14. Kapitel: Party im Geheimgang


Nach dem Abendessen tippte jemand auf Toms Schulter. Ertappt drehte er sich möglichst unschuldig lächelnd zu der Person um. Es war Slughorn, der die Gruppe Jugendlicher belustigt musterte: "Mr Riddle, dürfte ich Sie einmal entführen. Ihre Freunde können sicherlich, wenn auch ungern auf Ihre Gesellschaft verzichten." Oliver griff nach Toms Hand: "Verlass uns nicht, Tom!"

Slughorn lachte: "Ach, noch einmal jung sein. Mr Gamp, sie werden die nächste Stunde sicherlich ohne ihren Freund überleben." Tom hoffte, der Lehrer stempelte ihr Verhalten als Albereien ab. Tom stand von der Bank auf. Beim Blick durch die große Halle fiel ihm auf, dass die meisten Schüler bereits die Haustische verlassen hatten. Nur noch wenige saßen in kleinen Grüppchen unter den schwebenden Kerzen. Ein paar spielten Zaubererschach. Ein paar lasen. Andere tuschelten.

"Klar, Professor, was gibt's denn?", Tom gelang es mit viel Konzentration klar und deutlich zu sprechen. Aus Slughorns Ohr kroch ein kleiner blauer Salamander heraus, der es sich auf dem Kopf des Lehrers gemütlich machte.

Der Zaubertrankmeister gebot Tom, ihm zu folgen. Er führte seinen Schüler hinaus aus der Großen Halle. Er setzte sich auf eine leere Bank neben der Treppe. Tom ließ sich daneben fallen. "Mein lieber Junge, ich hab mit Professor Dippet gesprochen und wir sind uns einig, dass keiner von uns Ihrer strahlenden Zukunft im Wege stehen möchte. Die Schule möchte Ihnen die beste Ausbildung bieten, die wir ermöglichen können. Sie werden also an allen gewählten Kursen teilnehmen können. Allerdings werden wir Lehrer uns dieses Wochenende dafür eine gemeinsame Lösung überlegen müssen. Es gibt Kurse, die zeitgleich stattfinden werden. Aber sie werden notfalls auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen müssen." Dem Leiter des Hauses Slytherin wuchsen zwei Engelsflügel als er seinem Schüler stolz auf die Schulter klopfte: "Trauen sie sich das zu, Tom?" 

Der Fünfzehnjährige nickte.

"Vielen Dank, Professor! Auf Sie ist wirklich verlass!", Tom strahlte: "Wissen wir zufällig wie spät es ist?" 

Slughorn lachte und deutete auf die große Uhr mit den goldenen Zeigern, die gegenüber von ihnen hing. Auch wenn Tom sich anstrengte, konnte er die Uhr nicht lesen, weil sie die Zeiger über das gesamte Ziffernblatt schlängelten. Er kniff die Augen eng zusammen. Keine Chance. "Tom, sie sind heute Abend wohl nicht ganz bei sich! Ich frag nicht weiter nach, aber vielleicht sollten sie früh ins Bett gehen. Es ist halb Neun. Haben sie noch einen schönen Abend."

Hatten sie so lange zu Abend gegessen? Tom erschrak etwas. Er eilte in den Schlafsaal - zweimal verlief er sich auf dem Weg dahin. Endlich angekommen tauschte er seine Schuluniform gegen ein lockeres Hemd und Jeans. Dann machte er sich auf den Weg zur Party. Seine Kürbispasteten-WG erspähte er am Feuer vorm Kamin im Gemeinschaftsraum. Sie bemerkten ihn nicht, als er an ihnen vorbeieilte.

 ***

Den Geheimgang zu finden war nicht so einfach, wie gedacht. Das lag eventuell auch daran, dass sich Toms Umgebung ständig veränderte, kleine magische Wesen um ihn herumtanzten und er immer wieder vergaß wie viele Treppen er bereits genommen hatte. Zu seiner Entschuldigung musste man ihm aber auch eingestehen, dass sich die bewegende Treppen von Hogwarts die Orientierung high nicht leichter machten. 

Um  zehn hatte Tom endlich den richtigen Gang im ersten Stock gefunden. Eine Statue einer einäugigen Hexe lächelte ihn an. Jemand hatte ihr ein Partyhütchen aufgesetzt. Wie von Ava erklärt, ging er dreimal an der Figur hin und her und murmelte "Unübersehbar". Die einäugige Hexe zwinkerte, drehte sich und gab die unter ihr verborgene Treppe frei.

Tom übersprang immer zwei Stufen der gewundenen Treppe.  Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten seine Füße endlich den Steinboden. Ihm war etwas schwindelig als sich der Geheimgang vor ihm auftat. 

