Versteckte Freude
Auch später, als ich im Aufenthaltsraum sitze und einen Brief an Toby schreibe, sitzt der Schock immer noch tief in meinen Gliedern. Wer tut so etwas? Ich meine- das Mädchen war erst in der dritten! Ein Zittern erfasst meinen Körper, als ich daran denken muss, dass der, der das getan hat immer noch im Schloss ist. Dass er immer noch in diesen Korridoren umhergeht. Ich atme zittrig aus und setze im Licht einer einzigen Kerze meine Feder auf das Pergament. Ein dunkler Fleck breitet sich aus, als ich nicht weiß was ich ihm sagen soll. Ich hebe meinen Kopf und mein Blick schweift hinaus zu den dunklen Ländereien. Die Wolken verstecken den Mond und lassen den Raum in Dunkelheit. Die anderen schlafen schon, doch ich, die ich nicht schlafen kann, sitze hier und versuche alles, was ich fühle in Worte zu fassen.
Toby,
Woche um Woche vergeht und kein Tag geht vorbei, an dem ich dich nicht vermisse. Es ist, als fehle ein Teil von mir. Ich erwische mich, wie ich in den Gängen nach dir Ausschau halte, obwohl ich weiß, dass du nicht da bist. Schule ist immer noch nicht entspannender als sonst, auch wenn die ZAGs vorbei sind.
Ich hoffe dir und deiner Familie geht es gut. Die Artikel im Tagespropheten machen mir Angst. Ist es da draußen wirklich so schlimm wie sie berichten? Du arbeitest ja im Mungos, du musst es am besten wissen. Bitte pass auf dich auf, ja? Ich mache mir große Sorgen. Ich fürchte mich, wenn ich aus Hogwarts komme, dass mich die derzeitige Lage überwältigt. Alleine den Schutz des Schlosses zu verlassen macht mir Angst. Oh Toby, wo führt uns das nur hin? Und trotzdem. Dank dir weiß ich, was es heißt auch in Zeiten der Angst Freude zu finden und Freude zu geben. Ich hoffe ich verliere diese Gabe nicht, auch wenn wir uns so lange nicht sehen. Ich kann Weihnachten kaum abwarten.
Aber die Dunkelheit herrscht nicht nur außerhalb Hogwarts. Heute ! während des Festessens!, stürzte eine Drittklässlerin zur Türe hinein, in ihren Armen ihre tote Katze. Jemand muss sie umgebracht haben, das konnte man sehen. Da war überall Blut, Toby! Überall! Und in ihrer Hand war ein Zettel auf dem „Fluch über dieses Schloss" stand. Dumbledor hat natürlich das ganze Schloss durchsuchen lassen. Alle Lehrer sind ausgeschwärmt. Allen voran McGonagall und unser neuer Verteidigungslehrer Nushkins. Aber sie haben niemanden gefunden. Niemand weiß wer es war. Das ist verdammt beängstigend.
Toby, bitte pass auf dich auf. Ich glaube, da kommt noch mehr auf uns zu. Ich glaube, das was schon passiert ist, war nur der Anfang. Der Anfang des Untergangs. Aber eines verspreche ich dir. Wenn wir untergehen, dann gemeinsam.
Ich liebe dich
Emily <3
Als ich den Brief in sein Kuvert stecke und versiegle, denke ich, dass der Text doch ziemlich melodramatisch ist. Doch er drückt einzig und allein nur das aus, was ich fühle.
