28. Kapitel: Süßes und Saures
Ein klirrendes Glas forderte am Ende der Feierlichkeiten die Aufmerksamkeit der laut schnatternden Schüler und Lehrer. Professor Dippet hatte sich aufgerichtet und hielt jenes klingende Glas in der Hand:
"Bevor wir Sie nun alle mit vollen Bäuchen ins Bett schicken, möchte ich mich noch einmal bei allen bedanken, die der Schule in den letzten Tagen bei den Nachwehen dieses furchtbar peinlichen Quidditchvorfalls vorbildhaft beiseite standen. Vielen Dank an alle Vertrauensschüler, Zeugen, engagierten Lehrkräfte und Ministeriumsangestellten. Nach dem heutigen Beschluss des Ministeriums darf ich ihnen mitteilen, dass der Übeltäter endlich seine Gerechte Strafe erhält. Denn hier in Hogwarts herrscht noch Recht und Ordnung." Der Schulleiter blickte Streng in die Menge und nickte Mrs Butcher zu, die am Rand des Lehrertisches saß und ihre Lippen schürzte. Tom zog eine Augenbraue hoch. Wenn Dippet von einem Übeltäter sprach, hatten die Erwachsenen höchstwahrscheinlich die Suche nach dem Unbekannten aufgegeben und sich mit Carter Crouch zufriedengegeben. Und tatsächlich, als Professor Dippet weitersprach, bestätigte sich seine Vermutung: "Carter Crouch hat einen furchtbar grausamen Fluch während eines sportlichen Wettkampfs ausgesprochen. Nun wird der Zaubergamot über das Ausmaß der Strafe entscheiden. Ich möchte Sie alle daran erinnern, dass schwarze Magie einen Aufenthalt in Askaban bedeuten kann, der Sie für den Rest Ihres Lebens zeichnet. Wir in Hogwarts dulden ein solches Verhalten nicht."
Der Cruciatusfluch wurde unter den Teppich gekehrt. Während die Strafe von Carter nun wohl als Mahnmal fungieren sollte, war es letztendlich ein Eingeständnis an das Versagen auf Höchster Ebene. Die Person, die den unverzeihlichen Fluch ausgeführt hatte, kam nun wohl ungestraft davon. Tom verachtete die Unfähigkeit der Erwachsenen.
Ein lautes Murmeln durchbrach die Reihen der Schüler und Benjamin Bagman sprang von seinem Platz auf: "Professor, bedeutet das, dass wir wieder trainieren dürfen und die nächsten Spiele regulär stattfinden?"
Dippet verstärkte seine Stimme mit "Sonoros" und schaute den Kapitän der Ravenclaws genervt an: "Das wird noch entschieden, Mr Bagman. Nachdem unser Chor ein letztes Lied für uns alle erklingen lässt, bitte ich Sie Ihre Betten auf direktem Wege aufzusuchen. Unsere Vertrauensschüler sind währenddessen so freundlich die Gänge zu überwachen, damit sich niemand von uns verirrt", Dippet lachte und der angeschickerte Flitwick kicherte, als wäre er selbst damit gemeint. Dann stand der kleine Lehrer auf und führte den Chor für ein letztes einstudiertes Stück an. Die Kröten waren während des Abendessens so müde geworden, dass das Quaken deutlich träger und nur noch vereinzelt neben den hellen Schülerstimmen zu vernehmen war. Eine Kröte, die von einer Sängerin in der ersten Reihe gehalten wurde, schlief sogar ein und wachte erst auf, als sie aus dem Griff des Mädchens fiel und auf dem harten Steinboden aufkam. Walburga grinste schadenfroh auf, während sich das Tier lauthals quakend beschwerte und den restlichen Chor deutlich übertönte.
Niemand verlangte nach diesem Auftritt einer Zugabe und die Haustische leerten sich schnell. Einige Schüler gähnten und streckten sich, während andere sich ein letztes Cremetörtchen als Wegzehrung schnappten. Benjamin Bagman und Lucielle Collins, die Kapitänin von Gryffindor, stürmten währenddessen wütend zum Lehrerpult.
Die Vertrauensschüler trafen sich an der großen Flügeltür, um die Aufsichten auf den Fluren aufzuteilen. Tom und Ava meldeten sich, nachdem sie Blickkontakt ausgetauscht hatten, für zwei naheliegende Flure in den Kerkern. Walburga und Mathilda schauten den beiden missmutig nach, da nun sie beide eine gemeinsame Aufsicht aufgedrückt bekommen hatten.
