20. Kapitel: Sterne und Umlaufbahnen
*Triggerwarnung: In der zweiten Hälfte des Kapitels kommt es zu körperlichen Auseinandersetzungen. Wenn du dich damit unwohl fühlst, kannst du das Kapitel nach dem Astronomieunterricht einfach beenden.*
Tom eilte von der Bibliothek aus zum Astronomieturm. Er schaffte es nicht mehr rechtzeitig. Kein guter erster Eindruck und sehr untypisch für den Vorzeigeschüler. Fünf Minuten zu spät stand er mit verwuschelten Locken vor der Tür, atmete tief ein und fuhr sich durch die Haare, um sie zu ordnen. Von drinnen hörte er eine laute Männerstimme. Professor Galilei sprach zur Klasse.
Tom klopfte.
Die Stimme verstummte. Dann nach einer kurzen Pause: "Herein?". Der Schüler öffnete die Holztür und schritt mit hoch erhobenem Kopf herein. Vor dem Lehrer angekommen verneigte er sich starr: "Professor Galilei, bitte entschuldigen Sie meine Verspätung, es gab einen kleinen Vorfall mit Peeves im zweiten Stockwerk. Als Vertrauensschüler habe ich mich verantwortlich gefühlt, dem Einhalt zu gebieten." Tom log ohne mit einer Wimper zu zucken. Ein paar Mädchen seufzten verträumt beim Anblick des charmanten Slytherinschülers, während andere ihre Nasen rümpften, sich genervte Blicke zuwarfen und sich über Riddles Ausrede echauffierten. Der ernste Ausdruck des Lehrers, der sich gerne von dem charmanten Tom blenden ließ, wich einem herzlichen Lächeln: "Natürlich, Tom. Nehmen sie doch Platz. Wie schön, dass wir Sie heute hier begrüßen dürfen."
Tom schritt durch die Reihen und setzte sich an den einzigen leeren Platz neben Lucas Lockhart. Dieser sah gar nicht glücklich über den neuen Sitznachbarn aus. "Aha, jetzt rettest du also die Schule vor Peeves?", begrüßte der Ravenclawschüler Tom bissig. Es war deutlich, dass er die Lüge des Vertrauensschülers nicht schluckte. Toms Antwort war ein selbstgerechtes Grinsen.
Er lehnte sich zurück, hörte dem Vortrag des Lehrers zu. Über ihren Köpfen schwirrten Modelle von Planeten und Gestirnen umher. Es waren sieben, die Tom als Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn, Mond und Sonne identifizieren konnte. Die kleinen Kugeln blieben brav in ihrer vorgegebenen Umlaufbahn. Tom fragte sich, ob sich die Planeten nacheinander sehnten, was geschehen musste, um sie von ihrem Weg abzubringen und was die daraus resultierende Folge wäre? Würden es die anderen Planeten bemerken? Seine Gedanken begannen sich langsam von den Worten des Lehrers zu lösen und das Sonnensystem zu durchwandern.
Professor Galilei verteilte am Ende der Stunde gnädiger Weise noch keine Hausaufgaben. Tom packte seine Bücher langsam in seine Tasche und wartete, bis die übrigen Mitschüler den Turm verlassen hatten. Er wollte sich noch einmal in Ruhe bei dem Lehrer für seine Verspätung entschuldigen.
Galilei war damit beschäftigt, die Linse eines kleinen Teleskops zu polieren, als der dunkelhaarige, blasse Schüler auf ihn zuging: "Professor."
Der kleine Mann zuckte zusammen. Das samtschwarze Gewandt erzitterte: "Ach, Tom, du bist ja noch hier!" Galilei lächelte und stellte das Teleskop beiseite.
"Ja, ich wollte mich noch einmal bei Ihnen für meine Verspätung entschuldigen. Das ist mir noch nie passiert und äußerst unangenehm. Insbesondere, weil Sie mir doch mit der heutigen Stunde so entgegen kommen!", Tom neigte den Kopf.
Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, wie sich die Falten des alten Zauberers weich um den lächelnden Mund legten: "Ach Tom, das muss dir nicht leid tun, mein Lieber! Als wir Lehrer am Wochenende über eine mögliche Lösung für dein Stundenplanproblem nachgedacht haben, wurde nur deutlich, wie sehr Ihre Leistungen geschätzt werden. Denken Sie denn, dass Sie das Pensum mit den Zusatzleistungen schaffen werden?"
Tom nickte. Er hatte natürlich keinen Zweifel an seiner eigenen Leistungsfähigkeit.
"Schön!", Galilei erwiderte das Nicken.
"Ich hab bereits mit dem Aufsatz für Arithmantik begonnen, über das magische Potenzial der Zahl Sieben."
"Eine ganz hervorragende Zahl!"
"Ich möchte gerne herausfinden, welche Form der Magie von der Zahl besonders begünstigt werden. Dabei ist mir heute das Planetenmodell aufgefallen.", Tom deutete auf den kleinen schwebenden Jupiter. "denken Sie, die Anzahl der sieben Planeten ist zufällig?"
Galilei strahlte Tom an: "Oh, Tom! Hervorragend erkannt! Die sieben Planeten symbolisieren das Gleichgewicht der Dinge. Sie bewegen sich umeinander herum, bilden eigene Bahnen in einem Gesamtkonstrukt. Ein unendlicher Kreislauf, der so nur funktioniert, weil sie als Einzelteile eines Ganzen getrennt und dennoch beisammen sind."
"Das bedeutet, Professor, die Zahl Sieben könnte in diesem Kontext die Beständigkeit verdeutlichen, wie Teile eines Ganzen im Gleichgewicht zueinander stehen und sich nebeneinander bewegen?", fragte Tom nach.
Galilei nickte: "Ich würde sogar so mutig sein und Beständigkeit mit dem Begriff der Unendlichkeit ersetzen."
Toms Mund verzog sich zu einem breiten, kühlen Grinsen. Zufrieden bedankte er sich bei dem Lehrer und verließ zufrieden den Astronomieturm. Im Gehen kramte er sein Notizbuch heraus und begann das neue Wissen über die Planeten, die Unendlichkeit und das Auftrennen eines Ganzen in Einzelteile zu notieren. Während die Feder über das Papier huschte, eilte er euphorisch die Treppenstufen herunter, bis...
...er am Ende der Stufe gegen etwas oder vielmehr jemanden prallte. Die Feder, mit der er geschrieben hatte fiel ihm aus der Hand und hinterließ einen schwarzen Tintenfleck auf seinem weißen Hemd. Das Notizbuch konnte er noch gerade so auffangen als es ihm durch die Finger glitt.
Verärgert schaute Tom, wer sich ihm in den Weg gestellt hatte. Es war Lucas Lockhart. Der blonde Sechzehnjährige, etwas kleiner als Tom, stand breitbeinig und mit verschränkten Armen vor der letzten Stufe und lächelte herausfordernd. Tom rollte mit den Augen: "Geh mir aus dem Weg, Lockhart!"
Lockhart machte aber keine Anstalten: "Was denkst du eigentlich, wer du bist, Riddle? Denkst auch dir gehört die Schule."
Der Slytherinschüler stöhnte auf. Er hatte keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit dem schmalzigen Lockhart: "Verschwende nicht meine Zeit."
Lockhart zückte den Zauberstab: "Ich frag mich, ob du immer noch so eine große Klappe hast, wenn du dich duellieren musst."
Tom wollte keinen Ärger wegen eines Duells mit Lockhart heraufbeschwören. Es war klar, dass er gewinnen würde, aber die Folgen - würden die beiden Jungs erwischt werden - waren es nicht wert. Er verstand allerdings auch immer noch nicht Lockharts Problem. Was genau war es, dass den Ravenclaw so sehr an Tom Riddle störte?
