Über das Wochenendlachen und trübe Montage

Der April neigt sich langsam dem letzten Drittel zu und die Tage werden immer länger und wärmer, auch wenn oftmals Regenschauer niedergehen und das Wetter beinahe stündlich wechselt. Es ist Samstag und es fühlt sich an als sei es eine Ewigkeit her, dass das letzte Mal Wochenende war. Ich sitze mit Benj auf den Stufen draußen, wenn man zum Schwarzen See hinuntergeht. Die Sonne scheint warm auf mein Gesicht und ich lehne halb an seiner Schulter. Zwischen uns stehen ein paar Kürbispasteten und zwei Flaschen Kürbissaft. Ich habe ein Buch halb aufgeschlagen auf meinem Schoß, während er auf einem Pergament herumkritzelt. „Und?", necke ich ihn, „Schon mit Kräuterkunde fertig?" „Nein", knurrt er gespielt und schubst mich leicht an. Ich lache und nehme einen Schluck Kürbissaft. Er tut es mir gleich, wobei er auf mein Buch deutet und sagt: „Mh, was ließt du da eigentlich?" Ich hebe es an, sodass er das Cover sehen kann. „Mythen und Legenden der Prophezeiungen." Skeptisch sieht er mich an: „Glaubst du wirklich, dass das ganze Wahrsagezeug funktioniert? Ich meine, für mich hört sich das alles an wie viel Gewäsch und nichts dahinter." Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als ich an meine Alpträume von letztem Jahr denke, an meine Vision des Kampfes, bei dem Cassy ums Leben kam und an die Tassenprophezeiung vor Snapes Anschlag. „Es kommt drauf an", erwidere ich langsam und lasse das Buch sinken. Ich blicke ihn nicht an, aus Angst, er könne die Wahrheit in meinen Augen sehen. „Ich denke, dass viele Leute Wahrsagen missbrauchen, aber ich bin absolut davon überzeugt, dass es echte Seher gibt. Und die sind sicher ganz nützlich." Benj gluckst: „Ganz nützlich trifft es sicher gut. Ich glaub zwar weniger dran, aber du hast Recht, wenn es sowas gibt, dann ist das sicher ganz cool." Naja, will ich erwidern, nicht wirklich. Aber ich verkneife es mir. Die Edelsteinprophezeiungen haben bis jetzt auch ein bisschen Wahrheit innegehabt, zumindest was Saphir, Rubin und Edelstein angeht. Aus dem Rest werden wir ja alle nicht schlau. „Maahn", mault Benj, „Ich will das nicht fertigmachen." „Du bist so faul", lache ich. „Stimmt doch gar nicht", protestiert er entrüstet, „Aber ich mache keine einzige Hausaufgabe ni-." „in Kräuterkunde?", spotte ich gespielt. „Du kleine Hexe", grummelt er, doch ein Grinsen umspielt seine Lippen, „Nicht, wollte ich sagen. Da kann sie ja mal eine durchgehen lassen." „Ja, sowieso. Dich liebt sie ja eh. Musst nur zweimal mit den Wimpern klimpern und geht schon", gluckse ich und lege mein Buch zu Seite. „Als ob", meint er lachend. „Doch, sehr wohl!", erwidre ich, „Dich und Josh. Wobei, Josh hat sie sogar noch lieber." „Ja, aber nur weil er bei ihr ein bisschen den Schleimer raushängen lässt." „Ja, aber wirklich", kichere ich, „Madam Sprout, dürfte ich Ihnen behilflich sein? Madam Sprout, darf ich Ihnen die Blumen gießen. Ach Madam Sprout, diesen Hut finde ich fantastisch, das muss ich Ihnen aber jetzt schon einmal gestehen." Benj beginnt schallend zu lachen. Ich grinse breit. „Genau, und das alles in seinem fancy Liverpool Akzent!", stimmt er mir prustend zu und hält sich die Seite. Ich kichere los, weil verdammt, wenn andre Leute lustig lachen, muss ich mitlachen! Benj bekommt sich einfach nicht mehr ein und wir krümmen uns von Lachsalven geschüttelt. Mein Bauch beginnt schon zu schmerzen und ich bekomme keine Luft mehr, aber ich kann einfach nicht aufhören zu kichern.

