Beim Frühstück wurde Tom von einer Eule begrüßt. Das braun gefiederte Tier ließ sich neben dem Teller des Jungen nieder, ließ einen Brief fallen und begann anschließend wie selbstverständlich Toms Frühstück aufzupicken.
Guten Morgen Mr Riddle,
Es freut mich ihnen mitteilen zu dürfen, dass wir eine Lösung für ihre facettenreiche Fächerwahl gefunden haben, mit der sich alle Kollegen und Kolleginnen d'accourt zeigen.
Betroffen von den Sonderregelungen sind die Fächer Arithmantik, Kräuterkunde, Geschichte der Zauberei und Astronomie mit folgenden Lösungsvorschlägen, um eine Dopplung im Stundenplan zu umgehen:
Arithmantik: Verfassen Sie im ersten Halbjahr einen Aufsatz zum Thema: "Die magische Sieben. Zahlen und Vorhersagen." im Umfang von dreizehn Pergamentstreifen. Besuchen sie den Unterricht im zweiten Halbjahr regulär.
Geschichte der Zauberei: Besuchen Sie im ersten Halbjahr den Unterricht regulär. Im zweiten Halbjahr wird ihnen ein Thema mitgeteilt, zu dem Sie einen Aufsatz verfassen dürfen.
Kräuterkunde: In fünften Schuljahr sieht der Lehrplan vor, dass sie insbesondere die heilenden Wirkung von Pflanzen kennen- und nutzen lernen. Als bestanden gilt der Kurs, wenn Sie eine eigene Pflanze gezüchtet und zu einem potenten Heiltrank der Stufe VII oder höher verarbeitet haben. Diese Aufgabe dürfen Sie im Selbststudium erfüllen.
Astronomie: Aufgrund ihrer herausragenden Leistungen der letzten Jahre dürfen Sie am Astronomieunterricht der Sechstklässler teilnehmen, welcher speziell in dieser Jahrgangsstufe nur in der Dunkelheit angeboten wird.
Ich bin wirklich sehr stolz einen so begabten Schüler in meinem Haus zu wissen. Ihren Stundenplan finden Sie beiliegend. Bei Fragen stehe ich Ihnen immer gerne unterstützend zur Seite.
Herzlichst,
Professor H. Slughorn
Tom war erleichtert. Die Lösungsvorschläge wirkten alle recht machbar. Ein kurzer Blick auf den Stundenplan. Nur der Donnerstag war durch die abendlichen Astronomiestunden recht lang. Er war gespannt aber zuversichtlich.
***
Die ersten Tage mit dem neuen Stundenplan verliefen recht unspektakulär und Tom entschied die Nachmittage und Abende bereits dazu zu nutzen seine zusätzlichen Aufgaben zu bearbeiten. Sein Ziel war es sich den Rücken für Unterrichtsunabhängige Pläne und Projekte - wie etwa der Suche nach der geheimen Kammer - freizuhalten. Das führte allerdings dazu, dass er Ava bis Donnerstag kaum gesprochen hatte. Im Unterricht hielten die beiden - insbesondere wenn die Slytherins in der Nähe waren - eher abstand. Tom vermutete, dass auch Ava die sich anbahnende Liebelei mit dem Slytherinschüler nicht all ihren Freunden - Mathilda - auf die Nase binden wollte.
Während Tom nach dem Unterricht in der Bibliothek an dem Aufsatz über die magische Zahl Sieben saß - er hatte bereits herausgefunden, dass viele Flüche, Beschwörungen und Siegel siebenfach besonders wirksam waren - war Ava meist beim Quidditchtraining. Der Kapitän Benjamin Bagman hatte wohl große Ambitionen. Er wollte dieses Schuljahr endlich den Quidditchpokal in der eigenen Hand halten und hatte deshalb fast jeden Tag das Feld für die Ravenclaws blockiert. Die anderen Mannschaften waren darüber sehr erzürnt. Nach langen Protesten und Diskussionen hatten die Gryffindors sich das Feld am Donnerstag sichern können.
Tom brütete an diesem Nachmittag in der Bibliothek. Wie üblich arbeitete er an dem Arithmantikaufsatz. Er suchte gerade eine Regalreihe nach dem Buch "Zauber: Zahl oder Zufall" ab, als sich von hinten ein paar Arme um ihm schlangen. Weiche, warme Lippen drückten sich auf seinen Nacken, direkt über seinem T-Shirtkragen. Gänsehaut breitete sich um den Kuss herum aus.
"Hey.", die helle Stimme erreichte sein Ohr. Ihr Atem streichelte über die vom Kuss benetzte Stelle. Tom drehte sich um. Ava. Mit einem Blick in die Richtung der alten Bibliothekarin verschwanden die beiden Schüler in einem schmalen Gang zwischen zwei Regalen. "Was machst du hier?", grinste Tom.