"Ich möchte einfach in meinen Schlafsaal gehen, Lockhart. Lass mich doch einfach durch und keinem passiert was", seufzte Tom müde.
Lockhart machte keine Anstalten dem Wunsch nachzukommen. Stattdessen trippelte er nun angriffslustig vor Toms Nase hin und her, die Hände zu Fäusten geballt - was lächerlich aussah, da der Zauberstab aus der rechten Hand hervorlugte, wie ein kleiner Giftstachel: "Du kannst dir nicht einfach nehmen, was du willst, du armseliges Halbblut!" Aha! Tom verstand, Lockhart war eifersüchtig. Aber auf was?
"Was nehme ich mir denn?", fragte er bemüht gleichgültig nach.
"Du stolzierst durch Hogwarts als würde dir alles und jeder hier zu Füßen liegen", sprach Lockhart weiter.
"Wer oder was liegt mir denn zu Füßen?"
"Das weißt du genau! Oder sind es so viele Mädchen, dass du schon den Überblick verloren hast? Das würde dir ähnlich sehen!", giftete Lockhart weiter.
Die nächsten Worte fielen Tom unüberlegt aus dem Mund, bevor er selbst darüber nachgedacht hatte: "Du meinst Ava?"
Ein Moment der Stille, in dem sich die beiden Jungen wütend anstarrten. Punktlandung.
Tom war der erste, der mit seinen Schritten die Stille durchbrach. Bestimmt ging er auf Lockhart zu. Kein Muskel in seinem Gesicht regte sich, als er dem blonden Schüler immer näher kam. Der Ältere wich einen Schritt zurück, als er das rote Funkeln in den Augen des Dunkelhaarigen erkannte. Trotzdem stichelte Lockhart weiter: "Woher nimmst du dir das Recht, einfach das Mädchen von jemand anderem wegzunehmen?"
"Gehört sie etwa dir?", Tom lachte kalt. Wie kam Lockhart auf diese idiotische Idee.
"Letztes Schuljahr, kurz vor den Sommerferien, haben wir uns gedatet! Und seit der Fahrt im Hogwartsexpress hat sie nur noch Augen für den arroganten Tom Riddle. Du kannst nicht einfach daher kommen und dir nehmen, was du willst!", Lockharts Stimme war nun viel mehr ein Jammern. Tom musterte ihn spöttisch. Er war tatsächlich etwas erstaunt über diese Informationen. Es nervte ihn tatsächlich, dass Ava sich auf den Idioten Lockhart anscheinend eingelassen hatte.
Langsam stieg Unruhe in ihm auf: "Du kannst mir doch nicht wirklich erzählen, dass es dich wundert, dass Ava - wenn sie die Chance hat - lieber mit mir als mit dir Zeit verbringt?" Tom wusste, dass das genau die Worte waren, die Lockhart weiter provozieren würden. Die Reaktion blieb nicht aus.
Lockhart rief: "Locomotor Mortis!"
Tom lenkte den Beinklammerfluch mit einer einfachen Bewegung ab. Er entschied stattdessen weiterhin mit Worten anzugreifen, die sich ihren Weg durch jeden Schildzauber suchten: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ava tatsächlich Interesse an dir gehabt hat, wie sie es an mir hat. Als hätte sie dir erlaubt, sie zu küssen und zu berühren. Das müsste ein furchtbarer Kuss sein, triefend von deiner Schleimspur!"
Die Beiden umkreisten einander nun angriffslustig. Wie die kleinen Planeten in Professor Galileis Klassenraum. Schritten den Gang auf und ab. Keiner ließ den anderen aus den Augen. Tom fragte sich, wann einer von ihnen die Umlaufbahn verlassen würde und es zum Knall käme. Genussvoll beobachtete er, wie Lockhart immer wütender und zugleich hilfloser wurde. Trotz Altersunterschied war Tom in jeder Weise überlegen.
