschlug, bevor einer seiner Freunde noch einen Blick auf die beiden Namen erhaschen konnte und sich auf den Weg zur großen Halle machte.
***
Der späte Januarabend war bereits tief in Dunkelheit gehüllt, als der Hufflepuff-Schüler Samuel Harper die Tür des leeren Klassenzimmers im zweiten Stock hinter sich schloss. Ein leises Pfeifen entwich seinen Lippen, begleitet von einem erleichterten Lächeln. Die wöchentliche Versammlung des Schachclubs war vorbei, er hatte den Raum noch sorgfältig aufgeräumt und die Schachfiguren notdürftig verarztet.
Die Gänge von Hogwarts waren in dieser späten Stunde gespenstisch leer. Die meisten Schüler hatten sich bereits in die warmen Schlafsäle verzogen. Das schwache Licht der Fackeln warf schaurige Schatten auf den Boden und die Reflexionen der Flammen tanzten in Samuels Brillengläsern. Der Fünfzehnjährige zog den Umhang enger um sich und beschleunigte seine Schritte, während er den vertrauten Weg zum Hufflepuff-Gemeinschaftsraum einschlug. Er wusste, dass er rechtzeitig zurück sein musste, um die Nachtruhe nicht zu verpassen und Ärger zu vermeiden. Doch als er sich der Schulküche näherte, kroch der warme Geruch von herzhaften Speisen an seine Nase heran und der Junge war versucht einen Abstecher zu den Hauselfen zu machen, bevor er sich in sein Bett verkroch.
In Gedanken bei einem leckeren, vom Abendessen übrig gebliebenen Nachtisch bemerkte der Hufflepuff zunächst nicht, dass ein Schatten ihm folgte. Erst als ein unheimliches Zischen die Stille der Gänge durchzog, hielt Samuel inne. Ein dunkles Grollen folgte. Dieses Geräusch ließ Samuel das Blut in den Adern gefrieren. Es schien aus der Dunkelheit vor ihm zu kommen.
Der Hufflepuffschüler drehte sich um und rannte, bog in einen schmalen Korridor ab, um sich zu verstecken. Rannte weiter und stolperte über ein halb zerfetztes Huhn. Einzelne Federn klebten blutig auf dem Steinboden. Samuel rutschte aus und schlug auf den kalten Stein.
Sein Herz begann schneller zu schlagen, als er sich aufrappelte. Die aufgeschlagenen Knie pochten und Blutergüsse begannen bereits anzuschwellen.
Die schattenhaften Umrisse der Korridore schienen sich zu verändern und zu verdunkeln, als würden die Lichter und Fackeln, die um die Ecke des Korridors warteten, verdeckt oder ausgelöscht werden. Sein Blick verweilte kurz an der Reflexion eines polierten Kessels, den die Hauselfen aus der Küche wohl hier abgestellt hatten. Er musterte sein Gesicht, rückte die schweren Brillengläser zurecht.
und dann erblickte er
die golden leuchtenden Augen
die sich hinter seiner Schulter auftürmten.
_______________________________________________________
Irgendwie verrückt, dass der Basilisk nun das erste Mal zugeschlagen hat... Gibt es einen Charakter, den ihr gern versteinert oder tot sehen würdet?
Danke fürs Lesen, Kommentieren und Voten <3
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top