Schmetterlingseffekt
Schmetterlingseffekt
Wir mussten noch unsere Sicht der Ereignisse schildern, dann werden wir zurückgeschickt. Den restlichen Tag verbringen wir zu, vermutlich zwanzigst im Krankenflügel. Madam Pomfrey hat schon vor Stunden aufgegeben, Leute rauszuschicken. Reg, Gwen, Lucas, die Mädels, Frank und Benj, Josh, Tim und Drew sind auch da. Wir sitzen auf den Betten, am Boden oder auch auf den Fensterbrettern und haben einen Vorrat an Naschereien, sowie Leckereien aus der Küche in unserer Mitte. Ich lehne an Benj und lache über Drews Grimasse, als er eine schlechte Bertie Botts Bohne erwischt. Der Krankenflügel ist von Stimmen, Lachen und guter Laune erfüllt. Marl und Lucas sind... anderweitig beschäftigt. Jedenfalls waren sie das, bevor Tim sie mit einem Polster abgeworfen hat. Lily und Mary diskutieren mit Gwen über eine Schokofroschkarte. Remus spielt mit Frank und Alice Karten, während sich Josh mit James und Peter angeregt über die Quidditchliga unterhält. Ich lächle glücklich, als Benj mir einen sachten Kuss auf den Scheitel drückt. „Siehst du?", flüstert er in mein Ohr. Sein warmer Atem kitzelt meine Haut. „Alles ist gut", wispere ich mit einem Lächeln zurück.
oOo
Die Sonne kitzelt meine Nase, als ich im Schatten unseres Baumes döse. Ihre Zweige wiegen lau im Wind und die Buchenblätter rascheln in einem gleichmäßigen Geräusch. Meine Gedanken haben schon vor einer Weile aufgehört zu kreisen. Ich will jetzt nicht nachdenken. Jetzt ist gerade alles wieder gut. Ich genieße die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Der Geruch von Gras und Erde hüllt mich ein. Ich vernehme das Rascheln von Buchseiten, als Marl sie umblättert. Die Flügel eines Schnatzes sirren klar durch die Luft. Ich höre Sirius nachdenklich brummen und die Schachfiguren leise schnattern. „Den da dort drüben!", quiekt ein Bauer. Ich atme tief ein und drehe mich auf den Bauch. Der Stift in Menas Hand flitzt über das Papier. „Was zeichnest du?", frage ich sie. Sie dreht mir die Zeichnung zu und meint: „Eine Skizze für das nächste Ballkleid. Ich will es dieses Mal unbedingt selber nähen." „Wow", meine ich und betrachte eingehend die vielen Lagen, die vermutlich aus leichtem Chiffon sein sollen. „Sieht cool aus." „Danke", lächelt sie und zeichnet weiter. Ein Schmetterling flattert auf mich zu. Ich grinse und beobachte, wie er sich auf eine Wurzel vor mir setzt. Seine Flügel haben ein Muster in wundervollen Blautönen. Mit dem nächsten Windstoß schlägt er mit den Flügeln und erhebt sich in die Luft.