"Stupor!", Tom lenkte den Zauber von Lockhart wieder ab. Dieser wusste sich nun nicht anders zu helfen als, ähnlich wie Tom mit Worten zu provozieren: "Was denkst du eigentlich wer du bist? Ein kleines, dreckiges, armseliges Waisenkind, nicht wahr?"
Lockhart hatte ins Schwarze getroffen. Toms blasses Gesicht verfinsterte sich schlagartig, seine Augen wurden zu schlitzen. Lockhart nahm das als Triumph wahr. Motiviert giftete er weiter: "Bei Muggeln aufgewachsen, zwischen Dreck und Armut, oder? Benimmst dich hier wie der König und Zuhause bist du bloß ein Bettler!"
"Langlock", zischte Tom. Lockhart verstummte direkt, denn seine Zunge klebte nun am Gaumen. "Incarcerus", Seile umschlangen Lockharts Körper und brachten den Jugendlichen zu Fall. Die Augen des Ravenclaws weiteten sich vor Schmerz, als er auf dem harten Stein aufkam.
"Woher hast du diese Informationen?", zischte Tom. Er war stehts bemüht, seine Herkunft zu verschweigen. Mit einer lockeren Geste hob der Slytherin den Schweigefluch auf. Lockhart wimmerte. Tom wiederholte seine Frage: "Woher hast du diese Informationen?" Wieder nur ein wimmern. "Levicorpus", Lockhart wurde an den Versen voran in die Luft gehangen. Baumelte nun kopfüber vor Tom. Er musste die Frage kein drittes mal stellen. Lockhart antwortete, während sein Kopf rot anlief: "Mein Dad arbeitet im Ministerium in einer Abteilung, die während des Muggelkriegs jugendliche, elternlose Magier mit Schutzzaubern in den Sommerferien belegt. Hab deine Akte in den Sommerferien auf seinem Schreibtisch gesehen." An seiner Schläfe bahnte sich eine kleine Blutspur ihren Weg. Wahrscheinlich eine Platzwunde von dem Aufprall auf dem Boden.
Tom ließ Lockhart zu Boden gleiten: "Liberacorpus" Lockhart lag nun gefesselt auf dem Boden. Der Slytherinschüler beugte sich langsam zu ihm vor und sprach leise aber deutlich: "Wenn ich erfahre, dass du irgendjemandem erzählst, wo ich meine Sommerferien verbringe, dann mach ich dich fertig." Lockhart nickte halb erleichtert, halb verängstigt. Um die Drohung zu verdeutlichen, entschied Tom sich dennoch für eine kleine Kostprobe: "Furnunculus" Kleine Blasen bildeten sich auf Lockharts freiliegendem Arm, Hals bis zum Schmerzverzerrten Gesicht. "Ich will, dass du mir diese Akte von deinem Vater bei der nächstbesten Möglichkeit beschaffst. Egal wie! Und wehe du stellst dich mir noch einmal in den Weg."
Dann lockerte Tom mit einem Tippen seines Zauberstabs die Fesseln und ging schnellen Schrittes in die Kerker. Er war froh, dass kein Lehrer ihn und Lockhart erwischt hatte. Die Auseinandersetzung direkt vor dem Astronomieturm war ein großes Risiko gewesen und er wollte sein Glück nicht herausfordern.
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Mir war die Auseinandersetzung zwischen den beiden wichtig, da hier Toms eiskalter Charakter zum Vorschein kommt. Wir dürfen schließlich trotz der Lovestory nicht vergessen, wer er eigentlich ist...
Aber was denkt ihr über dieses kurze Duell zwischen den Jungs?
Und wie schätzt ihr die Beziehung zwischen Ava und Lockhart ein? Da Lockhart da mehr reininterpretiert als war, oder war da vor den Sommerferien mehr?
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