Stärker als der Tod
James, Sirius und Peter platzen zur Tür herein. „Emmi! Wo ist Marlene?", ruft Sirius aufgewühlt. „Psst!", zischt Toby sie an und zeigt auf den Wandschirm, „Dort hinten." James' Blick schweift herablassend über den ehemaligen Ravenclaw, bevor er zu mir eilt. Er mustert mein leeres Gesicht, meine rotverheulten Augen und meine zerschundene Haut. „Emmi", murmelt er bestürzt und klettert zu mir auf das Bett. Er nimmt mich in den Arm und zieht mich zu sich an seine Brust. Ich kuschle mich an ihn und dann bricht der Zauber des Beruhigungstrankes und ich beginne erneut loszuheulen. James drückt mich fester an sich. „Shh. Shh, ich bin da." „Sie darf nicht...!", schluchze ich. „Wird sie nicht", verspricht Jame mir leise, „Wird sie nicht, sie schafft das. Sie ist stark." Ich klammere mich an ihn, wie an ein Bowtruckle an seinen Baum. Er ist wie ein Bruder für mich und gerade jetzt, in diesem Augenblick, beinahe der einzige Fixpunkt, an dem ich festhalten kann.
Ich bekomme eine weitere Tasse Beruhigungstrank eingeflößt. Dann warten wir. Wir warten ewig und drei Tage, bis Madam Pomfrey endlich hinter dem Vorhang hervorkommt. Sie wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn. „Alles super. In zwei Stunden oder so wird sie aufwachen. Mr. Winterfield, tun Sie mir den Gefallen und machen Sie die Überwachungszauber, ich würde gerne mal für ein paar Minütchen Pause machen." Sie wirft uns Rumtreibern einen frustrierten Blick zu. Als ob wir immer daran schuld wären. Ich atme erleichtert aus. Mein Lieblingsmensch würde überleben. Toby macht sich auf den Weg hinter den Vorhang. Ich sinke erschöpft gegen James Brust. Sein Geruch beruhigt mich. Es fühlt sich an wie Zuhause. „Schau, sie schafft es. Sie ist genauso schwer totzukriegen, wie du." Ich muss etwas lachen. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Ich atme zittrig aus. Wir sind alle noch hier. Wir schaffen das. Wir werden überleben. Ich warte gespannt darauf, dass Toby endlich den dummen Wandschirm wegschiebt und Marlene aufwacht. Müssen wir nicht irgendwann vielleicht zu Dumbledor? Der will ja immer wissen, was vor sich geht. Ich schrecke hoch, als Toby mit einem Quietschen den Sichtschutz entfernt. Ich springe auf. Beinahe wäre ich wieder eingeknickt, da meine Knie so weich sind. Ich haste zum Krankenbett meiner Freundin. Remus, James, Peter und Sirius folgen mir schnell. Ich kaure mich neben sie und drücke ihre Hand. Sie wird wieder aufwachen. Sirius tritt näher an das Bett und beugt sich etwas vor. Was wird das jetzt? Sein Gesicht nähert sich Menas. Perplex beobachte ich den jungen Black. Will er sie küssen oder wie? Ich versteh gar nix mehr. Da pustet Sternchen ihr ins Gesicht, bevor er sich grinsend zurücklehnt. Ich sehe, wie Marlene ihre Nase runzelt und mit einem unzufriedenen Murren die Lider öffnet. „Du bist doof, Sirius", nuschelt sie, als sie ihn erkennt. Ein breites Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. Ich falle ihr um den Hals. „Du bist nicht gestorben." Sie muss glucksen. „Nein. Merlin sei Dank, bringt man uns nicht so schnell um." Ich grinse noch breiter. „Wie geht's dir?", fragt Remus besorgt. Sie scheint für einen Moment auf ihren Körper zu achten, wobei sie den Kopf schief legt. „Hm, ja es geht eigentlich. Nicht so, als wäre ich gerade fast abgekratzt." „Das ist gut", lächelt Peter und schnippt mit seinem Zauberstab. Marl streckt vorsichtig die Hand aus und fängt, mit einer vorsichtigen Bewegung die Schoko-Karamell-Kugel in der mintfarbenen Verpackung auf, die aus dem Nichts erschienen ist und langsam absinkt, so als würde sie schweben. „Danke, Pete", lächelt sie und wickelt sie aus, um sie in den Mund schieben zu können.