Ich vernehme ein leises Klingeln, wie von den Glöckchen eines Glockenspiels. Verwundert hebe ich den Kopf und sehe einen silbernen Schatten, der zu Dumbledors Turm hinschwebt. Komisch. Wieso senden sie einen Patronus und keine Eule? Obwohl. Vielleicht ist es sehr dringend. Ich seufze. Egal. Es sollte mich heute nicht interessieren. Sirius schlägt Petes König und grinst zufrieden. Pete schmollt leicht und sagt: „War eh klar, dass ich wieder verliere." „Emmi", James sieht mich mit einem amüsierten Grinsen an. „Ja?", frage ich ihn skeptisch. Was ist denn jetzt schon wieder? „Was ist da jetzt eigentlich?", er fängt den Schnatz mit seiner linken Hand. „Wo? Und vor allem... was?", erwidere ich. „Mit dir und Benj. Oder mit dir und Winterfield. Wie auch immer." Bei Tobys Namen verdunkelt sich seine Miene und seine Stimme wird hart. „Mit mir und Toby ist gar nichts", stelle ich eisig klar. Oder? Nein, Emmi. Er ist Geschichte. Es ist nur, weil es noch Nachwirkungen sind. Da ist nichts mehr. „Und mit Benj?", will Sirius neugierig wissen und wackelt anzüglich mit den Augenbrauen. Ich muss lachen und schlage nach ihm, doch er weicht mir aus. Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. Marlene muss lachen. „Ach Emmi", strahlt sie mich an, „Das ist so süüüüüüüß." „Ja aber wirklich", stimmt Pete zu, „Schnapp ihn dir, worauf wartest du noch?" ich gluckse. „Ich schnapp mir gar niemanden", protestiere ich schwächlich. „UHHHHH!", quietscht Sirius, „Emmi und Benj!! Wir müssen sie verkuppeln! Hat wer Vorschläge?" „Besenkammer einsperren!", kommt es von James wie aus der Pistole geschossen. „NEIN!", rufe ich mit großen Augen. Hitze steigt in meine Wangen. Um Merlins Willen! „Oder beiden sagen, dass sie zu einem Lehrer kommen müssen. Aber dann sind nur sie da", sagt Marl aufgeregt und legt ihren Block zur Seite. Ich sehe sie entsetzt an. „Aber das wird nur peinlich!" „Ja, eh", grinst Sirius frech, „Und dann seht ihr beide ein, dass ihr Gefühle für einander habt." „Und dann gesteht es ihr euch", seufzt Rem melodramatisch, „Wie romantisch." „Wer sagt, dass er Gefühle für mich hat?", frage ich herausfordernd. Oh Merlin, das kann noch was werden. „Bitte", schnaubt James amüsiert, „Das sieht man." „Und dann knutscht ihr bis zur Bewusstlosigkeit", vollendet Tatze fröhlich, ohne auf uns einzugehen. „TATZE!", rufe ich empört. „Ja? Du hast gerufen?", fragt er schelmisch. Ich werfe eine Schachfigur nach ihm. „Nana, Miss Haimerl, werden Sie nicht rabiat!", neckt er mich. Ich schnaube. „Lass mich rabiat werden, wann ich will." Ich schüttle den Kopf: „Außerdem, nein. Wir bringen das ziemlich wahrscheinlich auch alleine zam, danke." „Wirklich? Aber wir können doch nachhelfen", sagt Peter mit gespielter Eifrigkeit. Ich werfe ihm einen Todesblick zu. „Nein." „Doch, doch, das ist eine gute Idee!", bekräftigt Remus noch. So geht es eine ganze Weile. Über ineinander laufen bis hin zu Mistelzweigen im Juni und gebrochenen Beinen ist alles dabei. Wow. Meine Freunde sind großartig. Echt.
„Miss Haimerl! Miss Oelschlägel!", ertönt eine atemlose Stimme von etwas weiter weg. Ich drehe meinen Kopf und erkenne McGonagall, die eilig auf uns zu hastet. Ihr Blick ist nicht wie sonst streng oder gefasst, sondern aufgewühlt. Schon bin ich auf den Beinen und Marl erhebt sich ebenfalls. Wir gehen ihr ein Stück entgegen und keuchend, hält unsere Hauslehrerin vor uns an. Ihr Knoten hat sich gelockert und dunkle Haare fallen ihr ins Gesicht. „Was ist passiert?", frage ich, auf das Schlimmste gefasst. „Professor Dumbledor braucht Sie beide nochmals für eine Befragung", erwidert sie. Auch Marlene will nun wissen: „Was ist denn passiert?" McGonagalls Blick verdunkelt sich etwas. „Bei seiner Gerichtsversammlung hat Nushkins die Zaubereiministerin Bagnold getötet und ist geflohen." „Was?!", entfährt es mir ungläubig, „Aber das gesamte Zaubergamot und die Auroren..." „Niemand weiß, wie er es geschafft hat. Aber Tatsache ist, er hat es geschafft. Und Sie müssen nochmals ihre Aussagen tätigen. Vielleicht wurde etwas übersehen", erklärt McGonagall. „Wir kommen sofort", erwidert Mena und rasch packen wir unsere Sachen und folgen ihr eilig ins Schloss.