Das Mädchen antwortete: "Bagman musste heute seine Herrschaft über das Quidditchfeld an die Gryffindors abtreten, nachdem sich die anderen Hauslehrer bei Dippet beschwert haben. Also ausnahmsweise mal kein Training!"
"Ein Glück! Ich verfluchte Benjamin Bagman und seine Quidditchambitionen noch. Hab dich vermisst.", Jetzt wo sie vor ihm stand und die Berührung ihrer Lippen im Nacken immer noch kribbelte fiel Tom auf, dass es bereits fast eine Woche her war, dass sie sich bei der Party geküsst hatten. Viel zu lange her. Er beugte sich vor. Ava wich zu seiner Überraschung einen Schritt zurück.
"Dann mag mich der geheimnisvolle, kühle, meinungsstarke, verschlossene, düstere, berechnende, hinterlistige, manipulativ, arrogante, selbstverliebte Tom Riddle also doch?", Ava schmunzelte und musterte ihn prüfend. Das war eine lange Anreihung von Adjektiven.
Tom spiegelte Avas prüfenden Blick: "Denkst du wirklich so von mir? Das klingt ja furchtbar."
"Hab nur ein paar Synonyme für Slytherin hintereinander gereiht.", stachelte sie herausfordernd und ergänzte dann etwas ernster: "Bis zu diesem Schuljahr hab ich dich aber schon ehrlich gesagt so eingeschätzt."
"Und jetzt?"
"Würde ich vielleicht frech, verwegen, manchmal ganz nett und... hm... sehr beschäftigt ergänzen.", sie hielt ihn immer noch auf Abstand. Als er sich erneut nach vorn beugte, wich sie wieder aus.
"Verstehe, den Hauspokal würdest du mir also nicht überreichen.", Tom verringerte den Abstand zwischen ihnen beiden und atmete den blumigen Duft ein. Kirschblüten?
"Ich befürchte, es wäre naiv, sich in deinen Armen in Sicherheit zu wägen.", murmelte Ava und blickte auf den Boden. Sie wich einen weiteren Schritt zurück. Ihr Rücken stieß gegen das Bücherregal.
"Ich glaube meine Arme sind der sicherste Ort für dich. Ich würd jeden Fluch abwehren.", seine Augen blitzten und er stützte seine Hände gegen das Bücherregal, an dem Ava lehnte.
Der Atem des Mädchens ging schneller. Sie konnte jetzt weder nach rechts noch links ausweichen. Dennoch versuchte die Hexe etwas Luft zu gewinnen: "Überschätz dich mal nicht." Sie hielt die Schutzmauer verbissen aufrecht, während der Junge nur noch eine Nasenspitze von ihr entfernt war: "Riddle, was ist das zwischen uns?"
Hormone? Besonders kompatible DNA-Stränge? Die gleiche Wellenlänge? Sternzeichen?
"Ich weiß nicht.", antwortete Tom. Das war die Wahrheit. Ganz ohne einen größeren Plan zu verfolgen wollte er einfach nur seine Zeit mit ihr verbringen: "Lass uns das doch gemeinsam herausfinden."
Ava schüttelte den Kopf. Mit Toms Antwort war sie wohl nicht zufrieden. Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht: "Wie viele Mädels knutscht du noch in dunklen Ecken?"
Toms Mund öffnete, schloss sich, öffnete sich. Diese Frage war für ihn so absurd. Es war so eindeutig, dass er nur Interesse an Ava hatte. Die Hexe verzog keine Miene. Nur ihr Herzschlag verriet sie: "Riddle, ich mag dich. Ich verbringe unheimlich gern Zeit mit dir... Am liebsten jede Minute. Deine Nähe fühlt sich so vertraut an. Aber ich kann dich nicht einschätzen. Als hättest du mehrere Gesichter. Sind wir nicht zu zweit, finde ich diese Nähe nicht wieder. Im Unterricht bist du so kühl und distanziert, nicht nur zu mir sondern auch zu deinen Freunden. Wenn du mit dieser Walburga unterwegs bist, bist du arrogant, grüßt nicht mal. Vor Lehrern immer charmant, wortgewandt, freundlich. Und egal in welcher Situation, du hältst eine Distanz aufrecht."