Der Slytherin lenkte die Ravenclawschülerin auf dem Weg zu den Kerkern extra weiter von der Partylocation weg, damit sie nicht von den Nachtschwärmer gestört wurden. Er blickte prüfend auf die Uhr, es war halb Elf. Sie sollten etwa eine Stunde Aufsicht führen und dann selbst offiziell in den Schlafsälen verschwinden. "Können wir uns vielleicht kurz hinsetzen?" Er bemerkte, wie es der Hexe widerstrebte, die eigene Schwäche preiszugeben. Tom ärgerte sich, dass er nicht daran gedacht hatte, dass sich noch immer etwas angeschlagen war. Sie war ja erst heute aus dem Krankenflügel entlassen worden.
"Klar!", antwortete er hastig: "wir können auch einfach ein bisschen hier bleiben." Tom setzte sich auf einen in der Wand eingelassenen Vorsprung und zog Ava zu sich herunter. Sie lehnte sich an ihn und seufzte zufrieden und erschöpft: "Schön mit dir, Riddle."
Das dunkle Pochen, das in den letzten Tagen lauter geworden war, ebbte langsam etwas ab. Der Zauberer fragte sich, wie lange diese süße Ruhe anhalten würde und zog Ava näher zu sich. Er überlegte, ob es unempathisch wäre, sie auf die Party einzuladen, wenn sie so erschöpft war. Andererseits wollte eine egoistische, leise Stimme in ihm unbedingt die ganze Nacht bei ihr sein, ihr beim Tanzen zusehen, sie küssen und am liebsten Walburga das alles auf die Nase zu binden. Letztendlich siegte die Unvernunft: "Ich weiß, dass du schon ein bisschen müde sein musst, aber hättest du später noch Lust auf ne Party?"
"Party klingt immer gut!", Ava hob ihren Kopf und schaute zu Tom hoch: "Vielleicht brauch ich nur einen Wachmacher..."
Als Antwort beugte sich Tom herunter und küsste Ava. Während sich die Lippen der beiden vorsichtig trafen, breitete sich ein angenehmes Kribbeln in Tom aus. Avas Lippen erhöhte den Druck fordernd und sie schlang die Arme um seinen Nacken. Tom zog sie auf seinen Schoß. In den letzten Tagen waren sie sich unter den prüfenden Blicken von Madame Pomfrey kaum nahe gewesen. Nun fühlten sich die leichtesten Berührungen bereits sehr intensiv an. Sie so nah bei sich zu haben kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung. Ava hatte allerdings wohl keine Scheu die Beherrschung abzugeben, denn ihre Zunge suchte recht selbstbewusst nach seiner als sie sich noch näher an ihn heranzog. Tom ließ den Kuss zu, erlaubte sich aber nicht sich komplett fallen zu lassen. Sie schmeckte Süß, nach Erdbeeren und Vanilleeis. Ava bemerkte seine Zurückhaltung und löste ihre Lippen von seinen. Toms Magen knurrte widerwillig. Immer noch auf seinem Schoß sitzend nahm sie etwas abstand und musterte ihn prüfend. Nach einem Moment des Schweigens stellte sie fest: "So richtig fallen lässt du dich nie, oder Riddle?"
Tom schüttelte den Kopf. Sie hatte recht. Eine Stimme in seinem Hinterkopf meldete sich: Wenn du dich fallen lässt, bist du frei. Lass ruhig los, das tut so gut. Aber er dachte an seinen Durst nach dem Schmerz der Anderen und an das Verlangen den Cruciusfluch erneut anzuwenden. Etwas in ihm hatte nach dem Quidditchspiel Blut geleckt und war lauter geworden als zuvor. Die schwarze Magie war in diesem Moment zwar durch Avas Anwesenheit etwas leiser, könnte aber innerhalb einer Sekunde fordernd hervorschnellen. Er hatte sich als Sechsjähriger unwissend fallen gelassen und es war ein Junge aus dem Fenster gestürzt. Er hatte sich als Zehnjähriger fallen gelassen und ein Mädchen hatte sich im Speisesaal ein Schmiermesser ins Bein gerammt. Er hatte sich als Zwölfjähriger fallen gelassen und der geliebte Kniesel eines Huffelpuffschülers war nicht im sondern neben dem schwarzen See ertrunken. Bei dem Gedanken an das katzenähnliche, intelligente Tier huschte ihm ein Grinsen ins Gesicht. Peter Abbot war monatelang so mit dem Verlust seines Haustieres beschäftigt gewesen, dass er im Unterricht keine dummen Fragen mehr stellen konnte.