Angst ergreift Besitz von meinem Körper. Was wenn er zurückkommt? Oder unsere Familien aufsucht? Was, wenn er weiterhin tötet? Was, wenn Todesser ihn finden und ihn zu einer Waffe machen? Der arme, gute Teil in ihm. Mitleid erfasst mich. Der echte Nuskins kann ja nicht mal was dafür. Traurig denke ich an die VgddK-Stunden zurück. Er war so gut ausgebildet. Und so rein. Er hat wirklich den Anschein vermittelt, als wolle er uns beibringen, wie man sich verteidigt. Was der eine Teil von ihm ja wollte. Ist es schlecht, dass wir jetzt nur noch seine dunkle Seite sehen? Sein anderes, dunkles Ich? Er wusste es ja selbst nicht. Oh Merlin. Ich stolpere beinahe über eine Stufe und schnelle so aus meinen Gedanken. „Alles ok?", fragt Marl mit einem kleinen Schmunzeln im Gesicht. Ich nicke und lächle ihr kurz zu. McGonagall sieht nur kurz zu uns, dann wieder gerade nach vorne. Sie muss wirklich aufgewühlt sein. Der linke Wasserspeier öffnet schon seinen Mund, doch McGonagall schneidet ihm das Wort ab: „Zimtschneckentee." Er grummelt beleidigt und macht Platz. Sie hastet die Treppen hoch. Ich wechsle einen Blick mit Marl. Hier geht gerade alles drunter und drüber. Ich meine, wie denn auch nicht? Ein Mörder ist ausgebrochen, hat das Aurorenkommando ausgetrickst und die Zauberministerin getötet. Es kommt uns Flitwick entgegen. Er hastet an uns vorbei. Ich will grüßen, doch er beachtet uns nicht mal. Wir kommen vor Dumbledors Büro an. Es ertönen aufgeregte, tiefe Stimmen, dann eine höhere. Ich sehe die Tür unruhig an. Unsere Hauslehrerin klopft. Sie hat ihr strenges Gesicht wieder aufgesetzt. Die Stimmen verstummen. „Herein", das ist Dumbledor. Sie öffnet die Tür und tritt ein. Ich verstecke mich, mehr oder weniger hinter ihr, als wir ihr folgen. Cornelius Fudge und zwei andere Männer, die ich nicht kenne sehen uns verdutzt an. „Was machen Sie denn hier?", fragt er Mena und mich. Ich will gerade etwas sagen, doch Dumbledor fährt dazwischen. „Ich habe sie herbestellt", sagt er ruhig. er wendet sich an Fudge. „Cornelius, ich bin mir im Klaren, wie aufgewühlt Sie sein müssen. Doch ich bleibe bei meiner Meinung. Ich werde Hogwarts nicht verlassen. Ich wünsche Ihnen einen hoffentlich ruhigeren Tag, als er bis jetzt war. Auf Wiedersehen die Herren." Sie nicken einander zu. Fudges Mund klappt auf und zu, als wolle er noch etwas sagen, dann packt er seine Melone, verabschiedet sich und tritt in die grünen Flammen, die im Kamin in der Ecke lodern. Sein Gefolge tut es ihm gleich. Mit einem Rauschen sind die zwei verschwunden.