Sie kaut gerade, als sich mit einer schwungvollen Bewegung die Türen des Krankenflügels öffnen. Dumbledor betritt in seinem typischen, hellblauen Umhang und ruhigen Schrittes den Raum. Ich höre Marl hastig schlucken. „Warum überrascht es mich keineswegs, dass sie sechs hier sind?", fragt er mit einem Schmunzeln, als er am Fußende des Krankenbettes stehen bleibt. Unbeholfen zuckt Marl mit den Schultern. „Mir scheint, als zögen Sie die Gefahr förmlich an", spricht er weiter. Ich will schon etwas erwidern, doch er hebt in einer abwehrenden Geste die Hände. „Das ist keinesfalls ein Vorwurf", sagt er sanft und sieht uns über den Rand seiner Halbmondbrille freundlich an, „lediglich eine Bemerkung." Ich wechsle einen Blick mit Marl. „Ich muss jedoch Sie, Miss Haimerl und Sie, Miss Oelschlägel für einen Moment in mein Büro entführen. Wir haben gewiss etwas zu bereden." Unsicher nicke ich. Ich erhebe mich und Marlene schwingt ihre Beine über die Bettkante. Vorsichtig richtet sie sich auf und tapst an mir vorbei. Ich setze ihr hinter her. Dumbledor hat sich der Tür zugewandt und geht voraus. Mena und ich hasten ihm hinter her. James drückt meine Schulter im Vorbeigehen. Wir folgen Dumbledor aus dem Krankenflügel und schließen mit ihm auf. „Miss Oelschlägel, sollte Sie Schwindel oder dergleichen verspüren, zögern Sie nicht an mir Halt zu suchen", sagt Dumbledor vergnügt, als Mena über eine Stiege stolpert. „Ich werde darauf zurückkommen, danke", erwidert sie mit einem Lächeln. Wir gehen die vielen Stiegen hinauf zu Dumbledors Büro und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich das Gesicht des linken Wasserspeiers sehe. Er sieht ganz enttäuscht aus, weil er uns nicht nach einem Passwort fragen kann. Ich schaudre leicht. Wieso ist mir kalt? Es ist doch eigentlich warm im Schloss. Und die Sonne scheint auch.
„Das ist die Anstrengung, Miss Haimerl", sagt Dumbledor leise. Er muss meine Gedanken gelesen haben. Ich nicke nur stumm. Er hält uns oben am Ende der Wendeltreppe angekommen die Tür auf und deutet uns einzutreten. Er schließt hinter uns die Türe und mit einem Schnippen seines Zauberstabs lässt er zwei Chintz-Sessel erscheinen. „Bitte, nehmt Platz", sagt er und umrundet mit ruhigen Bewegungen seinen Schreibtisch. „Danke", murmle ich und lasse mich nieder. Ich sehe ihn abwartend an. Er sinkt in seinen Sessel und legt die Fingerspitzen aneinander. „Nun, wie ihr jetzt wisst, haben wir den Mörder gefasst, der frei im Schloss umhergewandert ist." Stille. Ja. Und ich kann es immer noch nicht glauben. Es war die ganze Zeit über Nushkins. Er war es, der May getötet hat. Ich saß direkt vor ihrem Mörder. Und doch hat er mich nicht angegriffen. Und doch konnte er mich täuschen. Wieso? Wieso das alles? Es macht keinen Sinn. „Ich verstehe es nicht", platzt Marl heraus und streicht ihre blonden Haare hinter ihr Ohr, „Wieso Professor Nushkins?" „Ich denke, das Professor, können Sie sich schon irgendwohin schmieren", meint Dumbledor nüchtern, „Aber ich verstehe Ihre Verwirrung. Mir selbst war all dies ein Rätsel. Doch nun scheint mir alles etwas klarer. Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen, niemand hätte es absehen können. Am ehesten noch ich, doch auch mir war es unmöglich." Ich sehe ihn abwartend und gespannt an. Er seufzt tief: „Nushkins war nie lange bei einem Arbeitgeber. Er wechselte oft. Er sagte mir zwar, dass er nicht wisse, woran es liege, er habe stets seine Arbeit versucht auszuführen. Aber mit dem heutigen Vorfall habe ich verstanden, wieso. Nushkins ist schizophren."
Meine Kinnlade klappt herunter. „Was?", schießt es aus Marl hervor, „Er ist schizophren?" Dumbledor nickt ernst: „Ja. Seine Persönlichkeit hat sich einmal gespalten. Ich habe etwas in seinen Erinnerungen gestöbert und bin auf einen nun, sagen wir dramatischen, Einschnitt in seinem Leben gestoßen. Von diesem Zeitpunkt an, hat sich seine andere Persönlichkeit entwickelt. Sie blieb unentdeckt, bis zum heutigen Tage. Es stimmt. Auf der einen Seite ist er der Lehrer, der sich erbittert gegen die dunklen Künste stellt. Auf der anderen Seite ist er ein Mörder. Er wurde bereits von den Auroren des Zaubereiministeriums abgeholt und kann sich nun auf einen lebenslänglichen Besuch in Askaban freuen." Nun wirkt Dumbledor nachdenklich und etwas bedrückt. „Vermutlich hätte ihm ein Aufenthalt in der psychiatrischen Abteilung im Mungos mehr gebracht, aber was soll man tun. So will es das Gesetz." Ich runzle die Stirn. Ich weiß, warum er das meint. Weil der eine Teil von Nushkins nichts dafür kann, aber dennoch hat er zwei Menschen getötet und mehrere angegriffen. „Es tut Ihnen nicht leid, oder?", frage ich vorsichtig. Dumbledor blickt mich direkt an. Seine blauen Augen durchdringen mich förmlich und ich kann ein Feuer in ihnen lodern sehen. „Nein."
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