oOo
Der halloweenvorfall hat tiefe Wunden hinterlassen. Die nächsten Wochen herrscht Ausnahmezustand im Schloss. In Verteidigung lernen wir sofort alle defensive Flüche, die Nushkins zu bieten hat, denn er meint, dass: „Die defensive Magie nun die wichtigste ist, die ihr zu lernen habt, damit ihr euch verteidigen könnt." Ich kann fühlen, wie sich jeder anstrengt sein bestes im Unterricht zu geben, denn jeder ist eingeschüchtert. Die jüngeren Schüler treiben sich nur noch in Grüppchen herum und sehen sich immer achtsam um. Auch in Heilkunde haben wir einen Schwerpunkt auf Wundversorgung und Wundverschluss, sowie Antinocturnaezauber gelegt bekommen. Jeden Freitagnachmittag übern wir fleißig, wie wir verschiedenste Wunden verbinden und welche Eigenschaften welche Art von Verletzung mit sich trägt. Ich versuche angestrengt alles im Hinterkopf zu behalten, sobald ich den Krankenflügel wieder verlasse. Dieses Wissen ist etwas, das ich nicht wieder noch einer Woche oder so vergessen darf, sowie die Abkommen verschiedenster Koboldgruppierungen. Das kann ich wirklich noch brauchen.
Ich ziehe meinen Mantel fester, als ich neben Marl hinunter zum Quidditchfeld schlendere. Wir haben uns gerade nach unserem eigenen Training umgezogen, um uns nach dem Training der Hufflepuffs mit Benj, Tim, Drew und Josh zu treffen. Endlich haben wir Zeit gefunden. Ein Schauer läuft über meinen Rücken als der Wind von der Seite durch unser Haar bläst. „Brr", schniefe ich, „Ich hoffe, ich hab mich beim Training nicht verkühlt." Es ist etwas über Mitte November und der Winter grüßt uns hier im Norden schon viel früher, als ich es von Zuhause gewohnt bin. Marl sieht mich hinter den Schichten von zwei Schals und einem Rollkragenpulli mitleidig an: „Ja, hoffentlich. Es ist schon wirklich, richtig, richtig kalt. Ich frier mir auch immer in Alchemie den Arsch ab. Aber was ganz was Anderes. Hast du eigentlich schon mit Elle geredet?" Siedend heiß fällt es mir ein. „Mist! Nein das hab ich vergessen!" In seinem letzten Brief hat Toby sehr besorgt geklungen und mich gebeten ein Auge auf Elle zu haben, was ich natürlich, in all dem Stress, vergessen habe. „Danke, dass du mich erinnerst", sage ich zu Mena, „In letzter Zeit ist alles etwas viel." „Ja, das stimmt schon", erwidert sie, legt den Kopf in den Nacken und kneift die Augen zusammen. Wir sind beim Quidditchfeld angekommen, wo die Hufflepuffs gerade mit dem Training fertig werden. Ich bleibe mit Marl stehen und sehe ruhig zu wie die Jungs landen und noch einmal irgendetwas besprechen. Tim blickt auf und Marl winkt ihm. Er stößt seinen Bruder an, der ebenfalls den Kopf hebt und uns zu grinst. Josh gibt Drew einen Stoß in die Rippen, den der mit einem Rempler quittiert. Der Dunkelhäutige lacht nur und gibt offenbar irgendeinen Kommentar ab, über welchen Benj lachen muss. Meine Mundwinkel heben sich amüsiert. Na das kann ja noch lustig werden.