Avas Augen verengten sich prüfend: "Manchmal wirkst du so weit weg, wenn sich dein Gesicht zu dieser kühlen, leeren Marmormaske verzieht." Tom lockerte seine Muskeln und schob den Gedanken an den Kniesel und Peter Abbot beiseite. Es war besser, wenn er sich in der nächsten Zeit nicht fallen lassen würde. Vorsichtig zeichnete er mit seinem Zeigefinger Avas Nasenspitze nach während er sprach: "Was hältst du davon, wenn wir uns in Slughorns Zutatenlager einen kleinen Wachmacher zusammenmischen? Der Kerker, indem wir Zaubertrankunterricht haben, ist nur einen Korridor weiter."
"Sollen wir wirklich Nachts in Klassenräume einbrechen, Dinge entwenden um anschließend auf unerlaubte Partys zu gehen?", das breite Grinsen verriet, dass das Mädchen großen Gefallen an dem Regelverstoß hatte. In Tom meldete sich die leise Hoffnung, Ava würde vielleicht sogar irgendwann Gefallen an richtigen Regelverstößen finden.
Die beiden Jugendlichen stand auf und machten sich auf den Weg zu den Unterrichtsräumen. Ein an der Kerkermauer hängendes Skelett schreckte aus seinem Schlaf auf, als die beiden Schüler an ihm vorbeieilten. "Huch, schon Zeit fürs Frühstück?", murmelte es verwirrt. Sie gingen unbeirrt weiter. Als sie die Ecke des Flurs erreicht hatten, spähten sie vorsichtig um die Ecke. Es war niemand zu sehen. Leise schlichen sie weiter, bis zu der alten Holztür, hinter der sich das Zaubertranklager von Professor Slughorn verbarg. Das Schloss ließ sich mit einem unkomplizierten Zauber austricksen. Tom war froh, dass er sich keine lange Diskussion, wie zuvor in der Bibliothek, antun musste. Der Raum war vollgestopft mit Zutaten, Werkzeugen und Gefäßen. Zielsicher griff er nach einem kleinen Kessel und zog kleine Mengen von Zutaten aus den Regalen, als wären es Süßigkeiten. Der Lagerraum war nicht mehr als eine umfunktionierte Besenkammer. Während Tom sich beeilte spürte er in seinem Rücken den warmen Atem von Ava, der auf seiner Haut kribbelte.
"Hast du alles?", als sie in sein Ohr raunte, wurde das Kribbeln zu kleinen, äußerst süßen Nadelstichen. Die schwarze Magie aus der verbotenen Abteilung, der leere Magen und das alkoholische Feuergebräu waren keine gute Grundlage, um sich besonders erfolgreich zurückzuhalten. Am liebsten hätte er sich hier mit Ava nicht nur fallen gelassen, sondern wäre in den Abgrund gesprungen. Tom ließ die Luft durch seine Zähne pfeifen als er ausatmete und nickte. Er ging in die Hocke und stelle den kleinen Kessel vor seine Füße. Das gusseiserne Gefäß streifte Avas Füße, so gering war der Platz um sie herum. Bedacht darauf, nichts umzustoßen, ließ sie sich auch heruntergleiten. Tom lauschte dem Rauschen ihrer Kleidung, als der Stoff am Regal entlangfloss und beobachtete, wie sich der Saum höher rutschte.
Er bemerkte erst jetzt, wie gut ihm Avas Kleid gefiel. Es war eigentlich recht schlicht, aber er hatte sie nie zuvor schwarz tragen sehen und das Samt reflektierte sanft das gedämpfte Licht in der kleinen Kammer. Die dunkle Farbe komplementierte ihre hellen Augen und Haare und die schwere des Schwarz wurde durch den lockeren Schnitt durchbrochen. Die Ärmel flossen förmlich locker über Avas Handrücken, etwas zu lang und zu weit und genau richtig. Das Spiel des locker, fließenden Stoffs wiederholte sich am Rock, der die Oberschenkel des Mädchens deutlich kürzer als die erlaubte Saumhöhe der Schuluniform umspielte.