Erst nach einigen Minuten bekommen wir uns halbwegs in den Griff. Atemlos und mit schmerzenden Bauchmuskeln richte ich mich auf. „Hicks!", macht Benj auf einmal und sieht mich mit verdattertem Gesicht an, sodass ich erneut anfange haltlos und wie eine vollkommen Gestörte zu lachen. „Emmi! So lustig ist das auch -hicks- nicht", meint er, doch da muss er selber prusten und gesellt sich wieder zu mir auf den Boden. In diesem Moment spaziert McGonagall durch das Portal und die Stufen hinunter. Als sie uns bemerkt bleibt sie verwundert stehen. Ich sehe glucksend und mit Tränen in den Augen auf in ihr strenges Gesicht, als sie uns fragt ob alles in Ordnung mit uns sei. Ich versuche nach Luft zu schnappen und nicke, während ich mit meiner Hand die Tränen weg wedle. „Hicks", macht Benj und ich fange erneut an zu kudern. Mit einem „Nun, Ihnen ist nicht mehr zu helfen Miss Haimerl", verabschiedet sie sich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen von uns und schreitet von dannen. „Nein", meint Benj lachend, „Dir ist wirklich nicht mehr zu helfen." Ich kann nur noch grinsend und atemlos den Kopf schütteln.

oOo

Das Wochenende ist viel zu schnell wieder vorbei und so auch der Sonnenschein. Das meine ich wortwörtlich. Wo der Sonntag noch strahlend und schön war, so wache ich am Montagmorgen zu grauen Wolken und Nieselregen auf. Die Feuchte und Kälte kriecht förmlich ins Schloss. Grummelnd ziehe ich mir meinen Hoodie über, als ich einsehe, dass ich nicht weiter schlafen kann. Ich tapse ins Bad, um mich fertig zu machen und mich umzuziehen, denn „Muggelkleidung ist während des Unterrichts nicht gestattet! Die Schuluniform ist zu tragen, Miss Haimerl!". Jaja, McGonagall, ich habs kapiert. Mit meinen Haaren fest in einen Dutt geknotet werfe ich meinen Schulumhang und meine Tasche über. Ich fröstle. Wieso um alles in der Welt muss es Ende April noch so arschkalt sein? Ich schlurfe missgelaunt zum Frühstück. Meine Nase ist verstopft und mein Hals schmerzt etwas. ich seufze und lasse mich neben Alice am Frühstückstisch fallen. „Na? Was hat dir denn den Zauberstab so verknotet?", bemerkt sie fröhlich und schmiert sich ihren Marmeladetost fertig. Ich murmle etwas Unverständliches und strecke die Hand nach dem Kaffee aus. Keine Ahnung. Heut ist einfach ein Scheißtag. „Vielleicht hat sie ihre Tage", neckt mich David, der ehemalige Treiber  aus dem Gryffindorteam. „Halt die Klappe David", raunze ich ihn an und ein Husten steigt in meiner Brust auf. Rasselnd und schwer verlässt es meine Kehle. „Mimmimimimie, reg dich nicht so auf", meint er augenrollend und wendet sich ab. Vollidiot. „Das hört sich aber nicht gut an", meint Lily besorgt neben mir. Ich zucke mit den Schultern und mache mir mein Müsli. „Ja kann sein." „Du solltest zu Madam Pomfrey gehen." Wieder zucke ich mit den Schultern und gieße Milch in meine Schale. Lily betrachtet mich kurz mit gerunzelter Stirn, dann sagt sie leicht genervt: „Mach was du willst, aber reg dich dann nicht bei mir auf." Was zur Hölle? Wieso sollt ich mich bei ihr aufregen? Ich löffle stumm mein Müsli und mein Blick schweift zum Hufflepufftisch. Meine Augen suchen die Menschen ab und bleiben an einer Drittklässlerin hängen. Die Drittklässlerin, deren Katze die erste war, die angegriffen wurde. Wie heißt sie bloß?
„Das ist May Lou Carter", flüstert mir Alice ins Ohr, die meinen Blick bemerkt haben muss, „Du weißt schon, die deren Katze..." Sie vollendet ihren Satz nicht. Ich nicke. Es macht mich innerlich unruhig, dass hier irgendjemand herumstreunt, der eine Gefahr für uns ist. Oder sein könnte. Ich weiß es nicht. Ich fixiere ihren braunen Haarschopf und ich zucke zusammen, als sie mit einem Mal ihren Kopf hebt und mir direkt in die Augen sieht. Die ihren leuchten in hellem Blau und nehmen mich in den Bann. Ich kann mich einfach nicht von ihnen losreißen. Obwohl sie einen Tisch weiter sitzt, kommt es mir vor, als wäre sie unmittelbar vor mir. Sie legt ihren Kopf etwas schief, als wolle sie mich was fragen. Was passiert hier?, scheint sie zu flüstern, Was passiert in diesem Schloss? Als wüsste ich die Antwort. Ich habe doch selber keinen Plan was los ist. Ich reiße mich schlussendlich los und widme mich wieder meinem Frühstück. Doch irgendwie werde ich das flaue Gefühl im Magen einfach nicht los. Ein Schauer läuft über meinen Rücken. Ich hasse es. Es ist als schwebe eine ungute Vorwarnung in der Luft.