Es handelte sich um ein langes Gewölbe, welches in den Felsen gehauen war. Die Decke war etwas über zwei Meter hoch, sodass man stehen konnte und nicht Angst haben musste, sich den Kopf zu stoßen.  Irgendjemand hatte asiatische Lampions in der Luft zum schweben gebracht, die das sparsame Licht rot färbten. Weinfässer boten am Rand Platz zum Sitzen. Musik hallte durch die Luft. Überraschend viele Schüler standen herum oder tanzten. Natürlich, wie angekündigt, keine Slytherins.

Auch wenn Tom nicht high gewesen wäre, hätte dieser Ort ihn sicherlich verzaubert. Es war wunderbar.

Er stand immer noch am Ende der Treppe und beobachtete die Menge, als sich ein paar Hände über seine Augen legten. Ein blumiger Duft wanderte zu seiner Nase. Verwirrt drehte sich der Junge um. Ava lächelte ihn an: "Du bist ja doch noch gekommen!" Sie umarmte ihn herzlich und drückte ihm ungewohnt vertraut einen Kuss auf die Wange. Tom atmete Sommer ein. Er musterte sie. Ava sah mühelos hübsch aus. Sie trug ein schlichtes, dunkelgrünes Kleid mit schmalen Trägern. Bis zur Taille lag es eng an, danach fiel es locker, sodass der Rock jede ihrer Bewegungen umschmeichelte. Ihre Haare waren offen. Ihre Augen waren etwas dunkler geschminkt als sonst. 

Es waren sicherlich die Wasserknollenköpfe, die Avas Locken in Bewegung versetzten und kleine Sterne auf ihrer Nasenspitze verteilten. Nachdem es Tom bei Slughorn noch recht gut gelungen war, die Fassung zu bewahren, fielen die Worte nun ungelenk aus seinem Mund: "ich glaub ich bin high." Ava schaute total überrumpelt und verdutzt. Damit hatte die Hexe nicht gerechnet. Sie musterte Tom prüfend. Zog seinen Kopf zu sich herunter, um die Pupillen ihres Gegenübers zu begutachten. Während sie seine Augen absuchte, begann Tom mit seinem Zeigefinger ihre Nasenspitze vorsichtig zu berühren. 

Es gelang ihr nicht die ernste Miene aufrecht zu erhalten. Stattdessen kicherte sie versucht nüchtern: "Geht's dir denn gut?" 

Tom nickte: "Du hast Federn in den Haaren.", teilte er seine jüngsten Beobachtungen mit ihr.

 "Und du hast Federn im Kopf.", grinste das Mädchen. 

Sie führte ihn weg von der Treppe, hin zu den Weinfässern. Er setzte sich. Grinste das Mädchen verträumt an. Wenn er auf dem Fass saß, war er in etwa wo groß wie sie.  

"Riddle, du überrascht mich immer wieder. Was hast du angestellt, dass du so drauf bist?", fürsorglich strich sie ihm durch die Haare. 

"Lucy hatte magische, knollige Pilze dabei. Und wir haben in einer Kürbispastete gewohnt.", murmelte Tom. "Aber du warst nicht in der Kürbispastete. Deshalb hab ich beim Abendessen weniger gegessen um Platz für dich zu lassen." 

"Ich verstehe.", lachte Ava. "Willst du was trinken?" 

Tom nickte: "Bier oder Feuerwiskey."

"Aquamenti", Ava hielt ihm einen Becher mit Wasser hin. Er trank artig auf.

"Danke, du bist so lieb!", bedankte er sich. 

Ava lächelte: "Du auch. Manchmal."

"Selten.", Tom versuchte ernst zu schauen. Es gelang ihm nicht. Er kicherte und wollte sie in den Arm nehmen. Sie roch so gut. 

"Hier, trink nochmal.", Ava hielt ihm den neu aufgefüllten Becher hin. Er befolgte ihren Befehl. 

Das Wasser schmeckte bitter. Der Rausch ebbte etwas ab.

Ava erklärte: "Ich hab dir ein bisschen Wolfswurz ins Wasser gegeben. Das neutralisiert das Gift. Merkst du schon was?"

Tom nickte. Fühlte sich immer noch leicht beflügelt, aber er hatte sich wieder stärker unter Kontrolle: "Sorry, dass ich mich grad so benommen hab."

Ava zwinkerte: "War doch süß."

Jetzt, wo die Gedanken wieder klarer wurden, begannen sie sich wirklich gut zu unterhalten. Er erfuhr, dass Ava gerne mehr reisen würde. Ihr Vater war wohl ein Fotograf, der alle möglichen gefährlichen Orte aufsuchte und dort die besten Bilder aufnahm. Er war Muggel und hatte ihre Mutter für den Job verlassen. Sobald sie mit siebzehn apparieren konnte, wollte sie ihren Vater regelmäßig auf seinen Abenteuerreisen besuchen. Avas Mutter war Journalistin für den Tagespropheten. Auch viel unterwegs. Die Schülerin fieberte der Freiheit nach ihrer Schulzeit entgegen: "Ich möchte glaub ich niemals an irgendeinen Ort gebunden sein. Lieber mit den Zeiten gehen und Neues entdecken, wie die Zugvögel, die sich für den Winter einen besseren Platz an der Sonne suchen." Ihre Augen wanderten zwischen den Lampions entlang: "Warum sollte man auch dort bleiben, wo es grau und trist ist, wenn man im Licht leben kann."