Der Wunsch nachzugeben, sich fallen zu lassen, wie der schwarze Stoff an ihrem Körper, wurde deutlich lauter und pochte in Toms Ohren.
Ava hatte Toms Blicke nicht bemerkt, weil sie bereits die Zutaten konzentriert inspizierte. Nach einem kurzen Moment der Stille, begannen sie mit der Arbeit. "Aquamenti", murmelte Ava. Der Kessel füllte sich mit Wasser. Tom gab sich einen Ruck und zerdrückte eine Billywigstacheln mit dem Ende seines Zauberstabs. Dann pellte er die Alihotsyblätter bedacht vom Zwei ab, während die Hexe das Wasser - genau so wie sein Blut - zum brodeln brachte. "Eine Schande, dass wir noch keine Zaubertrankpartner sind, Mathilda braucht doppelt so lang, um die Zutaten halb so gut zu zerteilen", stellte sie währenddessen fest. Ihre Worte rauschten an ihm vorbei. Ihr Mund verzog sich zu einem Lachen und er hatte vergessen, was die Hexe gesagt hatte.
Langsam gaben sie alles nacheinander in das Wasserbad, die Hitze befreite die Aromen und ließ einen angenehmen Duft in ihre Nasen steigen. Der Wasserdampf perlte als Tropfen von ihren Gesichtern. Tom ließ noch etwas Alraunesaftextrat hineintröpfeln, um die Wirkung der gedünsteten Pflanze zu verstärken und die Brauzeit zu verkürzen. Als der Trank blau schimmerte und zufrieden blubberte, war das Werk vollbracht. Vorausschauend füllte Tom einen Teil des Tranks in ein kleines Glasfläschchen ab. Den Rest ließen sie magisch beschleunigt zum Trinken abkühlen, während sie immer noch in der Kammer gedrängt auf dem Boden saßen, sich ihre Knie streiften und sich nicht aus den Augen ließen. Draußen auf dem Flur waren Schritte zu hören. Tom vermutete, dass es sich um Nachtschwärmer handelte, die zur Party wollten. Bedächtig lauschten sie den anbrausenden und abebbenden Geräuschen, die sich mit mit den Atemzügen des Mädchens mischten. Von weit weg konnte Tom, über die massiven Wände der Kerker hinweg einen schweren Körper wahrnehmen, der sich anders als die Schritte über Stein zog.
Ein leises Tropfen holte ihn zurück in die Kammer. Ava hatte den Finger prüfend in den Trank gesteckt, herausgehoben und ein Teil der Flüssigkeit hatte sich von ihrer Haut abgeperlt, zurück in den Kessel.
"Kühl genug?"
Ava nickte und leckte sich beiläufig den Finger ab. Toms leerer Magen zog sich zusammen.
Sie hob das Gefäß hoch und führte den Trank zu ihrem Mund. Tom beobachtete fasziniert, wie das Gebräu ihre Lippen benetzte und sie ohne mit der Wimper zu zucken einen großen Schluck nahm: "Schmeckt ziemlich sauer, aber zumindest besser als dieser Tee der Ministeriumshexe heute morgen." Ein grinste. Sie nahm drei weitere Zügen. Die Blässe wich von ihrer Nasenspitze und es verteilte sich ein zartes Rosa auf ihre Wangen und dem Nasenrücken. Ihr Herzschlag pochte lauter unter ihrer Brust als sie voll von Energie den Blick vom Kessel nahm und ihre Augen Tom anstrahlten. Er folgte dem rhytmischen Klang, mit dem ihr Blut durch die Adern gepumpt wurde, beugte sich vor und saugte mit einem Kuss einen Tropfen des Tranks von ihrer Unterlippe.
Wie Brausekugeln prickelte die kleine Menge Trank auf Toms Zunge. Ava seufzte leise auf. Toms Hand wanderte zu ihrem Oberschenkel und streifte den weichen Samtstoff. Sie rückten näher. Der kleine Kessel wurde zur Seite geschoben und... der Rest der blauen Flüssigkeit verteilte sich über Toms Hemd. Das Kitzeln des Tranks auf seiner Haut holte ihn widerwillig zurück.
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