Ich fasse einen Entschluss, leere meine Kaffeetasse in einem Zug und stehe auf. „ich geh schon mal", meine ich und eile zur Tür der großen Halle hinaus, durch die gerade May Lou verschwunden ist. Ich versuche nicht in ein schnelleres Schritttempo zu wechseln, was gar nicht so einfach ist, doch dann bin ich aus der großen Halle draußen. Ich sehe die Treppe hinauf und erblicke Mays braunes Haar. „May!", rufe ich und setze ihr mit einigen Schritten hinterher. Sie hält in ihrer Bewegung inne und wendet sich zu mir um. „Ja?", fragt sie mich. Wieder legt sie den Kopf schief. Ich halte neben ihr an. Ich sehe auf sie hinunter, sehe in dieselben fragenden Augen wie zu vor und sage ehrlich: „Ich weiß nicht, was gerade in Hogwarts passiert. Es tut mir leid." Der fragende Blick wird verständnisvoll, doch auch resignierend. „Es ist okay. Du kannst ja nichts dafür." Ich seufze und sehe müde zu Boden: „Ich weiß. Ich wünschte nur, ich könnte etwas tun." May schluckt. „Das wünschte ich auch." Wieder blicke ich sie an, wissend, dass sie eine ähnliche Bürde wie ich zu tragen hat. Sie hat genau wie ich das Gefühl, als läge es an ihr die Dinge umzuwälzen. Nur dass es bei mir auch wirklich so ist. „Das mit deiner Katze tut mir leid", sage ich noch bedauernd. Vermutlich war es taktlos, aber naja. „Ja, ich vermisse sie, aber vielleicht sollte ich eher froh sein, dass es nicht ich war." Ihre Stimme klingt bitter und zittert etwas. Ihre Haltung zeugt von Trotz und Furcht. Ich lege ihr eine Hand auf die Schulter und fixiere ihre hellen Augen. „Es werden bessere Zeiten kommen May, das verspreche ich dir. Verliere die Hoffnung nicht, auch wenn es jetzt trostlos und düster ist. Denn vergiss nicht, auf Regen folgt Sonnenschein." Ich lächle sie an. Das erste Lächeln an diesem Tag. May erwidert es, macht einen Schritt auf mich zu und schlingt ihre Arme um meine Mitte. Ich erwidre die Umarmung und halte sie fest. so wie ich es immer tue. „Es kommen bessere Tage, glaub mir." „Danke", sagt sie leise in meinen Umhang, „Dafür, dass es dich gibt."

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