Das klang schön. Das graue und triste Waisenhaus zurücklassen für einen besseren Ort. Aber gab es wirklich solche Orte voller Licht? Trug man Licht und Dunkelheit nicht stetig mit sich? Tom dachte, Ava würde jeden Ort erleuchten lassen. Vielleicht war er der Zugvogel, der ihrem Licht folgte.

Irgendwann gesellten sich ein paar Mitschüler zu ihnen. Simon Creevey, ein sechzehnjähriger Gryffindor mit dem Tom noch nie gesprochen hatte, begrüßte den Slytherin neugierig: "Was hat dich denn hierher verschlagen, Riddle?" Er und Simon begannen eine Diskussion über Werwölfe zu führen. Während Creevey der Meinung war, dass Werwölfe gefährlich waren und deshalb stärker bewacht werden sollten, vertrat Tom die Meinung, dass man sich viel eher die Macht der magischen Kreaturen zu nutze machen sollte. Etwas später kam auch Mathilda Prewet, die Vertrauensschülerin der Gryffindors, auf die Gruppe zu. Sie begrüßte Ava und Simon mit einer schnellen Umarmung, dann sagte sie an Tom gerichtet: "Ich hoffe du bist nicht hier um die Party aufzulösen?" Sie verhielt sich Tom gegenüber etwas verhaltener. Vielleicht wegen dem Streit mit seinen Freunden, von dem Ava im Vorfeld erzählt hatte. 

"Ich hab ihn eingeladen.", strahlte Ava und warf Mathilda einen ermahnenden Blick zu. 

Mathilda schaute grimmig, drehte sich um und ging. Tom zögerte, unsicher ob er der rothaarigen Hexe hinterhergehen sollte, um die Wogen zu glätten, aber Ava hielt ihn am Arm fest: "Lass sie gehen, die beruhigt sich schon wieder und bis dahin ist eh nicht gut Kirschenessen mit ihr, man verbrennt sich aktuell nur die Finger an ihr." 

Ava sah der Freundin traurig hinterher, dann setzte sie wieder ein Lächeln auf: "Möchtest du tanzen?" 

Tom nickte und folgte ihr in die Mitte des Raums, zwischen schwebende Lampions. Er konnte sich nicht daran erinnern, je wirklich getanzt zu haben. Aber es war in Ordnung. Umso näher er ihr war, umso besser wurde es. Ava bewegte sich schnell und frei, sang bei manchen Textpassagen ungehemmt mit. Tom war durch die letzten Nachwirkungen des Pilztrunks noch etwas benommen, sodass es ihm leichter fiel, sich auch in den Klängen fallen zu lassen und seine Bewegungen an Avas anpasste. Ihre Haut leuchtete im Licht der Laternen warm. Er wollte sie berühren. War fasziniert. Fühlte sich wie die Schlange, die Carter Crouch im Zug heraufbeschworen hatte, darauf lauernd die Distanz zwischen ihnen zu verringern, bis er sie endlich ganz für sich allein haben konnte. Die Musik wurde langsamer. Avas Augen trafen seine. Sie registrierte seinen hungrigen Blick. Neigte den Kopf. Tom griff nach ihrer Hand und zog das Mädchen abseits von der Tanzfläche, durch den Gang, dort wo das Licht der Lampions etwas schwächer wurde. Ava lehnte sich an die Steinwand. Außer Puste.

Sie atmete aus. Lachte. 

füllte die Lunge mit Luft. Grinste. 

Sie atmete aus. Lächelte. 

Hielt die Luft an. Er küsste sie.


Ihre Lippen waren warm, schmeckte nach Blumen und ein wenig nach Feuerwiskey. Ihre Arme umschlangen seinen Nacken. Seine Hände wanderten vorsichtig über ihren Rücken, die Wirbelsäule entlang. Er drückte sie näher an sich. Nach einer Weile - Er hatte das Gefühl für Zeit verloren - als sie sich etwas zurücklehnte um Luft zu holen und die Augen öffnete, musterte das Mädchen Tom. Sie schien zu überlegen. Ihre Wangen waren rosa angelaufen. Er konnte Avas Blick nicht deuten, bis sie leise sagte: 

"Sich in dich zu verlieben ist gefährlich, Riddle." 

Die Schlange hatte bereits ihre Reißzähne in der Beute versenkt und das Gift suchte sich schnell den Weg durch die Adern bis zu ihrem Herzen. 



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Was denkt ihr über den Kuss? 

War es eine gute Idee von Ava sich auf Tom einzulassen? 




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