Wenig später spazieren wir zu sechst um den See. Drew unterhält sich angeregt mit Mena über Knuddelmuffzuchten, während Josh mit Max über die letzte Zaubertränkeaufgabe streitet. „Nein. Ich sag dir, da stand drinnen, dass das drei Tage köcheln muss, bevor es rot wird." „Einen Scheiß, Josh, wirklich, es waren höchstes zwei", protestiert Max, „Da bin ich mir hundertprozentig sicher." „Ja, so wie in Verwandlung letztens, ja?", wirft jener dazwischen. Ich muss schmunzeln. Von irgendwoher, kommt mir das bekannt vor. Ich wende mich von deren Konversation ab und Benj zu: „Ich find das, was zu Halloween passiert ist immer noch heftig." Er nickt und sein Gesicht verdunkelt sich etwas: „Ja. Ich verstehe nicht, wie jemand sowas machen kann. Aber was mich mehr beunruhigt ist eben, dass es jemand aus dem Schloss gewesen sein muss, weil man eben gehört habe muss, wenn sich wer eingeschlichen hätte." „Ja, das stimmt", sage ich, „Und es ist so schwer heraus zu finden, wer es war." „Naja", erwidert er, „nach dem Haus muss man nicht zweimal fragen. Das ist sowie so klar." „Das kann man nicht so vereinheitlichen", werfe ich ein und verstecke meine Finger in den Taschen meines Mantels, um sie vor der Kälte zu schützen, „ich kenne Slytherins, die für das Gute stehen und ich weiß, dass es Ravenclaws oder Hufflepuffs oder Gryffindors gibt, die für das Falsche kämpfen. Und, noch dazu, man kann nicht vergessen, dass die Menschen Angst haben. Und Angst", ich schlucke, „Angst bringt Menschen dazu furchtbare Dinge zu tun." Er sieht mich, mit seinen graublauen Augen unverwandt an und seufzt: „Da hast du recht. Die letzten paar Jahre ist eben so viel passiert. So viel Schlechtes." „Da hast du wieder recht", sage ich. Unwillkürlich streife ich über meine Narbe am Unterarm und mir werden die auf meiner Wange wieder bewusster. Manchmal vergesse ich ganz, dass sie da sind. Mit einem Mal muss ich aber auch an die vielen schönen Dinge denken, die ich erlebt habe, an die Leute, die ich alle kennengelernt habe. „Aber nicht nur Schlechtes", sage ich. Er muss lächeln: „Ja, das stimmt auch." Kurz herrscht Schweigen zwischen uns, bevor er fragt: „Du bist mit Toby Winterfield zusammen, oder?" „Ja, genau." Er grinst mich an: „Also immer noch. Ziemlich nice." Ich muss lächeln: „ja, die letzten zwei Monate waren ein bisschen hart, weil wir uns halt nicht gesehen haben, aber ja. Was soll man machen. Zu Weihnachten sehen wir uns sowieso wieder." Mein Brustkorb schnürt sich leicht zusammen, als ich daran denke, dass dies noch ein Monat hin ist. „Ihr schafft das schon", meint er aufmunternd, als habe er meine Trauer bemerkt. „Danke, ich weiß", sage ich. Er lacht: „Das ist die richtige Einstellung."
Auf dem Weg zurück zum Schloss unterhalten wir uns über unsere Familien, die Lehrer und etwaige Belanglosigkeiten. Okay, dazu zählt Familie jetzt nicht aber... ^^ Der Himmel färbt sich dunkel, als die Sonne hinter den Wipfeln des verbotenen Waldes versinkt und der Wind sticht nun noch eisiger, als zuvor auf meiner Haut. Ich schniefe leise. Auf einmal höre ich seitlich von mir ein Krachen, dicht gefolgt von einem Fluchen. Ich wirble herum. „Verfluchte Doxyscheiße, nochmal", schimpfend richtet Josh sich auf. Während Tim lacht, fragt Mena besorgt: „Was ist passiert?" „Der Ast war im Weg. Ich konnte ihn nicht sehen." Benj und Drew prusten los und auch ich muss mir ein lautes Auflachen verkneifen. Josh schüttelt theatralisch mit weit aufgerissenen Augen und gespielter Entrüstung den Kopf: „Nein, im Ernst. Hätte er nicht Bescheid sagen können oder so?" Ich muss nun wirklich beginnen zu lachen. Sein Gesicht. Ich werde von Lachkrämpfen geschüttelt, als wir hinauf zum Schloss wandern, das in der Dunkelheit mit glänzenden, erleuchteten Fenstern auf uns wartet, mit Freude in den Gesichtern und unseren Herzen. Irgendetwas sagt mir, dass das noch etwas werden kann.
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