Tom musste schlucken. Der Zauberer gab sich einen Ruck. Er hoffte, eines der Bücher um sie herum würde seine nächsten Worte ganz schnell in sich aufsaugen und verschwinden lassen. Er hatte noch nie so viel von sich preis gegeben, wie in dem folgenden Moment: "Ich glaub, die meiste Zeit will ich einfach funktionieren... Die meisten Menschen langweilen mich... Vieles ist unbedeutend, solange der Plan aufgeht. Wenn du bei mir bist, wird plötzlich alles anders und es geht nicht mehr darum zu funktionieren, plötzlich ist es interessant, nicht mehr zu funktionieren und vom eigentlichen Plan abzurücken. Du überrascht mich. Forderst mich heraus." Sie sah ihn mit großen Augen. Tom sprach weiter: "Und da ist wirklich niemand anders."
Ava beugte sich den letzten freien Zentimeter zwischen ihnen vor und küsste den Jungen. Es war ein kurzer, warmer, vertrauter Kuss. Dann lehnte sie sich wieder gegen das Regal und lächelte.
"Schuldest du mir nicht auch noch was dafür, dass du mich beim Quidditch umgeflogen hast?", grinste Tom. Er kam näher um sich einen weiteren Kuss zu holen. Ava duckte sich unter seinen Armen weg: "Ich kann meine Schuld begleichen indem ich dir bei deinen Forschungen hier in der Bibliothek helfen. Woran arbeitest du?" Sie wollte es dem Jungen nicht zu leicht machen.
Tom musste sich mit Avas Angebot zufrieden geben. Sie setzte sich fachmännisch an seinen Aufsatz und überflog die Notizen. Murmelte. Nickte. Hielt inne. Las weiter. Tom gestand sich ein, dass Ava ihrem Haus und den Tugenden von Ravenclaw alle Ehre machte. Nachdem sie alle seine bisherigen Ergebnisse durchgelesen hatte, nickte sie zufrieden: "Gut, Riddle." Dann kritzelte sich auf ein leeres Stück Pergament ein paar Gedanken, bevor sie weitersprach: "Was den Aufsatz sicherlich sehr bereichern würde ist die Frage, welche Art von Magie von dieser Zahl besonders positiv beeinflusst wird. Ich denke, es macht nicht immer und überall Sinn, alles siebenmal zu wiederholen. Wenn ich sieben mal Lumos sage, wirds auch nicht heller. Dafür nutzte ich ja Lumos Maxima." Tom verstand. Er war beeindruckt, wie schnell und scharfsinnig sie sich in das Thema eingedacht hatte.
"In welchen Kontexten begegnet einem die Zahl sieben denn besonders häufig?", überlegte er laut. Gemeinsam sammelten sie:
Ava begann: "Sieben Wochentage",
"Sieben Minuten im Himmel", grinste Tom.
"Wenn ein Spiegel zerbricht hat man sieben Jahre Pech",
"Sieben Todsünden",
"Eine Katze hat sieben Leben."
Avas Augen weiteten sich: "... Sieben Leben. Hm... Tom, ich denke, die Zahl könnte ganz vielleicht die Zeit auf besondere Weise beeinflussen... Oder Magie, die an Zeit gekoppelt ist stärken... Es gibt einen Zaubertrank, mit dem man sich kurzweilig altern lassen kann, in dem Rezept taucht die Zahl sieben auch besonders häufig auf. " Tom senkte nachdenklich den Kopf und kratzte sich am Ohr. Das klang gar nicht so abwegig. Und der Gedanke, an die sieben Leben einer Katze gefiel Tom auch. Könnte man mit der Zahl Sieben vielleicht sogar die Zeit austricksen, die eigene Zeit anhalten und Unsterblichkeit erlangen? An Ava gerichtet sagte er: "Das ist ein super Gedanke! Vielleicht sollte man verschiedene Zauber, Tränke und andere Magie, die Zeit beeinflussen austesten. Einen Versuch starten, in dem man die Intensität im Einzelnen, im siebenfachen und im achtfachen überprüft oder so..." "Ja! Und diese Versuche könntest du protokollieren! Dann wär das doch mehr als ein Aufsatz... Quasi ne richtige Forschungsarbeit.", strahlte Ava. Gemeinsam überlegten sie sich passende Versuche und konstruierten den jeweiligen Ablauf eines Testdurchgangs.
In den Überlegungen versunken, hatten sie beide die Zeit völlig vergessen. Es dämmerte bereits, als Tom seinen Blick durch das naheliegende Fenster schweifen ließ. Erstaunt schaute er auf die Uhr. Halb Zehn.
"Mist, ich muss schon in dreißig Minuten im Astronomieturm sein!", bemerkte er laut.
Ava blickte von dem Bücherstapel auf: "Hm?"
"Ich nehme dieses Jahr am Astronomieunterricht der Sechstklässler teil, damit das mit dem übervollen Stundenplan aufgeht.", erklärte er.