„Puh", macht Dumbledor und lässt sich auf seinen Sessel sinken, „die drei Herren waren äußerst nervenauftreibend." McGonagalls Schultern sinken nach unten, als sie ausatmet: „Albus, ich bringe Ihnen die beiden Mädchen." Ich winke leicht. Er lächelt und deutet uns mit einer Handgeste uns zu setzen. „Minerva, Sie sind heute schon genug umhergelaufen", sagt er und lässt mit dem Wink seines Zauberstabs einen Sessel erscheinen, „Setzen Sie sich." „Danke, Albus", seufzt sie und lässt sich, äußerst un-McGonagallhaft in den Ohrensessel fallen. „Also", er wendet sich uns zu, „Ihr habt vermutlich schon die Neuigkeiten erfahren. Es scheint, als sei unser doppelter Nushkins ausgebrochen und hätte noch dazu unsere Ministerin getötet. Nun. Ich befürchte, ich habe irgendetwas übersehen. Es wäre gut, wenn Sie mir die ganze Geschichte nochmals mit all den Einzelheiten berichten würden." Ich kann nur nicken und Marl ist die erste, die zu reden beginnt. „Also, wir sind eben vom Krankenflügel weggegangen und..." Und da erzählen wir die ganze Sache nochmals. Wie er zuerst von uns weggegangen ist, doch reagiert hat, normal war. Wie er an seinen Knöpfen herumgenestelt hat. Von meinem unguten Gefühl. Wie er gefragt hat, ob alles ok wäre. Doch seine Stimme hat nicht dazu gepasst. Und dann, war seine Stimme rau. Seine Augen waren pechschwarz und voller Wahnsinn. Er wusste nicht mehr, wer May war, dass er Lehrer war und wie er hieß. Er dachte, wie wollten ihn betrügen, als wir ihn darauf ansprachen. Er war so voll sadistischer Euphorie und von ihm ging solch machtvolle Energie aus. Nachdenklich spielt Dumbledor mit einem Federkiel in seiner Hand. „Es gibt tatsächlich", beginnt er langsam, „gewisse Parallelen. Wie er anders sprach, als seine Persönlichkeit gewechselt hat. Und wie er kurz davor mit seinen Händen gespielt hat." Ich schlucke. Es gibt einen Ablauf? Sie ist nicht einfach da? „Von dir Emily, weiß ich, dass du Auren erspüren kannst. Das heißt, wenn du die Macht gefühlt hast, dann ist sie real. Nushkins ist wirklich, wirklich stark. Das haben auch die Auroren gemerkt, als er einfach verschwunden ist." Ich runzle die Stirn und versuche zu denken. Wie kann das alles zusammenpassen? „Professor", fragt Marl unsicher, „Aber wieso ist Nushkins so geworden? Was hat seine Persönlichkeitsspaltung ausgelöst?" Er fixiert einen Punkt hinter uns, als er zu erzählen beginnt: „Ich habe mir erlaubt seine Erinnerungen zu durchforschen, als ich ihn gefangen hielt. Ich fand eine, von der ich glaube, dass sie sie hervorgerufen hat. Ihr müsst wissen, als Nushkins noch ein Kind war hat er seinen Vater geliebt. Er war sein großes Vorbild. Wenn er groß war, dann wolle er so werden wie sein Vater. Er hat ihn bewundert und versucht nachzuahmen. Sie hatten eine sehr innige Bindung. Jedoch kam es eines Tages dazu, dass sein Vater ausrastete und im Wahn seine Frau und Mutter seines Kindes vor den Augen seines Sohnes ermordete. Es hat den jungen Anthony im wahrsten Sinne des Wortes zerrissen. Ein Teil, der Teil, den ihr dieses Jahr kennenlernen durftet, verabscheute die dunklen Mächte und tat alles in seiner Kraftstehende, um sie zu bekämpfen. Er hatte eine Aurorenausbildung und außerdem eine zweijährige Weiterbildung in Verteidigung gegen die dunklen Künste. Der andere Teil, der ihn zum Mörder machte, wollte unbedingt so werden wie sein Vater. Das blieb noch aus seiner kindlichen Überzeugung. Doch durch die blutige und auch letzte Tat, die er von seinem Vater erleben konnte, war dies, was er von seinem Vater in Erinnerung behielt. Und er ahmte ihn nach."
Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter. Manche Menschen haben solch ein schweres Schicksal. „Wissen jetzt beide Teile von ihm, was passiert ist?" „Du meinst die Morde?", fragt Dumbledor. Ich nicke. „Ja, das wissen sie. Ich weiß nicht, wie er alles verarbeiten wird. Wir werden sehen." Ich seufze bedrückt. „Emily, ich weiß, sein Schicksal ist nicht leicht. Aber das ist keines. Es ist nicht deine Aufgabe, seinen Weg zu erleichtern." „Ich weiß", sage ich niedergeschlagen, „trotzdem. Er ist ein guter Mensch. Im Grunde." „Ja, im Grunde schon", das ist McGonagall. Ich drehe mich zu ihr um. Hatte schon vergessen, dass sie noch da ist. Erschrocken bemerke ich, dass ihr Gesicht tränennass ist.
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