Ava schaute ihn beeindruckt aber auch nachdenklich an: "Ein Zusatzaufsatz und extra Unterricht... Übernimm dich nicht, Riddle..."
Tom grinste: "Klappt schon, der Plan ist es, alle Zusatzleistungen möglichst schnell wegzuarbeiten. Dafür kann ich dann Freitag Morgens in Wahrsagen teilnehmen."
"Aber... Du hast dir für Wahrsagen extra Aufgaben aufgehalst?", sie sah ihn erstaunt an.
"Naja, die einzige Unterrichtsstunde, in der keine störenden Kommentare meiner Slytherinfreunde uns stören könnten.", feixte Tom und fügte dann ehrlich hinzu: "Aber ich hab ein paar Fächer mehr angewählt, um fair zu sein, wäre das auch ohne Wahrsagen etwas mehr geworden."
Ava musterte Tom nachdenklich: "Da ich dich in Wahrsagen reingequatscht hab... leiste ich dir gern bei den Zusatzaufgaben Gesellschaft, wenn grad kein Quidditchtraining ist." Tom nahm das Angebot gerne an. Gemeinsam räumten sie die Bücher zurück in die Regale. Ava stellte sich auf die Zehenspitzen, um ohne Zauber das letzte Buch "AusGERECHNET Magie" in die Lücke zwischen "Anomalie der Zahlen" und "Berechnende Flüche" zu schieben. Sie fluchte leise, als sie es nicht schaffte, das hochgelegene Regalbrett zu erreichen. Tom grinste und nahm ihr das Buch ab. Bemüht unbemüht schob er das Buch zurück.
"Angeber.", Ava verdrehte die Augen und schaute den Jungen, der jetzt so nah vor ihr stand, herausfordernd an.
Tom blieb unbeeindruckt von der Neckerei: "Wie wärs, wenn wir versuchen, ob uns sieben Küsse dabei helfen, dass sich die Zeit bis zum Astronomieunterricht verlangsamt? Das könnten wir doch auch in unsere Untersuchungen mit aufnehmen und im besten Fall wär das ne herausragende Erkenntnis die mich in den nächsten Wochen stark entlasten könnte." Er musterte Avas Mund interessiert und bemerkte, dass sich eine ihrer Sommersprossen auf die rechte Seite der Oberlippe verirrt hatte. Das war ihm zuvor noch nicht aufgefallen. Er mochte den kleinen Punkt und wollte ihm am liebsten Gesellschaft leisten.
Die Sommersprosse hüpfte, als Ava versuchte ein Grinsen zu unterdrücken: "Du solltest dir nicht mit allem immer so sicher sein, Riddle." Dann stimmte sie dem Versuch aber doch mit einem ersten, leichten Kuss zu, der ein Kribbeln auf Toms Lippen hinterließ. Der Zauberer antwortete mit einem zweiten, fordernden Kuss und drückte das Mädchen gegen das Bücherregal. Ava wehrte sich mit einem leichten, liebevollen Biss auf seine Unterlippe. Dann legte sie ihre Arme um seinen Nacken, zog ihn an sich heran um den Abstand zwischen ihnen zu minimieren. Er erwiderte ihr Bestreben, umschlang ihre Taille. Das Blut in Toms Adern begann zu brodeln, seine Finger pochten, wollten über ihren Körper wandern. Er zwang sich dazu, sich zu kontrollieren und nicht zu fordernd zu werden. Wollte sie noch näher an seinen Körper pressen, so nah an sich spüren, wie es die beiden Körper zuließen. Er wollte sie für sich vereinnahmen und am liebsten nicht mehr gehenlassen.
Leider mussten die beiden, als die alte Bibliothekarin eine kleine Glocke am Eingang läutete, feststellen, dass ihre Thesen widerlegt wurde. Die Zeit konnte auch von sieben Küssen nicht angehalten werden, stattdessen war sie eher zwischen ihren Lippen süß zerronnen. Ava zuckte zusammen. Schaute sich bei dem Klang um und stellte erleichtert fest, dass sie und Tom im Sichtschutz der Bücher standen. Atmete erleichtert auf. Dann fiel ihr aber ein, dass der Zauberer seinen Unterricht nicht verpassen durfte: "Mist! Wenn Miss Samothrake schon läutet, ist es kurz vor zehn! Du musst zum Unterricht, Tom!" Ihre Wangen waren gerötet, ihre Locken wilder als gewöhnlich. Tom ordnete seine Gedanken, die Ava durcheinandergewirbelt hatte: "Du hast recht. Wir sehen uns morgen in Wahrsagen?" Schnell griff er nach seinen Sachen, drückte ihr einen letzten, schnellen Kuss auf die Lippen und eilte zum Astronomieturm.
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